Europas Christen trafen (auf)einander

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Erstmals war ein orthodoxes Land Gastgeber von Europas Ökumene-Gipfel. Eindrücke nach der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung.

Als am 4. September im altösterreichischen Hermannstadt die nach Basel und Graz Dritte Europäische Ökumenische Versammlung (EÖV3) eröffnet wurde, befanden sich viele und wichtige Teilnehmer noch vom Verkehr blockiert irgendwo auf der Anreise. Unter ihnen sogar auf dem Weg von Zagreb Kardinal Josip Bozani´c, Vizepräsident des Rates der katholischen Bischofskonferenzen in Europa (CCEE). Diese und andere infrastrukturelle Mängel im rumänischen Siebenbürgen ließen gar manchen auch später am Erfolg dieser gemeinsamen Großveranstaltung der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) mit der CCEE zweifeln. Als das Treffen jedoch am Abend des 8. September zu Ende ging, war vielen klar, dass in diesem Frühherbst ein neuer Frühling für das Christsein in West und Ost geboren ist. Es wurden sogar Stimmen laut: "Jetzt fehlt eigentlich nur noch Papst Benedikt XVI. Warum kommt er nicht schnell aus Wien herüber zu uns?!" Ein Wunsch, den nicht nur die 51 Prozent Katholiken unter den rund 2500 Delegierten und Beobachtern aussprachen.

In der alten Sachsenstadt

Wenn sich die ökumenischen Kräfte Europas ausgerechnet in der alten Sachsenstadt versammelten, die heute Sibiu heißt, während ihr ungarischer Name Nagyszeben fast vergessen ist, war das zunächst einmal eine Reverenz ans postkommunistische Rumänien. Es ist praktisch der einzige Ostblockstaat, wo die Hoffnungen auf Erneuerung der Kirchen nach der Wende weitgehend in Erfüllung gehen. Während von Russland bis Georgien ein neues Nationalkirchentum und regelrechter Antiökumenismus um sich greifen, gibt es in Rumänien wirklich einen inneren Aufbruch und gemeinsamen Weg aller Christen. Von diesem sind nicht einmal die sonstwo ausgegrenzten unierten Ostkatholiken ausgenommen.

Sibiu 2007 war speziell Siebenbürgen als einem frühen europäischen Modell für das Miteinander verschiedenster Nationen und Glaubensgemeinschaften gewidmet. Dort lebten seit altersher bodenständige Rumänen mit Magyaren, deutschen Siedlern, Armeniern, Griechen und Juden zusammen, gab es Orthodoxe und Katholiken, seit der Reformation auch Reformierte, Lutheraner und auch Unitarier. Beinahe wäre dazu noch der Deutsche Ritterorden gekommen. Als anderswo das staatskirchliche Prinzip "cuius regio, eius religio" galt, wurden 1568 vom Landtag zu Thorenburg (Turda) erstmals in Europa Religionsfreiheit und Gleichberechtigung verschiedener Konfessionen verkündet.

In diesem "Geist von Turda" hat sich die Dritte Ökumenische Versammlung bewegt. Die positive Bilanz von Sibiu liegt nicht nur in den Bekenntnissen aller christlichen Seiten zur Geschwisterlichkeit über die konfessionellen Interpretationen hinweg. In Hermannstadt zeigte sich allen organisatorischen Pannen zum Trotz eine Vitalität und Ökumenefreude, die für die Zukunft wieder hoffen lässt. Hatten sich viele nach den Rückschlägen und Ermüdungserscheinungen der letzten Jahre schon gefragt: Ja, lebt denn die alte Ökumene noch, so erscholl aus Hermannstadt kräftig die Antwort: "Sie lebt noch!" Dieses Ja ist, wie die deutsche evangelische Bischöfin Margot Käßmann betonte, umso bedeutsamer, als es nach dem neuerlichen schmerzlichen Hervortreten der fortbestehenden Differenzen und Zwiste ausgesprochen wird. Käßmann war selbst durch ihre Rolle als Frau im Bischofsamt für Katholiken und Orthodoxe ein Stein des Anstoßes geworden.

