Europäer und Großmufti

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Für sein Engagement im interreligiösen Dialog und sein Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechten erhält Mustafa Ceri´c viel Lob am internationalen Parkett.

Großmufti Mustafa Ceri´c ist das geistliche Oberhaupt der bosnisch-herzegowinischen Muslime. Er gilt als Brückenbauer zwischen den Religionen und als Symbol des muslimisch-christlichen Dialogs in Europa. Dafür wurde Ceri´c in den vergangenen beiden Jahren gleich zweimal von angesehenen deutschen Stiftungen ausgezeichnet - auch wenn er sich für die Scharia stark macht.

Mit der Dz´ube, dem schwarzen Mantel des Imams, und der Ahmedija auf dem Kopf betritt Mustafa Ceri´c festen Schrittes den Empfangsraum der ehrwürdigen, 1566 erbauten Kaiser-Moschee in Sarajewo. Der Reisu-l-Ulema, so sein offizieller Titel, ist das Oberhaupt der rund zwei Millionen Menschen umfassenden Islamischen Gemeinschaft von Bosnien und Herzegowina.

Im selben Ornat nahm Mustafa Ceri´c Ende November 2008 in München auch den Eugen-Biser-Preis entgegen. Er und zwei islamische Geistliche aus Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten wurden "für ihren außerordentlichen Beitrag zum muslimisch-christlichen Dialog" ausgezeichnet, wie die Stiftung mit dem Namen von Eugen Biser, einem der führenden katholischen Theologen in Deutschland, schreibt. Die Preisträger waren maßgeblich am "A Common Word between Us and You" beteiligt, dem im Herbst 2007 von 138 muslimischen Geistlichen und Intellektuellen unterschriebenen offenen Brief an den Papst und die christlichen Kirchen. Als Reaktion auf die Regensburger Rede von Benedikt XVI. bekannten sich die Unterzeichner darin ausdrücklich zu den gemeinsamen Grundlagen des Islams und des Christentums und zum Dialog ( www.acommonword.com).

Scharia sei wie die Zehn Gebote

Mustafa Ceri´c hatte jedoch schon vor der Verleihung des Eugen-Biser-Preises für Schlagzeilen gesorgt: "Es gab Leute, die herausgefunden haben wollten, dass ich Europa islamisieren und die Scharia einführen wolle", erklärt der 57-jährige Reisu-l-Ulema im Gespräch mit dieser Zeitung. Dabei ging es um einen Artikel in der der Europäischen Volkspartei (EVP) nahestehenden Zeitschrift "European View", in dem der Großmufti 2007 unter anderem geschrieben hatte: "Die Scharia ist immerwährend, nicht verhandelbar und unbefristet (the Sharia is perpetual, it is not negotiable and it is not terminable)." Zu dieser Aussage steht Ceri´c. Das Problem sei, dass die Scharia in der europäischen Öffentlichkeit immer nur in Verbindung mit einem rigiden Strafrecht - Handabhacken, Todesstrafe, etc. - gesehen werde, gibt der Geistliche zu bedenken.

Doch die Scharia sei weit mehr, nämlich ein Prinzip oder eine Weltanschauung, wie die Zehn Gebote bei Christen und Juden. "Diese Richtlinien sind nicht verhandelbar. Doch Modelle für deren Anwendung kann es Hunderte geben." Deshalb sei auch das Strafrecht der Scharia durchaus veränderbar. "Als europäischer Moslem ist es mein Recht, die Scharia im Kontext meiner Erfahrung von Demokratie und Menschenrechten zu interpretieren und zu sagen, dass die Todesstrafe falsch ist", ist der Großmufti überzeugt. Für ihn ist klar, dass die Verfassung und die Gesetze des Staates für alle Gültigkeit haben und über allem stehen.

