Familie - Mitte der Pastoral

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"Familie - im Mittelpunkt von Kirche und Gesellschaft? Neue Herausforderungen in der Ehe- und Familienpastoral." Eindrücke vom siebenten Symposium zum Mitteleuropäischen Katholikentag, das in Zagreb stattfand.*)

Ein zweites Mal war "Ehe und Familie" das Thema eines Symposiums zum Mitteleuropäischen Katholikentag: Im März war im mährischen Brünn die demografische Entwicklung im Mittelpunkt gestanden (Furche 13), sechs Wochen später ging es - diesmal in Zagreb - um die Aufgaben der Kirche zum Thema.

Ganz ohne Demografie konnte aber auch die Kirchen-Frage nicht geklärt werden: So weist das katholische Kroatien eine sehr niedrige Geburtenrate auf, was auch eine pastorale Herausforderung darstellt. Diese Zahl steht, wie der Zagreber Pastoraltheologe Josip Baloban beim Symposium aufzeigte, in Diskrepanz zu den gesellschaftlichen Werten, die in Kroatien en vogue sind: Die Geburtenrate ist halb so groß wie die Zahl für den Kinderwunsch, das heißt, die Kroaten wollen doppelt so viele Kinder haben wie geboren werden. Auch andere Werte-Diskrepanzen führte Baloban an: So gebe es in Kroatien 80 Prozent Zustimmung zur Ansicht, dass Abtreibung "Mord" sei, gleichzeitig spreche sich aber eine Mehrheit im Land für das Entscheidungsrecht der Frau dabei aus.

Zu wenig "neue Männer"

Widersprüchliche Ehe-Fakten und -Bilder konstatierte auch der Wiener Moraltheologe Gerhard Marschütz, der die Ergebnisse der Gender-Forschung in die Diskussion einbrachte. In Europa bestehe, so Marschütz eine Diskrepanz zwischen "zu wenigen neuen Männern' und zu vielen neuen Frauen'". Er meinte damit, dass zwar das alte Rollenmuster für die Frau - love- marriage-baby carriage - nicht mehr gelte, dass sich aber ein neues Rollenbild des Mannes auch als Familienarbeiter nicht durchgesetzt habe. Daraus ergebe sich "ein zentraler Grund für den Rückgang der Kinderzahl und die Instabilität vieler Beziehungen". Gesellschaftlich steht, so Marschütz, daher die "Aufwertung und soziale Anerkennung familialer Fürsorgetätigkeit" an.

Die (pastoral)soziologischen Befunde fordern auch die Kirche zur vorrangigen Option für Ehe und Familie heraus: Diese Option, so der Tenor des kroatischen Pastoraltheologen Pero AraÇci´c (vgl. Interview), ist - gelinde gesagt - ausbaufähig; das Symposium in Zagreb sollte deshalb auch dazu dienen, dass sich die Familienexperten und -seelsorger aus den acht Katholikentags-Ländern kennenlernen konnten.

Wenig verwunderlich, dass dabei die Seelsorge für wiederverheiratete Geschiedene, die nach kirchlicher Lehre vom Sakramentenempfang ausgeschlossen sind, aufs Tapet kam: Der Moraltheologe Josip Grbac mühte sich, pastorale "Milderungs"-Modelle darzulegen. Grbac zitierte die seinerzeitige Argumentation der Bischöfe von Freiburg, Mainz, Rottenburg-Stuttgart, nach der jemand, der seinem Gewissen nach überzeugt ist, seine erste Ehe sei ungültig, auch nach der Wiederverheiratung Sakramente empfangen könne. Als zweites Modell nannte Grbac die Epikie, nach der auch beim allgemeinen Gesetz der Ehe-Unauflöslichkeit außergewöhnliche Umstände berücksichtigt werden könnten. Als drittes Modell führte er ein Dokument des Limburger Bischofs Kamphaus über die "Oikonomia" der Ostkirchen an, wo der moralische "Tod" einer Ehe genauso behandelt wird wie der physische. Allerdings stellte Grbac klar: Das katholische Lehramt hat keines dieser Modelle akzeptiert. Die einzige Möglichkeit, die der Moraltheologie zur Zeit sieht, ist, die Möglichkeiten zur Ehe-Annullierung bekannter zu machen und besser zu organisieren.

"...und vieles mehr..."

Nicht alle waren mit dieser Antwort zufrieden. So meinte ein Pfarrer im Publikum, beim Gebot "Du sollst nicht töten" gebe es Ausnahmen, etwa bei der Selbstverteidigung: Warum aber nicht beim Ehe-Gebot "Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen"?

Bevor das Symposium mit einem Gottesdienst im Zagreber Dom unter Leitung von Kardinal Josip Bozani´c und aller anwesenden Bischöfe zu Ende ging, wurde eine Schlusserklärung des Symposiums präsentiert, die die Verpflichtung der Kirche zu einer "umfassenden Familienpastoral" bekräftigt. In der Erklärung heißt es auch: "Die Kirche ist den Brüdern und Schwestern verpflichtet deren Ehen nicht gelungen sind und welche auseinander gingen. Ebenso hat die Kirche eine Verantwortung gegenüber denen, die eine neue standesamtliche Ehe eingegangen sind. Außer rechtlichem Beistand sind menschliche Solidarität, Nähe, Einladung zum Engagement in der Gemeinde, Gebetssolidarität, Glaubensunterstützung und vieles mehr notwendig."

*) Kooperation der Furche mit der Österr. Bischofskonferenz. Redaktionelle Verantwortung: Die Furche

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