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Vor 100 Jahren, am 25. September 1903, wurde Mark Rothko geboren, einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts.

Man erkennt seine Gemälde auf den ersten Blick: die großen, annähernd rechteckigen Flächen in den leuchtenden oder aber auch sehr dunklen Farben, in Formen, die ineinander zu greifen, übereinander zu liegen, auf etwas dahinter zu verweisen scheinen. Gemälde, die in Museen in den USA ebenso wie in Japan zu finden sind und inzwischen zu Rekordpreisen den Besitzer wechseln (zuletzt, im Mai 2003, wurde das Bild No. 9, White and Black on Wine, um 16,4 Millionen Dollar versteigert).

Der "amerikanische" Maler Mark Rothko wurde als Marcus Rothkowitz am 25. September 1903 in Dwinsk, Russland, dem heutigen Daugavpils, Litauen, geboren. Er wächst in einer von Angst vor Pogromen geprägten Atmosphäre auf, spricht russisch, jiddisch und hebräisch und wird streng religiös erzogen. Als er sieben Jahre alt ist, wandert der Vater in die USA aus, später folgen die älteren Brüder, erst 1913 kommt Marcus mit Mutter und Schwester nach, doch schon einige Monate später stirbt der Vater.

Mit diversen Jobs hält Marcus sich über Wasser. Sein Studium an der Yale-Universität, das ihm ein Stipendium ermöglicht, bricht er nach 2 Jahren ohne Abschluss ab - trotz bester Noten. 1923 geht er nach New York, wo er zufällig das Malen entdeckt und Kurse belegt. Schließlich landet er beim Maler Max Weber, dessen Kunstauffassung für ihn ebenso prägend werden soll wie dessen Betonung der emotionalen Kraft in der künstlerischen Arbeit.

1938 eingebürgert, ändert er 1940 seinen Namen in Mark Rothko. (Seine Brüder haben schon 20 Jahre früher ihren Namen in Roth geändert.) Während des 2. Weltkrieges ändert sich sein Stil. Hat er zunächst Landschaften, Interieurs, auch Stilleben gemalt, findet er nun über den Umweg der Stoffe aus der griechischen Mythologie eine Möglichkeit, Barbarei und Zivilisation, Brutalität und Leidenschaften als im Grunde zeitlose menschliche Eigenschaften darzustellen. Indirekt hält damit der Wahnsinn seiner Zeit Einzug in die Bilder.

Atem des Lebens

Nach und nach entfernt Rothko jedoch die figurativen Elemente aus seiner Kunst, beschreibt seine Malerei als Dramen, als unbekanntes Abenteuer in einem unbekannten Raum. 1946 entstehen die "Multiforms" (kein Begriff, den er selbst verwendete, sondern erst nach seinem Tod in der Kunstkritik gebräuchlich), verschwommene Farbflecken, die er selbst als Organismen mit der Leidenschaft zur Selbstbehauptung bezeichnete, ja denen er Eigenschaften von Lebewesen zuwies.

20 Jahre lang unterrichtete er Kinder mit Begeisterung in Kunst. Kinder hätten ein angeborenes Formgefühl und schöpferisch aktiv bleibe nur, wer seinen Vorstellungen und Phantasien Ausdruck verleihe ohne sie durch akademische Regeln zu begrenzen. Die klassischen Ideale ignorierend beginnt er demnach auch nicht mit dem Zeichnen, sondern mit der Farbe.

Wenn man denn unbedingt Einteilungen braucht, kann man Mark Rothko zu den "Abstrakten Expressionisten" zählen, jener Gruppe, die sich im New York der Nachkriegsjahre bildet und auch als "New York School" bekannt wird. Eine lose zusammengefügte Gruppe, ohne festes, einheitliches Programm. Doch Zuordnung ist Mark Rothkos Sache nicht. Und abstrakt will er seine Bilder auch nicht nennen. "Ich möchte ohne Vorbehalt sagen, dass es meiner Ansicht nach keine Abstraktionen geben kann. Jede Form oder jeder Bereich auf der Bildfläche, der nicht die pulsierende Konkretheit von Fleisch und Knochen hat, nicht deren Verletzlichkeit, Empfänglichkeit für Freude und Schmerz, ist einfach gar nichts. Ein Bild, das nicht die Umgebung bereitstellt, in die der Atem des Lebens eingesogen werden kann, interessiert mich nicht."

