Ethik - © Foto: iStock/Rike

Ethik: Ist das richtig oder falsch?

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Die aktuellen Krisen zwingen die Politik, aber auch jede und jeden Einzelne(n) zu Entscheidungen. Ethik als Wissenschaft, die über gutes Leben nachdenkt, kann hier weiterhelfen. Wie ein wachsendes Studienangebot diesem Bedürfnis nach Orientierung Rechnung tragen will.

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Die aktuellen Krisen zwingen die Politik, aber auch jede und jeden Einzelne(n) zu Entscheidungen. Ethik als Wissenschaft, die über gutes Leben nachdenkt, kann hier weiterhelfen. Wie ein wachsendes Studienangebot diesem Bedürfnis nach Orientierung Rechnung tragen will.

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Sollen wirtschaftliche Sanktionen gegen die aktuelle russische Regierung verhängt werden, die europäischen Demokratien schaden? Gilt es, zum Schutz des Klimas und im Interesse zukünftiger Generationen fossile Brennstoffe zu verbieten? Ist im Zuge der Covid-19-Pandemie der Wirtschaft oder dem Schutz der Gesundheit der Vorrang zu geben? Wie und welche Daten sollen für die digitale Transformation gesammelt und genützt werden, um Innovation zu ermöglichen?

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Zahlreiche Fragen der öffentlichen Diskussion weisen im Kern eine ethische Dimension auf. Neue Handlungsspielräume stellen uns gleichzeitig vor neue Herausforderungen. Das Bedürfnis nach ethischer Orientierung in einer komplexer werdenden Welt wächst. Hier kann die Ethik weiterhelfen. Sie bildet die Wissenschaft, die über gutes und richtiges Leben nachdenkt. Dabei strebt sie nach einer universellen, generationenübergreifend begründbaren Vorstellung von richtig und falsch, von gut und schlecht. Im Zuge dessen berücksichtigt sie selbstverständlich die Pluralität von Ethiken. Die Achtung dieser Pluralität kommt u. a. ja gerade diese Woche in Form der Abmeldungsmöglichkeit vom konfessionellen Religionsunterricht zum Ausdruck. Das ethisch Gebotene sollte sich nicht von Tag zu Tag ändern. Das ethische Prinzip der Menschenwürde aller Menschen etwa, das die Einzigartigkeit aller Menschen festschreibt, das Menschen von materiellen Objekten und anderen Lebensformen unterscheidet und das es absolut verbietet, Menschen ein Preisschild anzuheften, verliert angesichts neuester technologischer Entwicklungen nichts von seiner Gültigkeit. Schließlich reagiert die Ethik nicht auf, sondern interagiert mit Fortschritt und Technologieentwicklung.

Ethik oder Moral?

Universalität als notwendiges Merkmal von Ethik, ethischen Prinzipien und Normen setzt die Erfüllung des Prinzips der Verallgemeinerbarkeit durch rationale und plausible Argumente – „gute Gründe“ – voraus. „Gute Gründe“ bedeutet, dass es denkbar sein muss, dass alle Menschen in ihrer effektiven Freiheit und Autonomie sowie ihrer vollen Gleichheit diesen Gründen – innerhalb eines Denkmodells und nicht innerhalb einer realen weltweiten Volksabstimmung – aus ethischen Gründen zustimmen würden.

Wobei Ethik von Moral zu unterscheiden ist. Während Moral subjektive und gesellschaftliche Wertvorstellungen und Überzeugungen umfasst, prüft die Ethik als Wissenschaft die Legitimität von Geltungsansprüchen moralischer Positionen, stiftet Orientierung in moralischen Fragen und trägt zur Klärung von moralischen Konflikten bei. Ethik erweist sich als Reflexionstheorie der Moral; Moral bildet also den Untersuchungsgegenstand der Ethik.

Ethische Fragen spielen auch im beruflichen Alltag eine zunehmend wichtige Rolle, z. B. im Gesundheitswesen: Wie soll mit Menschen in ihrer letzten Lebensphase umgegangen werden? Wie sind Möglichkeiten des „Enhancement“ (der Selbstoptimierung) gesundheitsethisch einzuordnen? Nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch in Unternehmen ergeben sich ethische Herausforderungen: Soll ein Unternehmen seinen Gewinn maximieren oder nachhaltig wirtschaften? Trägt ein Unternehmen als Ganzes oder einzelne Mitarbeitende Verantwortung – z.B. für einen Betrug, für Menschenrechtsverletzungen oder für Umweltzerstörung durch das Unternehmen? Und schließlich ergibt sich im Rahmen der digitalen Transformation ethischer Klärungsbedarf angesichts der zunehmenden Präsenz von Maschinen im beruflichen als auch privaten Alltag von Menschen: Dürfen Mitarbeitende im Homeoffice mit Spy-Software überwacht werden, um ihre Produktivität

Während Moral subjektive und gesellschaftliche Wertvorstellungen umfasst, prüft die Ethik die Legitimität moralischer Positionen. Sie ist also die Reflexionstheorie der Moral.

messen zu können? Sollen Geschäftsmodelle darauf basieren, möglichst viele persönliche Daten von Kundinnen und Kunden zu sammeln und an die Meistbietenden weiterzuverkaufen, damit diese dann für ökonomische oder politische Manipulation genützt werden können?

In den letzten Jahren ist das Bedürfnis nach ethischer Orientierung und nach spezifisch ethischer Fachkompetenz gewachsen. Um diesem Bedarf, aber auch dem Anliegen nachzukommen, als Individuen und Gesellschaft mehr ethische Verantwortung zu übernehmen, sind drei Kompetenzen notwendig: Erstens braucht es die Befähigung, ethische Herausforderungen als solche zu erkennen. Zweitens ist die Entwicklung ethischer Reflexionskompetenz verlangt. Drittens gilt es, ethisch begründet Position zu beziehen.

Das wachsende Studienangebot im Bereich „Ethik“ soll genau dem gerecht werden. Es soll dafür sorgen, dass die Absolvierenden als Ethics-Officer, Nachhaltigkeits- oder CSR-Verantwortliche in Unternehmen oder öffentlichen Institutionen, als Leitende eines Ethik-Forums in einem Spital oder als Ethik-Spezialist(inn)en bei Fragen der digitalen Transformation einen kleinen Beitrag zu einer besseren Welt leisten können.

Der Autor ist Leiter des Instituts für Sozialethik (ISE) an der Universität Luzern sowie Studienleiter des neuen, zweijährigen Masterstudiums „Ethik“, das im September 2023 startet. Nähere Informationen unter www.unilu.ch/master-ethik.

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