Feuer für die Kirche

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Erinnerung an Ferdinand Klostermann.

Kurz vor Weihnachten war der 25. Todestag von Ferdinand Klostermann, der Konzilstheologe wäre 2007 auch hundert Jahre alt geworden. Das christliche Apostolat, Prinzip Gemeinde, Priester für morgen: Das waren die Grundthemen der wissenschaftlichen Arbeit des Pastoraltheologen Klostermanns.

Das christliche Apostolat

Kurz nachdem Papst Johannes XXIII. das 2. Vatikanische Konzil angekündigt hatte, sagte er einmal zu Kardinal König, dass dabei auch die Laien in der Kirche ausgiebig zur Sprache kommen sollen. Er wollte wissen, ob sich im deutschen Sprachraum ein Theologe speziell mit diesem Thema beschäftige. Der Kardinal erzählte dem Papst, dass Ferdinand Klostermann aus Linz an einer Habilitationsschrift über das christliche Apostolat arbeite. Bald darauf (1960) wurde Klostermann zum Mitglied der Päpstlichen Kommission für das Laienapostolat zur Vorbereitung des Konzils ernannt. Nach Abschluss seiner Habilitation erfolgte dann (1962) seine Ernennung zum Professor für Pastoraltheologie in Wien und zum Konzilstheologen.

Die Verknüpfung beider Arbeitsbereiche hat gewiss dazu beigetragen, dass Klostermanns erstes Buch "Das christliche Apostolat" (1962) mehr als eine "Schulaufgabe" wurde, wie sein Freund Otto Mauer derlei akademische Arbeiten zu nennen pflegte. Elf Jahre hatte er daran gearbeitet; es umfasst über elfhundert Seiten. Der Inhalt war für die damalige Situation der Kirche von Bedeutung: Das Apostolat ist nicht nur Aufgabe der Apostel und in ihrer Nachfolge der kirchlichen Amtsträger, sondern es gibt ein "christliches Apostolat" aller Christen. Sie sind nicht nur Helfer (und Helferinnen) für jene, die das amtliche Apostolat im strengen Sinn leisten, sondern sie sind durch die Taufe dazu berufen.

Elf Jahre nach Ende des 2. Vatikanischen Konzils äußert sich Klostermann in seinem Buch "Kirche - Ereignis und Institution" (1976) über die Durchführung der Konzilsdokumente: "Das Wunder der einfachen und schnellen Reformen ist nicht zu erwarten." Das war ein ernüchterndes Wort zur Situation zwischen den enttäuschten Erwartungen und den oft recht schwierigen Bemühungen, die Dokumente des Konzils in den Diözesen und Pfarren der Weltkirche zur Geltung zu bringen.

Das Entstehen der Dokumente wurde ja in den Medien ständig verfolgt, hervorragende Kommentatoren erklärten die Themen und den Stand der Beratungen in verständlicher Weise. Nach Abschluss des Konzils erwarteten daher viele, dass die beschlossenen Dokumente bald umgesetzt und die geweckten Hoffnungen rasch erfüllt werden. Manchen ging es nicht schnell genug; sie wurden unruhig und protestierten in den Medien. Der Hinweis, dass noch nach jedem Konzil ein langer Weg von den Beschlüssen bis zu deren Durchführung bevorstand, beruhigte sie nicht. Sie konnten sich denken, dass jedes Dokument Papier bleibt, wenn es nicht möglichst bald in Maßnahmen umgesetzt wird. Klostermanns Liebe zur Kirche und sein feuriges Temperament trieben ihn dazu, sich mit aller Kraft für Reformen einzusetzen und den Gang durch die Institutionen zu wagen.

Für die damals anstehenden Reformen formulierte Klostermann als Voraussetzungen, dass man zunächst der, institutionellen Grundversuchung' der Kirche entgegenwirkt, die Kirche mit dem Reich Gottes gleichzusetzen. Nach der Kirchenkonstitution des Konzils ist die Kirche dafür "Zeichen und Werkzeug", aber nicht schon das Reich Gottes. Sie muss daher immer kritisch auch zu sich selbst stehen und darf ihr Tun und Lassen nicht schlechthin mit der Sache Gottes identifizieren. - Man muss auch den legitimen Anspruch unserer Zeit und der Menschen dieser Zeit ernst nehmen. Der Anspruch Jesu erfordert ein neues Amtsverständnis und eine vom Geist Jesu geprägte Autoritätsausübung. Und die Kirche muss lernen, mit Konflikten zu leben. Ein völlig konfliktloser Zustand ist gar nicht begrüßenswert; er ist meist nur ein Zeichen dafür, dass Dinge verdrängt werden, dass man beziehungslos aneinander vorbeilebt oder schon resigniert hat.

