Fatal zusammengerückt

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Der Islam habe blutige Grenzen, bekräftigte Samuel Huntington seine Diagnose vom "Kampf der Kulturen", mit der er seit 1993 im politischen Diskurs präsent ist. Im Interview mit der Zeit meinte der US-Politologe, der 11. September habe ihn "in gewisser Hinsicht" bestätigt. Auch das orthodoxe Europa hinke der westlich-demokratischen Kultur hinterher, und die islamischen Länder des ehemaligen Ostblocks - Albanien oder die zentralasiatischen Folgestaaten der Sowjetunion - kämen "ganz weit hinten".

Huntingtons Thesen sind nicht so simpel, wie sie in medialer Verkürzung scheinen mögen. Der Islam, so der Professor in der Zeit, sei nicht "grundsätzlich blutrünstig". Aber viele Muslime fühlten sich vom Westen ausgebeutet, außerdem sei da die "demografische Beule": In der islamischen Welt ist die Altersgruppe zwischen 15 und 30 die größte, und diese Menschen finden keine Jobs ...

Dem 11. September 2001 folgten viele Erkenntnisse, die eines gemeinsam haben: Politische und kulturelle Verwerfungen können nicht regional begrenzt werden. Die Kluft zwischen Arm und Reich lässt auch Reich spüren, dass es so nicht weitergehen kann, und religiöse Radikalisierung, die jedenfalls teilweise mit der inferioren sozialen Lage des Großteils der muslimischen Welt korrespondiert, ist zum globalen Bedrohungsszenario geworden.

Bisherige Rezepte - sicherheitspolitische Maßnahmen, Drohungen gegen Regimes wie das von Saddam Hussein etc. - greifen ohne Konzeptionen für einen globalen sozialen Ausgleich nicht.

Der 11. September hat auch vor Augen geführt, dass sich niemand ausklinken kann. Tarafa Baghajati von der "Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen" etwa meinte dazu in der TV-Sendung Orientierung sinngemäß: Österreichs Muslime würden seit dem 11. September lernen, dass sie sich nicht in ihre private Religiosität zurückziehen können, sondern sich mit den globalen Ereignissen auseinanderzusetzen haben.

Gleiches gilt für alle Player - ob mit religösem oder politischem Schwerpunkt, ob lokal, regional oder global - in der durch den 11. September fatal zusammengerückten Weltgesellschaft.

otto.friedrich@furche.at

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