Esoterik entlarvt

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Der Kaiser hat keine Kleider an: Wolfgang Hund entlarvt in seinem neuen Buch Esoterik und Okkultismus kompetent.

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Der Kaiser hat keine Kleider an: Wolfgang Hund entlarvt in seinem neuen Buch Esoterik und Okkultismus kompetent.

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Total verkopft und immun gegen allen energetischen Schwindel: Das neue Buch eines Spezialisten für Übersinnliches, Wolfgang Hund, hinterfragt Edu-Kinestetik und Transkommunikation. Es steht zu befürchten, dass dieses geistige Produkt eines "Nichteingeweihten" keinen Pendler von seinem Pendelausschlag und keinen Transkommunikations-Fan von seinen Kontakten mit dem Jenseits befreien wird.

Dabei hat Wolfgang Hund in seinem Buch "Falsche Geister - echte Schwindler?" wirklich gute Erklärungen dafür zu bieten, weshalb Wahrsager manchmal Recht haben, Gläser verrücken und Verstorbene plötzlich auf dem Fernsehbildschirm erscheinen.

Zugegeben: Die Antworten Hunds sind für Kenner kritischer Veröffentlichungen über Esoterik nicht neu. Doch bietet der Autor in wohltuend sachlicher Weise und in verständlicher Sprache Argumente, die man esoterisch Gläubigen entgegenhalten kann. Auch verunsicherten Eltern und Jugendlichen kann das Buch Orientierungshilfe sein. Hunds Ziel: Nicht die totale Entzauberung des Übersinnlichen, sondern der Appell: Schau hin, der Kaiser hat keine Kleider an!

In drei Kapiteln befasst sich der Autor mit Wahrsagerei und Astrologie, mit dem modernen Spiritismus und mit Alternativ-Medizin. Nach authentischen Fallbeispielen - häufig aus beliebten Jugendzeitungen - erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Phänomen, wissenschaftliche Testergebnisse und, soweit möglich, eine nüchterne Erklärung. Ein Augenzwinkern ist ebenfalls dabei.

Inspiriert vom ständigen Umgang mit Bachblütenbetröpfelten hat Wolfgang Hund einige selbst kreierte "Anzeigen" geschaltet, die nicht ganz ernstzunehmen sind. Sehr wohl ernstzunehmen sind aber die Sorgen Hunds, Beauftragter des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, wegen des wachsenden Einflusses der Esoterik auf die Pädagogik. Es ist nicht nur der felsenfeste Glaube der Eltern an die entspannende Wirkung von Bachblütentropfen in den Schultaschen der Kleinsten, der eine wirkliche Auseinandersetzung mit Schulstress verhindert.

Auch die Lehrer selbst setzen zur Verbesserung des Lernvermögens ihrer Schüler zunehmend auf "Edu-Kinestik" oder "Brain-Gym". Beide Richtungen gehören zur so genannten "Angewandten Kinesiologie", einer Bewegungslehre, die einen Zusammenhang zwischen Gefühlen, Muskeln und Organen behauptet. In sündhaft teuren Seminaren erfahren Pädagogen, wie sie Leistungsblockaden ihrer Schüler beheben können. Das klingt dann so: "Tim hat zuviel Energie im Versuchsgehirn, und das Reflexgehirn ist abgeschaltet. Jedes Mal, wenn Tim fühlt, dass er ,versucht', und nicht mit seinem ganzen Gehirn denkt, dann hält er an der Stirn zwei Punkte zwischen den Augen und dem Haaransatz (die Höcker). Das schaltet sein Reflexgehirn wieder an."

Solche Therapieanweisungen per Knopfdruck aus einem von Hund zitierten Handbuch der Edu-Kinestetik klingen lustig-harmlos, sind es aber nicht. In Schule und Erziehung verbieten sich solch pseudowissenschaftliche Experimente mit psychisch labilen Kindern. Das Recht auf persönliche Dummheit endet dort, wo Jugendliche betroffen sind, meint Hund. Oder um es mit dem von ihm zitierten Wissenschaftsjournalisten Carl Sagan zu sagen: "Aufgeschlossenheit ist eine Tugend - aber man möge doch nicht so offen sein, dass einem das Gehirn herausfällt".

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