Faszination und Kompetenz

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Ab Herbst 1998 gibt es in Wien eine Ausbildung in "Weltreligionen": Ein einzigartiges Projekt, das interreligiöse Gespräch sachgerecht zu beginnen.

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Ab Herbst 1998 gibt es in Wien eine Ausbildung in "Weltreligionen": Ein einzigartiges Projekt, das interreligiöse Gespräch sachgerecht zu beginnen.

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Wer im Dickicht religiöser Traditionen und Bewegungen Orientierung geben will, steht vor einer dreifach schwierigen Aufgabe. Eine erste Schwierigkeit ist es, die religiösen Traditionen und Bewegungen von anderen, nicht-religiösen (z. B. rein politischen oder sozialen bzw. von ausschließlich ideologischen) abzugrenzen. Daneben besteht eine zweite Schwierigkeit: Schneisen ins Dickicht zu schlagen, die erlauben zu sagen, welche religiösen Traditionen und Bewegungen zur Sprache kommen sollen, und damit indirekt andeuten, welche unbehandelt bleiben. Die dritte Schwierigkeit schließlich betrifft die Methode, wie die Konturen des holzschnittartigen Zuschnitts ermittelt wurden."

Mit diesen Überlegungen leitet der Hannoveraner Religionswissenschafter Peter Antes seinen 1996 erschienenen Band "Die Religionen der Gegenwart" ein. Antes ist einer der dreißig, teilweise hochkarätigen Referenten, die den im Herbst 1998 beginnenden, viersemestrigen Wiener "Lehrgang Weltreligionen" begleiten werden.

Das Ende der Religion, wie es noch vor wenigen Jahren postuliert wurde, findet nicht statt: Sowohl die politischen Konstellationen als auch die Gegenbewegung zu einer rein säkularen Weltsicht führten vielmehr zu einer religiösen Renaissance, die auch spannungsgeladen und konfliktreich ist. Die geopolitische Entwicklung hin zu großer Mobilität bedingt zusätzlich, daß die meisten Gesellschaften heute multireligiös sind.

Diesem Umstand wird aber in bezug auf Bildung und Kompetenz kaum Rechnung getragen: In Wien gibt es bislang keine adäquate Ausbildung, welche die großen Religionen im Überblick und das interreligiöse Gespräch thematisiert. Deshalb wurde unter Federführung der Kontaktstelle Weltreligionen der Österreichischen Bischofskonferenz und unter Mithilfe verschiedener evangelischer und katholischer Institutionen der "Lehrgang Weltreligionen" entwickelt.

Auch dieses Projekt ist von Schwierigkeiten, wie sie Peter Antes skizziert, gekennzeichnet: Welche Religionen (bzw. welche Traditionen darin) sind auszuwählen, welcher Holzschnitt soll abgebildet werden?

Das Konzept des Lehrgangs, der von den Theologen Markus Ladstätter (Kontaktstelle für Weltreligionen) und Albert Brandstätter (Evangelische Akademie Wien) geleitet wird, versucht, den Teilnehmern in Religionswissenschaft, interkultureller Kommunikation und interreligiösem Dialog Qualifikationen anzubieten. Angesprochen werden sollen "Multiplikatoren", also Erwachsenenbildner, Lehrer oder Journalisten, die über die verschiedenen Religionen kompetent im Bilde sein sollten.

Alle großen Weltreligionen (einschließlich des Christentums) werden im Lehrgang behandelt. Jede der Religionen wird einerseits durch eine "Fremddarstellung" eines Religionswissenschafters beleuchtet, dazu kommt eine "Innenperspektive" von Repräsentanten jeder Religion. Zusätzlich werden die Kultstätten (Moschee, Synagoge, Tempel ...) und kulturelle Aktivitäten jeder Religion besucht. Außerdem müssen die Teilnehmer einige Themen selbst erarbeiten.

Das erste Arbeitsjahr (1998/99) ist den monotheistischen Religionen gewidmet, 1999/2000 folgen Hinduismus und Buddhismus. Am Ende jedes Jahres steht eine Exkursion - nach Israel bzw. nach Indien. Insgesamt sind 36 Kurstage (6 dreitätige Blöcke pro Jahr) zu absolvieren. Lehrgangsort ist das Kardinal-König-Haus in Wien-Lainz.

Das für Ostösterreich einzigartige Projekt stellt den Versuch dar, die religiösen Phänomene, die aus den großen Glaubensschulen der Welt resultieren, richtig zu verstehen, zu deuten und zu vermitteln: Denn das aufflammende Interesse an den verschiedenen Religionen hält mit dem Wissen darüber oft nicht Schritt. Dem will der "Lehrgang Weltreligionen" einerseits abhelfen. Andererseits, so geben sich die Organisatoren überzeugt, ist der Blick in andere Religionen ein faszinierendes Erlebnis, das auch für die eigene Glaubenswirklichkeit nicht folgenlos bleiben kann.

Informationen: Kontaktstelle für Weltreligionen 1090 Wien, Türkenstraße 3/302 Tel. 01/3178470 Fax 01/3178470-4

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