"Fast alles ist mir ZUGEFALLEN"

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Ein Lebensmotto -beim Propheten Jeremia gefunden: 'Geh, wohin ich dich sende. Tu, was ich dich heiße. Fürchte dich nicht. Ich bin ja bei dir.'

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Ein Lebensmotto -beim Propheten Jeremia gefunden: 'Geh, wohin ich dich sende. Tu, was ich dich heiße. Fürchte dich nicht. Ich bin ja bei dir.'

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Am 12. März feiert Christian Haidinger, Abt des Benediktinerstiftes Altenburg im Waldviertel, seinen 70. Geburtstag. An diesem Datum emeritiert er als Abt, sein Nachfolger ist bereits gewählt. Abt Christian bleibt aber weiterhin Abtpräses der Österreichischen Benediktinerkongregation. Außerdem ist er als Vorsitzender der Superiorenkonferenz der "oberste Mönch" im Lande.

Die Furche: Was war prägend für Ihr Ordensleben?

Abt christian haidinger: Ich bin jetzt 50 Jahre im Kloster: Es war prägend für mich, dass ich mir keine einzige Aufgabe selber gesucht habe; sondern es ist mir alles zugefallen und aufgetragen worden. Es fing damit an, dass ich Bauer werden wollte und zu meinem Vater gesagt habe: Ich will nicht in die Hauptschule gehen Und da kommt ein Lehrer zu meinem Vater und sagt: Der Bub soll ins Gymnasium! Ich wollte das nicht, aber wenn der Vater und der Lehrer etwas sagen, dann gehorcht man. So bin ich ins Gymnasium gekommen, zuerst nach Wels, dann nach Kremsmünster. Dort ist es dann gewachsen: Vielleicht will der liebe Gott, dass du Priester wirst. Die Furche: Und danach

Abt christian: habe ich mich weiter gegen fast alles gewehrt. Ich wollte nach Salzburg zum Studium, doch der Abt hat gesagt: Du gehst nach Rom. Es war da die Zeit unmittelbar nach dem Konzil. Die Professoren waren so, als ob sie unmittelbar von den Konzilssessionen zurückkamen. Prägend war da etwa der Alttestamentler, der hat ein ganzes Jahr lang nur den Propheten Jeremia gelesen, und da bin ich auf dessen Berufungsgeschichte gekommen: "Geh, wohin ich dich sende. Tu, was ich dich heiße. Fürchte dich nicht. Ich bin ja bei dir." Das war wichtig, weil mein Abt oft etwas von mir wollte, was ich selber gar nicht wollte. Die Furche: Zum Beispiel?

Abt christian: Ich wollte etwa nie in die Schule -dann war ich 29 Jahre hauptamtlich in der Schule.

Die Furche: Würden Sie wieder das Ordensleben wählen?

Abt christian: Darüber denke ich auch oft nach. Natürlich habe ich Krisen gehabt, aber ich blicke auf ein sehr erfülltes Ordensleben zurück. Auch wenn es gefährlich klingt: Ich habe den Segen des Gehorsams kennengelernt und oft erst mit innerem Ringen Ja zu einem Auftrag gesagt, aber dann habe ich das mit all meiner Kraft getan. Als etwa der Abt meinte, ich solle die Kunstsammlungen in Kremsmünster übernehmen, hab ich gedacht: Aber ich doch nicht! Dann war ich 19 Jahre lang Kustos der Kunstsammlung. 1995 bin ich Pfarrer geworden -das war ein Jugendtraum von mir. Dort habe ich den verfallenen Pfarrhof renoviert - als sie mich dann 2005 in Altenburg zum Abt gewählt haben, haben sie gesagt: Das war deine Spielwiese. Ich bin bis heute kein Kunsthistoriker geworden, aber ich habe in Kremsmünster und dann in der Pfarrer ein Gespür dafür bekommen, und das hat mir dann in Altenburg sehr viel genützt.

Die Furche: Sie haben Gehorsam angesprochen, einer der so genannten Evangelischen Räte, nach denen Ordensleute leben.

Abt christian: Bei meinem ersten Abt war Gehorsam noch Kadavergehorsam. Das hat sich geändert. Als ich selber Verantwortung übernommen habe -ich war neun Jahre Novizenmeister -, ist mir klar geworden, dass es immer um Gehorsam im Dialog geht. Irgendwann muss dann schon eine Entscheidung fallen. Als Abt habe ich gute Erfahrungen gemacht, wenn wir Argumente Für und Wider diskutiert haben, dabei hat sich oft auch meine eigene Wahrnehmung verändert.

Die Furche: Wie ist die Erfüllung, von der Sie erzählen, weiterzugeben? Die Orden sind klein geworden.

Abt christian: Manchmal ist es auch in meinem Konvent bedrückend, zu sehen, dass wenig Ressourcen da sind. Es kann sein, dass der eine oder andere Orden von der Bildfläche verschwindet, gleichzeitig entsteht Neues. In Deutschland mussten letztes Jahr wieder drei Benediktinerklöster schließen -aber weltweit wurden acht bis zehn Klöster gegründet! Oder ich denke in Wien an die Benediktinerinnen von Liebhartstal, die mit schwerstbehinderten Jugendlichen arbeiten. Sicher keine "attraktive" Aufgabe für junge Frauen. Doch die haben eine Reihe von Schwestern zwischen 20 und 40 Jahren.

Die Furche: Am 13. März ist der erste Jahrestag der Wahl von Franziskus zum Papst. Man hat das Gefühl, dass in der katholischen Kirche ein anderer Wind weht.

Abt christian: Dieser Wind ist spürbar. Es sind noch viele Fragen offen. Aber allein durch seine Persönlichkeit, wie Franziskus auftritt, hat atmosphärisch schon viel verändert. Ich bin mir noch nicht wirklich im Klaren, wo dieser Papst theologisch steht. Ich freue mich, dass er immer wieder aufs II. Vatikanum zu sprechen kommt, dass da so viel noch nicht umgesetzt ist. Bei den heiklen Themen -etwa bei den geschiedenen Wiederverheirateten -hat er sich noch nicht konkret geäußert. Gerade bei diesen Fragen ist der Anspruch der Kirche höher als das, was gelebt wird - aber das ist in anderen Bereichen auch so: Dass wir Ziele vor Augen haben, die wir mehr oder weniger einlösen können, dass aber über allem und jedem die Barmherzigkeit und die Liebe stehen können. Und dass es wirklich nicht an uns liegt, zu richten und zu urteilen.

Die Furche: Das hat Franziskus wiederholt ähnlich formuliert.

Abt christian: Ganz viel hat sich im Stil geändert. Und damit ändert sich auch der theologische Blickwinkel -wenn man zuerst den Menschen sieht und mit Zuwendung und Empathie auf jeden zugeht -, wie etwa, einer Muslima die Füße zu waschen. Es war auch in den Medien groß, dass Franziskus mehrere Kinder getauft hat, darunter eines, deren Eltern nur standesamtlich verheiratet waren

Die Furche: offenbar ist auch das etwas Besonderes!

Abt christian: Man spürt viel an Veränderung, aber die Synode im Herbst wird das Exempel sein.

Die Furche: Aber damit die Bischofssynode innovativ wird, müssen die Bischöfe anders auftreten als zurzeit!

Abt christian: Das hoffe ich! Schauen wir, wie es weitergeht.

Mit Franziskus ändert sich viel im Stil - und damit auch der theologische Blickwinkel, wenn man zuerst den Menschen sieht und mit Zuwendung auf jeden zugeht.

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