Fatwa und Gewissensfreiheit

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Als einer zum Propheten Mohammed kam, um ihn nach dem Guten und dem Verwerflichen zu fragen, bekam er keine Liste an guten und schlechten Dingen, sondern folgenden Rat: „Frag dein Herz und dein Gewissen!“ Dies wiederholte Mohammed dreimal und sagte zu ihm: „Das Gute ist, was du mit deinem Gewissen vereinbaren kannst, und schlecht ist, was dein Herz ablehnt, auch wenn die Menschen dir immer und immer wieder etwas anderes als Fatwa [islamisches Rechtsgutachten] vorgeben.“ Dem Propheten Mohammed ging es also um die spirituelle und ethische Erziehung des Gewissens zum Maßstab für humanes Handeln. Ihm ging es nicht um die Unterwerfung aller Lebensbereiche unter ein religiöses Gesetz. Er war es, der sagte: „Ihr kennt euch in Dingen, die euren Alltag betreffen, besser aus als ich. In Angelegenheiten, die den Gottesdienst betreffen, sollt ihr euch aber an mich wenden.“

Heute besteht allerdings seitens vieler Muslime das Bestreben, aus der Botschaft Mohammeds eine Gesetzesreligion zu machen. Sexuelle Normen sind in den meisten islamischen Ländern stark von patriarchalischen Vorstellungen geprägt. Unter dem Deckmantel der „Scharia“ werden zum Teil frauenfeindliche Interpretationen als islamisches Recht präsentiert, um vollkommene Kontrolle über die Frau zu erlangen. Ihre Sexualität wird von manchen Gelehrten als bedrohlich dargestellt, die Frau gilt gemeinhin als verführerisch und sollte ihrer Auffassung nach daher weitestgehend von der Partizipation an der Gesellschaft ferngehalten werden. In der islamischen Ethik jedoch wird Sexualität weder negiert noch verdrängt, sondern als wichtiger und positiver Bestandteil des Lebens bewertet.

Da Sexualität nicht nur der Kinderzeugung dient, bestehen auch keine Einwände gegen künstliche Empfängnisverhütung. Erfüllte Sexualität wird als ein Recht des Menschen gesehen, das jedoch ausschließlich im Rahmen der Ehe gelebt werden soll.

Der Autor ist Islamwissenschafter und Imam in Wien-Ottakring.

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