Faire Gedanken beim Kaffeetrinken

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Junge Menschen aus Südtirol veränderten die Lokal-Landschaft in Wien. In ihrem "Weltcafé" gibt es ausschließlich gerecht gehandelte und biologische Produkte.

Die Furche: Seit Dezember 2005 betreiben Sie zu dritt das Weltcafé mit fair gehandelten Produkten. Warum haben Sie sich entschlossen dieses Pilotprojekt zu starten?

Roland Prugger: Ich war vor der Gründung des Weltcafés beim Weltladen-Dachverband für ein EU-Projekt angestellt, das junge Leute für den fairen Handel motivieren sollte. Bei einem Teilbereich davon ging es um Unternehmensgründungen durch junge Menschen, auch im Hinblick auf die Weltläden. Wir (Silke Mock, Miriam Prugger und Roland Prugger; Anm.) haben dann die Idee entwickelt, den fairen Handel in den Gastronomiebereich zu verlagern. Unser Ziel war es, ein Szenelokal aufzubauen, das ausschließlich Fair Trade-und Bio-Produkte anbietet.

Die Furche: Ist es überhaupt möglich, die ganze Angebotspalette in einem Café mit Erzeugnissen aus Fair-Trade-oder Bio-Produktion abzudecken?

Prugger: Ja, das funktioniert. Angefangen von Salz über Fett und Brot stammt alles aus Fair Trade-oder Bio-Herstellung. Kandisin führen wir seit kurzem, das ist die einzige Ausnahme. Zusätzlich schauen wir darauf, dass das "Drumherum" passt. So achten wir beispielsweise auch beim Einkaufen von Putzmitteln und Geschirrspülmittel, dass sie umweltschonend sind.

Silke Mock: Dieses Fair Trade-Konzept muss durchgezogen werden, sonst hätte es keinen Sinn.

Die Furche: Wenn das Café "sinnvoll" sein soll, wollen Sie dann auch den Kunden eine Botschaft mit auf den Weg geben?

Mock: Es wäre schon schön, wenn die Menschen, die ihren Kaffee hier trinken, den "fairen" Gedanken mitnehmen. Wir denken aber, dass das Café keinen moralischen Anspruch haben sollte und dass nicht alle Besucher privat dann nur mehr Fair Trade-Produkte kaufen müssen. Die Menschen sollen bei uns in Kontakt mit Fair Trade kommen und merken, dass der Kaffee qualitativ gut ist - kein "Billigkaffee", den man nur aus Solidarität kauft.

Prugger: Wir wollten das Café nicht wie ein klassisches Bio-Lokal einrichten, sondern es als Szenelokal positionieren.

Die Furche: Das Weltcafé hat im Dezember seinen ersten Geburtstag gefeiert und vor kurzem haben Sie angekündigt, dass eine Filiale eröffnet werden soll. Was ist das für ein Gefühl zu merken, dass das Konzept aufgegangen ist?

Prugger: Natürlich ist es fein, dass wir mit unserer Idee Erfolg haben. Wir haben schon gedacht, dass sich unser Plan umsetzen lässt, aber ganz sicher waren wir uns nicht.

Mock: Wenn wir nicht intuitiv gewusst hätten, dass das Konzept aufgehen wird, hätten wir es nicht gewagt, weil wir ja auch viel investieren mussten. Aber wir hatten schon ein bisschen ein flaues Gefühl dabei - und um ehrlich zu sein, haben wir das auch jetzt manchmal noch.

Die Furche: Hatten Sie auch im Hinblick auf die Finanzierung ein flaues Gefühl. Ein Gastronomiebtrieb braucht ja ein ordentliches Startkapital.

Prugger: Die Finanzierung war die erste große Hürde. Unser Finanzierungskonzept sah so aus: Wir selbst konnten nur ein kleines Startkapital auf die Beine stellen. Der nächste Schritt war, stille Beteiligte im Umfeld von Fair Trade zu suchen, die sich für das Thema interessieren. Unser Eigenkapital hätte nicht gereicht und damit hätten wir wahrscheinlich auch keinen Kredit bekommen.

Mock: Wir haben gemerkt, dass die Banken, bei denen wir um einen Kredit angesucht haben, sofort an unserer Idee interessiert waren. Nachdem sie unser Konzept mit dem Logo der Weltläden gesehen haben, war ihnen klar, dass hier etwas Größeres, nämlich der Weltladen-Dachverband, dahinter steht. Echte Probleme bei der Finanzierungsfrage hatten wir nicht.

