Evangelisch werden als biografische Logik

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Neuerscheinungen: Im Buch "Meine persönliche Reformation" erzählen evangelische Pfarrer(innen), die einmal katholisch waren, ihre jeweilige Geschichte. Der Band "So evangelisch ist Wien" zeigt, wie bunt protestantisches Leben in der Bundeshauptstadt ist.

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Neuerscheinungen: Im Buch "Meine persönliche Reformation" erzählen evangelische Pfarrer(innen), die einmal katholisch waren, ihre jeweilige Geschichte. Der Band "So evangelisch ist Wien" zeigt, wie bunt protestantisches Leben in der Bundeshauptstadt ist.

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Das Thema scheint heikel - überhaupt in Zeiten, wo einander katholische wie evangelische Repräsententen wechselseitig der ökumenischen Verbundenheit versichern - gerade zum Refomationsjubiläum. Aber das Buch "Meine persönliche Reformation. Warum ich konvertiert bin" ist eine spannende, aufschlussreiche und wichtige Lektüre. Acht evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer, die einmal katholisch waren, erzählen in sehr persönlichen Beiträgen ihren konfessionsüberschreitenden Werdegang und die Motivation dabei, die evangelische Kirche zur Heimat zu machen.

Der vom Gefängnisseelsorger Matthias Geist und der Simmeringer Pfarrerin Maria Katharina Moser herausgegebene Band legt viele Facetten des Konfessionswechsels offen. Dabei soll es es mitnichten um Querschüsse gegen die Ökumene gehen - im Gegenteil: "Aus allen Berichten geht hervor, dass das katholische Erbe in den neuen Beruf als eine besondere Bereicherung eingeführt werden kann, schriebt Michael Bünker im Vorwort. Österreichs lutherischer Bischof lobt insbesondere die "ökumenische Zweisprachigkeit", die dadurch das Miteinander der Kirchen vertiefen würde.

Auch kritische Selbstreflexion

Ko-Herausgeberin Maria Katharina Moser ist selber eine der Konvertitinnen. Nach intensiver Sozialisation in der katholischen Kirche, dem katholischen Theologiestudium und der Profilierung als feministische Theologin sowie als Religionsjournalistin beim ORF-Fernsehen entdeckt sie, wie nahe ihr protestantisches Denken und auch Feiern geworden ist. Ihr Entschluss, noch einmal - diesmal evangelische - Theologie zu studieren, und dann Pfarrerin zu werden, entwickelt sich so biografisch logisch.

Diese "Logik" durchzieht beinah alle Konversionsgeschichten, die im Buch aufgezeichnet sind, darunter praktizierende Katholiken wie Stefan Fleischner-Janits, der heute im Evangelischen Presseamt sowie als Vikar in Wien-Alsergrund tätig ist (und zuvor einige Jahre bei der FURCHE freier Mitarbeiter war) oder der heutige Perchtoldsdorfer Pfarrer Andreas Fasching, der zuvor katholischer Priester gewesen ist. Die einen waren Taufscheinkatholiken, andere erfuhren in evangelikal geprägten Seminaren auf Schloss Klaus in Oberösterreich ihren religiösen Aufbruch, um später sich von dieser Art der Spiritualität wieder abzuwenden.

Zwei Geschichten vom Evangelischwerden hinterlassen auch einen Nachgeschmack: Der Bevölkekerungswissenschafter Wolfgang Lutz und die Sozialarbeiterin Johanna Lein konvertierten, weil ihre jeweiligen Partner Pfarrer(in) werden wollten - aber das war bis vor wenigen Jahren in der evangelischen Kirche A.B. nicht möglich, wenn der Partner katholisch war: Konfessionale Engstirnigkeit, wie sie in einigen der Biografien als Motiv durchscheint, die katholische Kirche zu verlassen, ist also auch den Evangelischen nicht fremd. Es spricht für die Bereitschaft zur kritischen Selbstreflexion, dass gerade diese beiden Lebensgeschichten in diesem Band prominent Platz gefunden haben.

Naturgemäß betonen die Protagonist(inn)en des Buchs die Vorzüge des evangelischen Christseins, auch der Leser kann das gut nachvollziehen. Bemerkenswert bleibt dabei, dass - wenn auch die Gründe zur Abkehr von der katholischen Kirche klar benannt werden - das Buch keinerlei antikatholischen Ressentiments Raum bietet.

Was an Wien evangelisch ist

Interessant und gut gemacht ist auch der Band "So evangelisch ist Wien", in dem die 21 evangelischen Pfargemeinden A.B. in Wien vorgestellt werden. Die deutsche Vorzeige-Protestantin Margot Käßmann steuert das Vorwort bei, und neben den Darstellungen der einzelnen Gemeinden, aus denen hervorgeht, wie bunt Evangelischsein in Wien sein kann, steuern zahlreiche Gastautoren ihre Sicht auf das evangelische Wien bei, darunter viele Journalisten(inn)en (auch der Autor dieser Zeilen).

So evangelisch ist Wien

Die 21 Wiener Pfarrgemeinden der Evangelischen Kirche A.B. im Porträt

Hg. Martina Schomaker-Engemann.

Falter Verlag 2016. 208 Seiten, zahlr. Abb., kt. € 19,90

Meine persönliche Reformation

Warum ich konvertiert bin. - Hg. Maria Katharina Moser, Matthias Geist.

Styria 2017.192 Seiten, geb. € 19,90

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