"EU und USA gegen Afrika"

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Aminata Traore, frühere Kultur- und Tourismus-Ministerin von Mali, zur vom Norden geförderten Ohnmacht Afrikas.

Die Furche: Frau Traore, was überwiegt aus afrikanischer Sicht: die Macht oder die Ohnmacht Europas?

Aminata Traore: Die Fragestellung ist schon entlarvend. Niemand würde je auf die Idee kommen, bei Afrika nach Macht oder Ohnmacht zu fragen - Afrika wird von vornherein und für alle Zeiten unveränderbar als ohnmächtig angesehen. Aber zu Ihrer Frage: Natürlich ist Europa mächtig, sehr mächtig sogar; leider gönnt Europa diese Macht Afrika nicht, ja nicht einmal einen Teil davon. Wir sind frustriert, wenn wir sehen, welche Rolle die eu gegenüber Afrika spielt. Gerade Europa müsste doch gegenüber Afrika eine andere Sicht haben, denn viele europäische Länder haben aufgrund ihrer kolonialen Vergangenheit in Afrika auch Verantwortung für diesen Kontinent.

Die Furche: War der G8-Gipfel Anfang Juli kein kräftiges Zeichen der Solidarität mit Afrika?

Traore: Bei jedem Gipfel betont Europa, wie wichtig Afrika ist - aber wir wissen mittlerweile, dass es naiv ist, diese Beteuerungen als wirkliches Interesse an Afrika zu interpretieren, als wirkliches Anliegen, Afrika in der Welt zu integrieren.

Die Furche: Das werden der britische Premier Tony Blair und Africa-Aid-Konzertmanager Bob Geldof nicht gerne hören, nachdem sie sich so für den schwarzen Kontinent ins Zeug gelegt haben.

Traore: Dieser Gipfel und dieses Konzert waren sehr eigennützige Veranstaltungen. Tony Blair wollte damit sein vom Irak-Krieg beschädigtes Image aufpolieren. Hilfe für Afrika kommt in der Öffentlichkeit immer gut an und lässt unangenehme Fragen nach Blairs Verantwortung für das Desaster im Irak und seine unheilvolle Freundschaft zu Präsident Bush in den Hintergrund treten.

Die Furche: Und was soll der Eigennutz von Bob Geldof gewesen sein?

Traore: Geldof hat ganz Afrika beleidigt, als er öffentlich verkündet hat, es gebe keine ausreichend bekannten afrikanischen Musiker für sein Konzert. Gerade was die Musik betrifft, kann ich mit gutem Gewissen behaupten, dass wir nicht so schlecht sind. Geldof und Blair, beide haben, wenn sie von Afrika reden, allein ihre Geschäfte im Auge - es ist eine Schande.

Die Furche: Sie sagen, Europa ist mächtig und soll Afrika an dieser Macht teilhaben lassen - was heißt das konkret, was soll Europa tun?

Traore: Ich verlange nur, dass Europa fair ist. Wir sind jetzt mit der Lösung von Problemen konfrontiert, die nicht wir verursacht haben; Europa hat uns diese Wirtschaft aufgezwungen, die wir heute haben und unter der wir heute leiden. Und auch heute sind es nicht wir, die entscheiden. Wir recyclen doch nur den Abfall Europas. Alles was der Norden nicht mehr braucht, wird nach Afrika geschickt - Autos, Traktoren, Maschinen... Oder ein anderes Beispiel: Wir liefern die beste Baumwolle, zurück bekommen wir alte Kleider. Jeden Tag werden wir in eine Richtung getrieben, die wir nicht gewählt haben.

Die Furche: Ist es legitim, Europa bzw. dem Norden die ganze Schuld an der Misere in vielen afrikanischen Staaten zu geben? Es haben doch auch genug afrikanische Politiker Dreck am Stecken ...

Traore: ... alle Kritik ist immer auf unsere Politiker gemünzt. Wenn diese nur effektiver wären, hätten wir schon längst alle Probleme gelöst, heißt es. Aber glauben Sie mir: Auch wenn wir die besten Politiker der Welt hätten, sie könnten Afrika nicht retten, solange das der Norden nicht will - und der Norden will es nicht. Und die angebliche Unfähigkeit der afrikanischen Politiker ist nur eine weitere willkommene Ausrede, um zu erklären, warum es mit Afrika nicht aufwärts geht.

Die Furche: Aber Sie werden doch nicht leugnen, dass es korrupte afrikanische Politiker gibt.

Traore: Korrupte Politiker gibt es überall; sie sind in Afrika genauso wie in Europa oder Amerika ein Übel, aber nur bei uns werden sie ständig thematisiert - um unsere schlechte Situation zu erklären, ohne dass der Norden sich fragen muss, welche Mitschuld er daran hat. Wenn ich nach Europa komme, höre ich immer die Klage, die eu-Politiker würden abgehoben regieren, zu wenig auf die Bevölkerung hören. Ich frage Sie, warum sollten diese Politiker wissen, was wir Afrikaner brauchen, wenn sie nicht einmal wissen, was bei ihnen zuhause nötig ist?

Die Furche: Wenn Sie von der Politik der Europäischen Union reden - ist die eu ein Modell für Afrika? Gibt es Bestrebungen zur Einigung des Kontinents auch in Afrika?

Traore: Es gibt doch schon lange die afrikanische Union ...

Die Furche: ... deren Erfolge aber doch noch recht bescheiden sind ...

Traore: ... weil das die ehemaligen Kolonialmächte und in ihrem Gefolge Weltbank und Internationaler Währungsfonds nicht wollen und zu verhindern wissen. Seit den 60er-Jahren versucht Afrika ein Kontinent, eine Union zu werden. Aber Frankreich und andere europäische Staaten ziehen mehr wirtschaftliche Vorteile daraus, wenn Afrika in Einflussbereiche getrennt bleibt. Solange wir es nicht schaffen, mit einer Stimme zu sprechen, bleiben wir nur eine Randzone der Welt, mit nichts zu denken und nichts zu sagen.

Die Furche: Was sollte gedacht und gesagt werden?

Traore: Es soll gesagt werden, dass wir unser Land, unser Wasser, unser Erdöl und unsere Rohstoffe für unsere eigenen Leute brauchen. Wir wollen das anbauen, was wir für uns brauchen; wir wollen unsere Rohstoffe zum Aufbau unserer Wirtschaft nutzen; wir wollen nicht länger gezwungen sein, für den Norden zu produzieren. Der Export bringt keinen Profit, das ist das Hauptproblem.

Die Furche: Schluss mit offenen Märkten also?

Traore: Sie sind ja auch jetzt nicht offen - zumindest nicht für uns Afrikaner. Afrikas Rohstoffe werden von Europa und Amerika ausgebeutet, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Europa, Amerika, jeder schaut nur auf seine eigenen Interessen, jeder gegen den anderen und beide gegen Afrika. Und zum Schluss ist niemand mehr da, um Afrika aus seinem Elend zu befreien.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

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