Wie oft schon brach in Nordirland das Pflänzchen Frieden ab, bevor eine Blüte sichtbar war? Die Osterhoffnung des Karfreitags 1988, als der Durchbruch zwischen den verfeindeten Parteien gelungen schien, wurde durch die Karfreitagsernüchterung zu Ostern 1999 gedämpft, wenn nicht beinahe zunichte gemacht: Die Deadline zur Regierungsbildung in der Krisenprovinz Ulster verstrich ungenutzt, der Versöhnungsprozeß stockte.
Doch nun, nur wenige Monate nach dem Rückschlag, wächst das Pflänzchen wieder, und Katholiken - mit dabei die politischen Verwandten der IRA - einigten sich mit den meisten Strömungen der Protestanten: Nach 25 Jahren soll Nordirland mit 2. Dezember wieder eine nordirische Regierung haben, geführt vom protestantischen Paulus, dem Friedensnobelpreisträger 1998 David Trimble, der noch vor zwei Jahren als knochenharter Saulus alles andere als gesprächsbereit war.
Wie lange es bis zum nächsten Dämpfer dauert? Der Friedensprozeß in Ulster hält jedenfalls einiges aus - so die Lehre der letzten beiden Jahre. Vielleicht tauen selbst ganz erstarrte Krusten des Hasses langsam auf. Eine Garantie gibt niemand ab - außer der noch jungen geschichtlichen Erfahrung, daß etwas in Bewegung kommen kann.
Das mag für Nordirland Hoffnung bedeuten. Es ist aber auch tröstlich für andere Krisenherde, in denen die Perspektive noch nicht zukunftsträchtig ist. Sogar dort, wo - unter den ratlosen Augen der Weltöffentlichkeit - die alte Gewalt wiederzukommen droht: Im Baskenland, das eines der friedlichsten Jahre seit langem hinter sich hat, kündigt die Separatistenorganisation ETA ab dem 3. Dezember neuen Terror an.
Die Beharrlichkeit, mit der in Nordirland verhandelt wurde - vor allem die schier unendliche Geduld, die der amerikanische Vermittler George Mitchell in den letzten Wochen aufbrachte, um die Streitparteien einander näherzubringen -, hat sich gelohnt. Zumindest für den nächsten Schritt. Auch wenn in Europa die Geschichte ungleichzeitig verläuft: Bei allen Unterschieden könnten die irischen Erfahrungen für die baskische Krise durchaus hilfreich sein.
Ob ein europäisches Instrumentarium (im EU-Rahmen, in der OSZE?) entwickelt werden kann, um bei der Konfliktlösung voneinander zu lernen? Es wäre an der Zeit ...
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