Gute Rolle Bartholomaios' I.

Zum Gelingen von EÖV3 hat auch entscheidend die Anwesenheit und aktive Beteiligung des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. von Konstantinopel beigetragen. Obwohl er ursprünglich seinen Wiener Metropoliten Michail Staikos mit der Vertretung beauftragt hatte, entschloss er sich zur persönlichen Teilnahme. Dem waren im Phanar von Istanbul interkirchliche Kontakte und eine Bischofskonferenz des Patriarchats vorausgegangen. Dabei war den Einwänden aus Ankara und zum Teil von Moskau gegenüber unterstrichen worden, dass Bartholomaios nicht nur Oberhirte der orthodoxen Griechen in der Türkei, sondern Ehrenprimas und Koordinator aller 300 Millionen orthodoxen Christen ist. Die Probe aufs Exempel hat der Ökumenische Patriarch nun in Sibiu bestens bestanden.

Für die rumänisch-orthodoxen Gastgeber war Sibiu Vorgeplänkel für die Patriarchenwahl in Bukarest am Wochenende. Während der erklärte Kandidat für die Nachfolge des im Sommer verstorbenen Teoctist I., Metropolit Daniel Ciobotea von Ia¸si, auch bei der EÖV3 die erste Geige spielte, konnte sich dabei auch sein Herausforderer profilieren, Erzbischof Teofan Savu von Craiova. Der 48-Jährige ist in keiner Weise kommunistisch belastet, hat 1990 nach dem Sturz Ceau¸sescus in Paris promoviert. Mit 32 Jahren wurde er Vikar des Patriarchen für die kirchlichen Außenbeziehungen und Sekretär der Bischofskonferenz. Seit dem Jahr 2000 ist er Erzbischof der "Kleinen" Walachei in Craiova.

Streitpunkt Unierte

All das ändert nichts an der Tatsache, dass zwar die Christen wieder zusammenfinden, es aber in Europa immer weniger überzeugte und noch weniger praktizierende Christen gibt. Kardinal Walter Kasper, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, sprach diese Säkularisierung an und machte "die Spaltungen innerhalb der Christenheit mitverantwortlich an den Spaltungen in Europa und an der Säkularisierung Europas." Und weiter unterstrich er auf der ersten Plenarsitzung: "Durch unsere Spaltungen haben wir für viele Menschen das Licht Jesu Christi verdunkelt und die Sache Jesu Christi unglaubwürdig gemacht!"

Ein Höhepunkte der EÖV3 in Hermannstadt war das Hearing von Pro Oriente über das langjährige Forschungsprojekt der Stiftung zur Union der orthodoxen Rumänen in Siebenbürgen. Wie der Präsident der Stiftung, Hans Marte, zusammen mit dem Ostkirchenkundler Ernst-Christoph Sutter darlegte, dienen diese Forschungen zur Aufarbeitung der Spannungen zwischen der rumänisch-orthodoxen und der mit Rom unierten griechisch-katholischen Kirche. Österreicher leisten so in Rumänien Versöhnungsarbeit.

Die rumänische griechisch-katholische Kirche (RGKK) entstand im 18. Jahrhunderts, nachdem die Habsburger ihren Einflussbereich nach Südosteuropa ausgeweitet hatten. Im 20. Jahrhundert waren zunächst beide Kirchen als Staatskirchen anerkannt, das Verhältnis der Kirchen war gut. Nach der Machtübernahme der Kommunisten wurden die Unierten 1948 verboten, die Kirche ging in den Untergrund. Die "Wende" 1989 brachte die Aufhebung des Verbots, allerdings nicht die Rückgabe der enteigneten, meist von der rumänisch-orthodoxen Kirche übernommenen Kirchengüter. Seither herrscht Streit um die Restitution.

Der rumänische Theologe Viorel Ionita, sagte dazu: "Das Bemühen um Wiederherstellung sichtbarer Einheit der Christen ist unaufgebbar. Die so genannten Unionen waren sicher nicht der ganz richtige Weg zu diesem Ziel. Das wäre heute endlich korrigierbar!"

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