Prugger: Das liegt vielleicht auch daran, dass wir beide Betriebswirtschaft studiert haben und einen sehr guten Business-Plan verfasst haben, der in dieser Form für die Eröffnung eines Gastronomiebetriebes wahrscheinlich gar nicht notwendig wäre. Letzten Endes geht es ja auch darum, sich zu verkaufen.

Die Furche: Im Lehrplan der klassischen Betriebswirtschaftslehre werden doch alternative Handelskonzepte nicht gerade groß geschrieben.

Prugger: Aber gerade am Anfang, beim Auftreiben des Startkapitals, war unser BWL-Wissen ein großer Vorteil. Ein Café zu führen erfordert hingegen nicht unbedingt ein Wirtschaftsstudium, das kann eigentlich jeder machen.

Die Furche: Was sind die typischen Startschwierigkeiten?

Prugger: Viele kleine Fehler, die sich summieren. Unser Klassiker war, dass wir Bezüge für die Couches gekauft und erst danach erfahren haben, dass diese brandschutzimprägniert sein müssen. Somit haben wir zirka 5000 Euro unnötig ausgegeben. Mit der Umsatzentwicklung sind wir aber sehr zufrieden, es geht besonders seit dem Sommerloch bergauf. Derzeit leben acht Menschen vom Café: wir drei Geschäftsführer, Küchenpersonal und Kellner. Mit den Studenten und den Teilzeitkräften kommen wir auf ein Team von 15 Personen.

Die Furche: Das Weltcafé ist also wirtschaftlich rentabel. Wie passt das mit der Tatsache zusammen, dass Sie übliche Kaffeehauspreise verlangen, die Fair-Trade-und Bio-Produkte aber doch deutlich teurer sind?

Mock: Fair Trade-Produkte sind für uns im Einkauf nicht viel teurer, als wenn ein anderer, "normaler" Betrieb qualitativ hochwertige Lebensmittel bezieht.

Prugger: Die Spanne im Gastronomiebereich ist größer als im Handel. Es gibt zwei Möglichkeiten: Man setzt die Preise entweder höher an, dann muss man damit rechnen, dass weniger Leute kommen, oder man hält die Preise bewusst niedriger, das zieht mehr Gäste an. Letzteres war unsere Strategie. Das Schöne an der zweiten Möglichkeit ist, dass wir damit mehr Menschen erreichen und somit auch unser Thema besser transportieren können.

Die Furche: Soll Ihr Café ausschließlich Studenten anlocken oder haben Sie auch schon über eine andere Zielgruppe nachgedacht?

Mock: Eigentlich soll es ein Lokal für junge Menschen sein. Unsere eigene Studienzeit liegt ja auch noch nicht lange zurück. Ich denke, dass wir einen ganz besonderen Bezug zu unseren studentischen Gästen haben, weil wir auf einer ähnlichen Wellenlänge sind. Es würde mir schwer fallen, ein Konzept für ein nobles Publikum zu erstellen, weil ich über dessen Bedürfnisse nicht so genau Bescheid weiß.

Die Furche: Heißt das, dass das zweite Lokal auch nach dem selben Konzept laufen wird?

Prugger: Ja, es wird auf dieselbe Zielgruppe abgestimmt werden. Die Standortfrage ist aber noch nicht geklärt, weil es schwierig ist, in Wien einen guten Standort zu finden. Außerdem möchten wir noch die Debatte um das Nichtraucherschutzgesetz abwarten. Es wäre eine Fehlinvestition, jetzt eine kostspielige Lüftung zu installieren, wenn es in Zukunft vielleicht nur mehr Nichtraucherlokale geben wird.

Die Furche: Gibt es bereits Franchise-Pläne für das Weltcafé?

Prugger: Der Weltladen-Dachverband plant, mit der Marke Franchising zu betreiben. Es gibt mittlerweile schon zwei weitere Weltcafés: eines in Graz und eines in Spittal an der Drau. Diese sind aber noch nicht Teil dieses Franchise-Konzepts, weil es sich erst im Aufbau befindet. Wie bei allen entwicklungspolitischen Organisationen gibt es einen Personalmangel und die Entwicklung geht langsam vor sich. Wir werden die Mitarbeiter des Dachverbands so gut wie möglich unterstützen. Sie haben das Logo, wir das notwendige Know-how.

Die Furche: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Mock: Ich möchte, dass unser Café weiterhin ein Treffpunkt für Studenten bleibt. Wien könnte auch sicher noch ein zweites Weltcafé verkraften. Und ein drittes. Und … Wer weiß, was sich in den nächsten Jahren noch alles ergeben wird.

Das Gespräch führte Agnes Gössinger

Weltcafé Schwarzspanierstraße 15, 1090 Wien

www.weltcafe.at

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