Zu einer Kritik gegen die teilweise rigide Anwendung des Scharia-Strafrechts in gewissen muslimischen Ländern will Ceri´c, der in Kairo Theologie und Philosophie studiert hat und Arabisch spricht, aber nicht ausholen: "Dazu habe ich kein Recht. Wir müssen zunächst hier in Europa ein gutes Beispiel vorleben." Als einen Beitrag dazu sieht er seine "Erklärung der Europäischen Muslime" vom Februar 2006 - eine Reaktion auf die Terroranschläge von New York, Madrid und London.

Der Reisu-l-Ulema legte in der Deklaration ein unmissverständliches Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechten ab, unterstrich die Bedeutung des Dialogs zwischen den Religionen und verlangte gleichzeitig den "Schutz der europäischen Muslime vor Islamophobie". Nicht zuletzt aufgrund dieser Erklärung wurde Ceri´c im Jahr 2007 der nach dem ersten deutschen Bundespräsidenten benannte Theodor-Heuss-Preis verliehen.

Europa - darum geht es im Gespräch mit Mustafa Ceri´c, der auch einige Jahre in Chicago als Imam gewirkt und in Kuala Lumpur als Professor gelehrt hat, immer wieder. Europa sei für Muslime ein guter Platz um zu leben, "aber die Muslime müssen hart arbeiten, um ihren Platz in der Gesellschaft zu bekommen", so der Großmufti. Für die Vorbehalte, die es in Europa gegenüber dem Islam gibt, hat er Verständnis. Die meisten Europäer wüssten kaum etwas über den Islam, seien mit dieser ihnen fremden Religion nicht vertraut - deshalb mache der Islam vielen Menschen Angst.

Dialog, statt nur über die Muslime zu reden

Bewegungen, die den Bau von Moscheen oder Minaretten in Europa verhindern wollen, nennt Mustafa Ceri´c "antieuropäisch" und appelliert an die Politik: "Wenn die Muslime ihre Moscheen nicht auf dem Boden errichten dürfen, werden sie sie im Untergrund bauen. Erlaubt ihnen, ihre Moscheen zu haben, offen und transparent; damit sichtbar wird, was sie predigen und wer sie sind." Ceri´c begrüßt denn auch ausdrücklich die vom deutschen Innenminister Wolfgang Schäuble 2006 ins Leben gerufene Deutsche Islamkonferenz, ein Forum für den Dialog zwischen den in Deutschland lebenden Muslimen und dem Staat. "Schäuble hat Europa gezeigt, wie man mit den Muslimen sprechen soll - anstatt nur über die Muslime zu reden."

Während der Reisu-l-Ulema auf dem internationalen Parkett Lob und Anerkennung für seine Bemühungen im interreligiösen Dialog erntet, gibt es in seinem Heimatland viele kritische Stimmen - auch von islamischen Intellektuellen. Ceri´c, der sein Amt seit dem Kriegsfrühling 1993 innehat, mische sich als Religionsführer viel zu oft in die Politik ein, unternehme aber zu wenig gegen das Erstarken der als Wahhabiten bezeichneten islamischen Fundamentalisten.

Das sei alles politische Propaganda von Kräften, die einen Konflikt zwischen den Muslimen und eine islamophobe Stimmung in Bosnien und Herzegowina schaffen wollten, wiegelt der Großmufti ab und fügt hinzu: "Wir sind uns des Problems durchaus bewusst." Doch es sei besser, diese Leute zu integrieren, anstatt sie aus der Gemeinschaft auszuschließen. "Alle Moscheen in Bosnien und Herzegowina - es gibt tausende davon - und alle Imame, die dort predigen, sind unter meiner Kontrolle", sagt der Reisu-l-Ulema mit fester Stimme, rückt seine Ahmedija zurecht und verabschiedet sich mit einem kräftigen Händedruck. Es ist kurz vor zwölf Uhr, das Mittagsgebet in der fast 450 Jahre alten Kaiser-Moschee beginnt gleich.

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