Fatima - © Foto: Günter Spreitzhofer

Fátima: Glauben und Aberglauben

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Vor genau 105 Jahren begann der Aufstieg des portugiesischen Städtchens Fátima zum Pilgerziel. Eine Wanderung zu spirituellen Geheimnissen und wundersamem Geschäft.

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Vor genau 105 Jahren begann der Aufstieg des portugiesischen Städtchens Fátima zum Pilgerziel. Eine Wanderung zu spirituellen Geheimnissen und wundersamem Geschäft.

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Fátima wäre bis heute wohl ein unbekanntes Örtchen in den Hügeln hinter Lissabon, hätte hier nicht eines der mysteriösesten Ereignisse der katholischen Kirchengeschichte stattgefunden. Den drei Hirtenkindern Lúcia dos Santos (10), Jacinta (7) und Francisco Marto (9) soll am 13. Mai 1917 eine Frauengestalt erschienen sein – die Jungfrau von Fátima. Diese habe den Kindern aufgetragen, jeweils zum Monatstag zum Erscheinungsort zurückzukehren, was nicht lange geheim blieb. Monat für Monat kamen mehr Menschen, bis schließlich am 13. Oktober über 70.000 Zeugen eines Sonnenwunders wurden, wobei sich die Sonne wie ein Feuer­rad gedreht haben soll.

So weit die Legende, die insgesamt sechs Begegnungen der Hirtenkinder auflistet. Im Zuge der dritten Erscheinung im Juli 1917, die noch weitgehend zeugenfrei abgelaufen sein muss, wurden die drei Geheimnisse von Fátima überliefert, die Lúcia in den 1940er Jahren nochmals niederschrieb, nachdem sie die ersten Aufzeichnungen auf Anordnung der Kirche hatte vernichten müssen: Die ersten beiden – gemeinhin interpretiert als Andeutungen auf den Zweiten Weltkrieg und den Atheismus in der UdSSR – gab die Kirchenführung zur Veröffentlichung frei. Das dritte Geheimnis wurde jedoch versiegelt und dem Vatikan zugestellt, wo es nicht vor 1960 hätte veröffentlicht werden sollen. Schlussendlich blieb es 83 lange Jahre unter Verschluss und wurde zum Anlass für viele Spekulationen, da sich Papst Johannes XXIII. gegen dessen Bekanntgabe entschied.

Rätsel um drittes Geheimnis

Erst Erzbischof Bertone und Kardinal Ratzinger, der damalige Präfekt der Glaubenskongregation und spätere Papst Benedikt XVI., verkündeten das Geheimnis im Jahr 2000 – fünf Jahre vor dem Tod von Lúcia (Cousine der beiden anderen Kinder), die bis zu ihrem Tod Ordensschwester der Karmelitinnen in Coimbra war. Großer Wert wurde auf die Feststellung gelegt, dass es vonseiten der Kirche keine „offizielle Interpretation“ gebe, wenn auch Papst Johannes Paul II. sich selbst im „weißgekleideten Bischof“, der getötet wird, wiedererkannt haben will. Die damals 93-jährige Ordensfrau habe diese Auslegung des Papstes bestätigt: Es sei um Ankündigungen des Attentats vom 13. Mai 1981 gegangen, das sich am Jahrestag der ersten Erscheinung ereignet habe. Die Kugel, die in das Papamobil eingedrungen war, wurde jedenfalls zur Votivgabe und von Juwelieren in die Krone der Statue „Unserer Lieben Frau von Fátima“ eingearbeitet.

Fátima, das 10.000-Einwohner­-Städtchen 130 Kilometer nördlich von Lissabon, verdankt seinen arabischen Namen übrigens einer Legende: Ein maurisches Fräulein dieses Namens verliebte sich in einen christlichen Ritter und konvertierte zum Christentum. Jedenfalls kein schlechtes Omen für eine neue Marienkultstätte: 1930 erklärte der Bischof von Leiria die Erscheinungen für glaubwürdig und gestattete die öffentliche Verehrung „Unserer Lieben Frau von Fátima“. Seither ist das Städtchen neben Lourdes der bedeutendste katholische Marienwallfahrtsort Europas geworden: Jährlich vier Millionen Pilger waren es vor Beginn der Pandemie – auf der Suche nach Hilfe, Hoffnung und Heilung; deutlich mehr, als der portugiesische Jakobsweg je anziehen konnte. 2017 waren es erheblich mehr, jährte sich doch die erste Erscheinung zum hundertsten Mal.

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