Colorfield-Painting

Für seine Colorfield-Painting, die Farbfeldmalerei, trägt Mark Rothko auf unbehandelte Leinwand Leim auf, in den er Farbpigmente gemischt hat, festigt den Untergrund mit Ölfarbe, die er um die Ränder laufen lässt. Die Farbmischungen, die er dann aufträgt, sind so verdünnt, dass die Pigmentpartikel kaum haften. Damit erreicht er die einmalige Transparenz. Die Farbe wird zum Schleier, zum Hauch. Gefühle sind dabei ganz wesentlich, eine Emotionalität, wie sie Rothko in der Musik zu spüren meint und in seinen Bildern ausdrücken will. Seine Bilder sind sehr groß, oft zwei Meter in Breite und/oder Höhe. In der Farbe aufgehen, als ob sie Musik sei - eine mögliche Zugangsweise zu seinen Bildern, die wie musikalische Variationen eines Themas wirken.

Jede seiner Schaffensphasen scheint geprägt von bestimmten Farben. Ab 1957 werden seine Bilder immer dunkler. Statt Rot, Gelb, Orange setzt er Farben wie Braun, Grau, Dunkelblau und Schwarz ein. Erst ein Jahr nach seinem Tod wird jene ökumenische Kapelle in Houston eingeweiht, die er räumlich mitgestaltet und mit dunklen Bildern versehen hatte. Die Deutung, die immer düsterer wirkenden Werke wären Ausdruck der zunehmenden Depressivität des Künstlers (dem seine zweite Scheidung im Jahr 1969 sowie der schlechte Gesundheitszustand stark zusetzten und der am 25. Februar 1970 sein Leben schließlich selbst beendete), übersieht, dass er in den letzten Monaten auch pastellige Papierarbeiten malte.

Deutungen sind überhaupt so eine Sache. Man spricht in Zusammenhang mit seinen Bildern von Transzendenz und Epiphanie. Marc Rothko hat Interpretationen nicht geliebt. So wie er sich immer gegen die Auffassung der Kunst als Mimesis wehrte ("Es ist in der bildenden Kunst, in der Poesie und in der Musik niemals darum gegangen, irgendetwas darzustellen. Es geht immer darum, etwas schön, bewegend oder dramatisch zu machen - und das ist keinesfalls dasselbe."), so sehr lehnte er auch Interpretationen seiner Bilder ab. Ab 1950 hörte er auf, sich zu seinen Gemälden zu äußern.

Einladung zur Empfindung

Seine Gemälde als Fassaden zu bezeichnen, das ließ er aber gelten. Bilder als Ausdruck dessen, was sie verbergen. Die Erläuterung des Bildes muss aber letztendlich durch den Austausch von Bild und Betrachter entstehen.

Rothko zu einem seiner Interviewer: "Außerdem können Sie noch eine andere Sache klarstellen, ich bin kein abstrakter Künstler [...] ich interessiere mich nicht für die Beziehung von Farbe zur Form oder irgendetwas in der Art. Mich interessiert nur, grundlegende menschliche Empfindungen zum Ausdruck zu bringen, Tragödie, Ekstase, schicksalhaftes Verhängnis und solche Dinge. Die Tatsache, dass viele Menschen zusammenbrechen und weinen, wenn sie mit meinen Bilder konfrontiert sind, beweist, dass ich solche grundlegenden menschlichen Empfindungen zum Ausdruck bringen kann [...] Leute, die vor meinen Bildern weinen, machen dieselbe religiöse Erfahrung, die ich gemacht habe, als ich sie gemalt habe. Und wenn Sie, wie Sie gesagt haben, nur durch ihre Farbbeziehungen angesprochen werden, dann entgeht Ihnen das Entscheidende."

BUCHTIPP:

Rothko

Von Jacob Baal-Teshuva

Taschen Verlag, Köln 2003

96 Seiten, brosch., e 7,20

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