Prinzip Gemeinde

Klostermann war davon überzeugt, dass die Dokumente des 2. Vatikanischen Konzils zu einer umfassenden Strukturreform führen müssen, die sich auch auf die Pfarre auswirkt. Hugo Rahner hatte 1956 das Buch "Die Pfarre. Von der Theologie zur Praxis" herausgegeben. Unter den Autoren finden sich Namen wie Croce, Kahlefeld, Jungmann, Gutzwiller, Schasching und Karl Rahner. Klostermann stimmte diesen Untersuchungen und Hinweisen zu.

Inzwischen war aber die Kirche im Konzil einen weiten Weg gegangen. Neue Gesichtspunkte traten auf und auch die Pfarre wurde mit der Theologie des Laienapostolats konfrontiert. Diese schien im Begriff und Konzept der Gemeinde besser aufgehoben als in der streng auf den Pfarrer bezogenen Pfarre. Weil darüber viel diskutiert wurde, stellte Klostermann in seinem Büchlein "Prinzip Gemeinde" (1965) die Theologie der christlichen Gemeinde dar: Kirche ist Versammlung der von Gott Gerufenen (ecclesia), die Gemeinde ist die grundlegende soziale Einheit der Christen. Das Apostolat der Laien kennt ja eine direkte Berufung durch Taufe und Firmung, nicht nur eine Einladung des Pfarrers zur Mitarbeit.

Weil Martin Luther ecclesia mit "Gemeinde" übersetzt hatte, erschien manchen die Verwendung dieses Begriffs als Versuch einer Protestantisierung und Demokratisierung der römisch-katholischen Kirche, die doch auf die Pfarre und den allein dafür zuständigen Pfarrer setzt. Klostermann interpretierte aber die Kirche insgesamt als Gemeinde und stellte die Konsequenzen für den kirchlichen Lebensvollzug auf allen Ebenen dar. Sein Buch "Wie wird unsere Pfarrei eine Gemeinde?" (1979) ist keine Anleitung zu einer Umwandlung der Pfarre in die Gemeinde, sondern es erläutert diese als "Prinzip" für die gesamte Kirche. Schon als Generalassistent der Katholischen Aktion hatte er ja die Parole ausgegeben: "Die KA in jede Pfarre." Er war überzeugt, dass das organisatorische Grundelement der Kirche die Pfarre ist und bleiben soll. Was sich über eineinhalb Jahrtausende bewährt hat und immer wieder weiterentwickelt werden konnte, soll man nicht leichtfertig als nicht mehr zeitgemäß abtun. Eine lange Reise nach Lateinamerika hat ihn darin bestärkt. Die Pfarren sind dort oft riesengroß und der Priestermangel enorm, aber das ganze Land ist ein Ort, "wo der Glaube lebt", wie Albert Bühlmann seine "Einblicke in die Lage der Weltkirche" (1974) genannt hat.

Die Diskussion über die christliche Gemeinde wurde sehr lebendig. Klostermann war im In- und Ausland engagiert dabei. Er gab (1974) das zweibändige Werk "Gemeinde - Kirche der Zukunft" heraus, das auf 788 Seiten "Prinzipien einer kirchlichen Strukturreform", "Dienste und Funktionen in der Kirche" sowie "Strukturen einer Kirche von morgen" behandelt.

Priester für morgen

Während versucht wurde, das Potenzial zu heben, das die Kirche in den Laien besitzt, gingen aus vielen Ländern Meldungen über einen starken Rückgang der Priesterkandidaten ein. Klostermann forderte Statistiken aus aller Welt an und verschaffte sich Berichte darüber, wie die Kirche in einzelnen Ländern trotz Priestermangels lebt. Er untersuchte die Perspektiven, die durch die Konzilsdokumente für die kirchlichen Ämter eröffnet waren. Seine ganze Kraft widmete er der Sorge um die "Priester für morgen" (1970) - ein Handbuch von 600 Seiten für theologisch mögliche und praktisch umsetzbare Lösungen der Priesterfrage. Er warnte vor einer Verkürzung der Debatte auf den Zölibat, aber auch vor einem spiritualisierten Begriff der Berufung, den schon Pius X. (1912) zurückgewiesen hatte.

Die Appelle Klostermanns bewirkten nicht viel. Wenn er exakte Statistiken vorlegte, warf man ihm Soziologismus vor. Wenn er rechtzeitige Maßnahmen forderte, wies man ihn auf die Gnade Gottes hin, die schon weiterhelfen werde. Noch wäre Zeit, seine Bücher zu lesen und die Gnade Gottes zu nützen. Die Situation, die er vorausberechnet hat, ist eingetroffen und wird sich weiter verschlechtern. Aber Klostermann war auch ein Beter: Täglich Messe und Stundengebet, Rosenkranz und betrachtendes Gebet. "Allein den Betern kann es noch gelingen …" schrieb Reinhold Schneider.

Der Autor ist em. Professor für Pastoraltheologie an der Kath.-Theol. Privatuniversität Linz.

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