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Evangelische Synode

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Wahrsager des Vordergründigen, die sich selbst und andere mit aktuellen Blitzlichtaufnahmen vergnügen wollen, werden an der Synode der evangelischen Kirche, die in Wien vom Montagabend bis Freitagabend tagte, keine besondere Freude empfunden haben. Für sie ist schon die komplexe Schichtung dieser repräsentativen Legislative der österreichischen Protestanten nicht leicht zur Darstellung zu bringen, tagten doch zunächst die beiden Synoden der evangelischen Kirche AB (Lutheraner, die mehr als 90 Prozent der evangelischen. Christen Österreichs darstellen) und der Evangelischen Kirche HB (die Minderheit der Reformierten) getrennt voneinander am Dienstag und Mittwoch, während beide Synoden am Donnerstag und Freitag als Generalsynode der evangelischen Kirche AB und HB gemeinsam tagten. Trennung in der Einheit und Einheit in der Trennung demonstriert also der österreichische Protestantismus und illustriert damit seit langem so etwas wie ein ökumenisches Modell, das gerade in Gegenwart und Zukunft für die Einheit aller Kirchen von Bedeutung werden könnte. Die Bedeutung dieser gegenseitigen Zuordnung kam auf dieser siebenten Synode beziehungsweise siebenten Generalsynode, deren jetziger ersten Session während der sechsjährigen Synodaldauer noch mehrere folgen werden, eher unauffälig, aber dennoch wirksam zur Geltung, insofern die beiden letzten Tage, die der Generalsynode gehörten, das Bild einer Kirche boten, die offenkundig über größere positive Reserven verfügt, als manche Unglückspropheten der letzten Zeit wahrhaben wollen. Aber ehe man zu einem Gesamturteil kommt, empfiehlt es sich doch, zunächst der Reihe nach zu berichten.

Verjüngung bei den Reformierten

Die reformierte Synode vermochte eine fällige und dringende Verjüngung der Führungskräfte durchzuführen. Dem scheidenden reformierten Landessuperintendenten Volkmar Rogier folgt der bisherige Pfarrer von Oberwart Emmerich Gyenge im höchsten Amte nach; sein Stellvertreter wurde Pfarrer Sascha Abrahamowicz, der bekannte Pfarrer von der helvetischen Kirche in Wien-Innere Stadt. Audi in den Funktionen der Laien wirkte sich dieser Trend aus, so daß die sieben Abgeordneten der reformierten Synode, die in der Generalsynode den 62 lutherischen Synodalen zur Seite traten, ein merkbar veränder tes geistiges Bild boten. Auch die Lutheraner standen vor der Aufgabe, ihre Führung fast zur Gänze neu zu besetzen, wobei zu beachten ist, daß die drei hauptamtlichen und die zwei nebenamtlichen Mitglieder ihres Oberkirchenrates auch den Grundbestand der gemeinsamen Kirchenleitung darstellen. Es zeigte sich dabei, daß die inneren Verhältnisse der evangelischen Kirche AB in Österreich in sich so verfestigt sind, daß es schwierig erscheint, neue Männer zu finden, die das Schiff der Kirdie durch die weithin stark veränderten Situationen der Gegenwart steuern. Zwar kam es zur definitiven Wahl eines neuen Bischofs, der die nicht leichte Aufgabe haben wird, den bisherigen Inhaber des Amtes, Dr. Gerhard May, zu ersetzen. Der neue Mann, Herr Oberkirchenrat Oskar Sakrausky, konnte erst im 19. Wahlgang die notwendige Zweidrittelmehrheit erreichen. Das ist nichts Auffälliges, wenn man an die Schwierigkeiten bei Papstwahlen denkt. Die verschiedenen Strömungen innerhalb der lutherischen Kirche spiegelten sich in dieser Wahl begreiflicherweise wider; der neue Bischof trug dem in kluger Weise Rechnung, wenn er in seinem Votum auf diesen Umstand verwies und zum Ausdruck brachte, daß die Einheit der Kirche aiuch innerhalb derselben Konfession als eine Gemeinsamkeit der vielen zu verstehen sei. Diese Erkenntnis praktisch zu verwirklichen, wird die große Aufgabe der kommenden Jahre sein, denn es ist kein Geheimnis, daß die evangelische Kirche in unserem Lande in der letzten Zeit besonderen Belastungsproben ausgesetzt war, die durch den Gegensatz zwischen jungen progressiven Kräften und konservativen, ja restaurativen Tendenzen hervorgerufen und bestimmt waren. Der neue Mann repräsentiert wohl eher die letzteren und verdankt ihnen sowie den zähen Bemühungen der konservativen Synodalmehrheit seinen Sieg in der Wahl.

Neuwahl des „Geistlichen Oberkirchenrates“ aufgeschoben

Daß der Sieg dieser Mehrheit bei der Wahl des Bischofs nicht ganz unproblematisch ist, zeigte sich in dem Umstand, daß die lutherische Synode auf dieser Tagung nicht imstande war, den wichtigen Posten des „Geistlichen Oberkirchenrates“, den der neue Bischof bisher innehatte, durch einen neuen Mann zu besetzen. Es wurde zwar eine Reihe von Namen vorgeschlagen, aber nur ein einziger von diesen konnte sich in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit zu einer positiven Annahme entschließen, so daß es notwendig wurde, in Bälde eine außerordentliche Session der Synode anzusetzen, an der man zu einem befriedigenden Ergebnis dieser Sache zu kommen hofft. Nun sind es zweifellos nicht nur Schwierigkeiten äußerer Art, die eine sofortige Neuwahl eines Nachfolgers von i Oberkirchenrat Sakrausky verhinderten, sondern einerseits der auffallende Mangel an geeigneten Persönlichkeiten innerhalb des konservativen Lagers und anderseits eine gewisse innere strukturelle Schwäche der juristischen Position dieses Amtes, das nach den gegenwärtigen Verfassungsbestimmungen seinem Träger sowohl unmittelbare beamtenartige Abhängigkeit vom Bischof als auch die volle Mitverantwortung im Bereich des Leitungskollegiums zumutet. Aus diesem Grunde zog die Synode ernsthaft in Erwägung, ein neues Modell für dieses so wichtige Amt zu erstellen und es bereits bis zur kommenden Neuwahl des Geistlichen Oberkirchenrates als veränderte Verfassungsbestimmung zu verwirklichen. Gerade bei der Beratung über diese schwierige Materie zeigten sich neue Ansatzpunkte für eine Überwindung jener tiefen Kluft, die die verschiedenen Fronten so lange Zeit hindurch getrennt hatte.

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