Europas Kampf gegen Rassismus

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Die EU-Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit hat den ersten Lagebericht vorgelegt. Sein Titel läßt nichts Gutes ahnen: "Der Wirklichkeit ins Auge sehen".

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Die EU-Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit hat den ersten Lagebericht vorgelegt. Sein Titel läßt nichts Gutes ahnen: "Der Wirklichkeit ins Auge sehen".

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Engagierte Bürger haben die Politiker davon überzeugt, daß Europa eine Institution braucht, um Fremdenfeindlichkeit und Rassismus wirksam zu bekämpfen. Jean Kahn, französischer Vorsitzender des Verwaltungsrates der "Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit", spricht von einer "einmaligen Errungenschaft in der Geschichte der Europäischen Union".

So viel Überzeugungskraft engagierter Bürger hätte es eigentlich gar nicht brauchen dürfen. Jeder europäische Politiker, die weiblichen Kolleginnen eingeschlossen, müßte mittlerweile erkannt haben, daß Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zum gefährlichsten Gegner einer friedlichen Einigung dieses Kontinents geworden sind. Eigentlich müßten alle Politiker froh sein, wenn gezielt die Bekämpfung dieses Phänomens angegangen wird.

Die Ergebnisse einer Studie der Europäischen Kommission bestätigten nur die Notwendigkeit für Aktivitäten und Aufklärungsarbeit in bezug auf Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus: 1997 gab fast ein Drittel der befragten Europäer an, "sehr" oder "ziemlich" rassistisch zu sein. 41 Prozent hatten den Eindruck, daß zu viele Menschen anderer Staatsangehörigkeit, Religion oder Kultur im eigenen Land seien.

Was ist nun das Ziel der europaweiten Beobachtungstelle, die vor einem Jahr in Wien angesiedelt wurde? Eine "Europäisierung der Antirassismuspolitik" nennt Anton Pelinka im Gespräch mit der Furche seine Erwartung an die Institution. Der Innsbrucker Politologe ist Österreichs Vertreter im Verwaltungsrat. "Das europäische Wissen über Fremdenfeindlichkeit gehört erhoben und ausgetauscht, um gemeinsame Schritte bei der Rassismusbekämpfung entwickeln zu können", erklärt Pelinka die Arbeit der EU-Stelle.

Mit einer traurigen Gemeinsamkeit beginnt die Beobachtungsstelle den Jahresbericht 1998: "Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind überall gegenwärtig: keiner der 15 EU-Mitgliedsstaaten ist davon ausgenommen." An jedem Ort Europas variiert der Rassismus aber je nach historischen, sozialen und politischen Gegebenheiten. Ähnlichkeiten bestehen jedoch bei den Opfern oder ergeben sich aufgrund der Existenz von transnationalen rassistischen Organisationen und Netzwerken.

Fast allen EU-Staaten gemeinsam ist auch, daß eine klare politische Botschaft für das Zusammenleben in einer Gemeinschaft fehlt. Dieses politische und soziale Vakuum wird europaweit von rechtsgerichteten Extremisten und ihren politischen Parteien ausgefüllt.

Die Studie stellt klar, daß zwischen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Einwanderung oder der Anwesenheit von Minderheiten ein Zusammenhang besteht. Widersprochen wird allerdings der oft geäußerten Meinung, daß Einwanderer Rassismus provozieren. Bisher konnte keine Verhältnismäßigkeit zwischen Einwandererquote und der Zahl rassistischer Taten festgestellt werden.

Am beunruhigendsten ist laut Beobachtungsstelle die Entwicklung eines schleichenden Rassismus, der im täglichen Leben banalisiert wird. Denn "in ganz Europa ist der ,Schutzgürtel' gegen Rassismus schwach."

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