Falsche Ernährung im Fadenkreuz

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Zu viel an falscher Ernährung und zu wenig an Bewegung. Das gefährdet zunehmend die Gesundheit der Kinder. Gesundheitsminister Alois Stöger zieht Konsequenzen. Das Gespräch führten Stefanie Stocker und Claus Reitan

Zu viel Zucker und zu wenig Sport sind Ursachen kostentreibender Zivilisationskrankheiten. Gesundheitspolitik setzt bei den Kindern an, sagt Gesundheitsminister Alois Stöger:

Die Furche: Rund um das Forum Alpbach entstand der Eindruck, die Regierung entdeckt jetzt die Jugend und die Kinder?

Alois Stöger: Wir hatten schon voriges Jahr bei den Gesundheitsgesprächen den Schwerpunkt Kindergesundheit, ich habe die Kindergesundheitsstrategie ausarbeiten lassen. Wir sind schon länger damit befasst und waren erfolgreich.

Die Furche: Wobei etwa?

Stöger: Mit den neuen Impfungen Pneumokokken und Meningokokken haben wir das Impfprogramm für Kinder massiv verbessert. Wir haben einiges in der Prävention erreicht, rund 100.000 Kinder können sich jetzt an gesünderen Schulbuffets ernähren. Kindergesundheit gehört zu den Zielen der Gesundheitspolitik.

Die Furche: Auf diese Impfungen haben Fachleute gedrängt.

Stöger: Es braucht immer Sensibilität, auch etwas Druck. Wir haben aber eine exzellente Versorgung, die mit der Mindestsicherung nochmals verbessert wurde: Jedes Kind ist krankenversichert. Worauf ich jetzt stolz bin, ist die Gründung des Forschungsnetzwerkes zur Prüfung der Tauglichkeit von Medikamenten für Kinder (s. u.), gemeinsam mit der Pharmig und der Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde.

Die Furche: Das forderte die EU.

Stöger: Es wird schon lange gefordert, aber wir setzen es jetzt um, weil es jetzt geht. Welche Forschungsformen möglich sind, hängt auch von der Anzahl der Kinder ab und davon, ob sie mitmachen. Zudem ist Österreich auf diesem Gebiet wegen historischer Erfahrungen besonders sensibel.

Die Furche: Ärzte fordern, die Vorsorgeuntersuchung der Zähne in den Mutter-Kind-Pass aufzunehmen. Ist das auf Ihrer Agenda?

Stöger: Die Überprüfung des Zahnstatus’ ist bereits enthalten und muss vom untersuchenden Arzt auch durchgeführt werden. Für die Zahngesundheit ist auch die Ernährung wesentlich. Daher haben wir die Ernährungspyramide geschaffen, den Aktionsplan Ernährung erarbeitet, bieten für Schwangere eine Beratung an und eine weitere in Kindergärten sowie an Schulen. Die Zahngesundheit der Jugendlichen ist besser geworden, nicht weil es mehr Zahnärzte gibt, sondern weil ihnen gesagt wurde: Nehmt weniger Zucker, putzt euch die Zähne.

Die Furche: Sie haben mitgewirkt, den Salzgehalt in Brot zu senken. Ist das bei Zucker vorstellbar?

Stöger: Das Brot wird in Österreich hergestellt, also haben wir Gestaltungsmacht. Aber wer liefert die zuckerhaltigen Nahrungsmittel? Die kommen über Handelsketten von internationalen Märkten. Also ist dafür eine europäische Lösung nötig. Etwas Zucker ist kein Problem, sehr wohl aber die mit Zucker überangereicherten Getränke. Das grenzt an Verantwortungslosigkeit. Die Information über die Zusammensetzung muss breiter und offener erfolgen.

Die Furche: Sollte die EU für den Zuckergehalt die Grenzen ziehen?

Stöger: Bessere und lesbare Kennzeichnung ist in der EU beschlossen. Zucker zu verbieten, geht nicht. Ein Stück Torte ab und zu ist o. k. Die Menge ist das Problem. Es wäre gut, gäbe es in der EU keine wie immer geartete Zucker-Förderung.

Die Furche: Zu viel Zucker in der Nahrung, gleichzeitig zu wenig Bewegung. Wie lösen Sie das?

Stöger: Beim Nationalen Aktionsplan Ernährung sind wir gut unterwegs, jetzt folgt jener für Bewegung. Manche Personengruppen sind schwer zu erreichen, und natürlich ist es gelegentlich schwierig, das eigene Verhalten zu ändern. Gesundheitspolitisch ist es wichtig, den Sport im Alltag in den Vordergrund zu stellen.

Die Furche: Es geht um eine Stunde Sport täglich im Kindergarten ...

Stöger: ... die dringend notwendig ist. Auch pädagogisch. Die schlimmste Gefährdung von Kindern und Jugendlichen ist es, wenn man sie ruhigstellen muss (s. re.). Das reicht fast an die Gefährdung des Kindeswohles heran. Ich sage das so scharf, weil es für mich in der Schulzeit das Schlimmste war, wenn ich mich nicht bewegen durfte. Ein Kind will sich bewegen. Körperlich und geistig. Wer einem Kind die Bewegung nimmt, erschwert das geistige Lernen.

Die Furche: Das erfordert Investitionen. Laut Experten werde zu wenig Geld für Vorsorge eingesetzt und zu viel für Wiederherstellung.

Stöger: Ich habe einen anderen Zugang. Man sollte zuerst danach trachten, nicht krank zu werden. Jenen, die bereits krank sind, kann man das Geld nicht wegnehmen. Unternehmen und Schulen sollten überlegen, wie sich Gesundheit stärken ließe. Das gehört zu Managementkonzepten. Die Gesundheit der Mitarbeiter bringt den Betrieben ökonomische Vorteile. Zwischen dem Bildungsstandard und der Gesundheit besteht ein Zusammenhang. Wir gehen daher auch zu jenen, die wenig Zugänge zu Information haben.

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