Fortschritte in geologischen Zeitaltern

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Rektor Petrus Bsteh, 69, leitet die Kontaktstelle für Weltreligionen der Österreichischen Bischofskonferenz und ist ein profunder Kenner des Islam.

die furche: Wie beurteilen Sie den Stand des christlich-islamischen Dialogs?

petrus bsteh: Spektakulär sind die Entwicklungen auf diesem Gebiet nicht. Es bewegt sich da alles in geologischen Zeitaltern und in der Tiefe. Aber: Jede Begegnung ist sinnvoll, wenn sie ehrlich unternommen wird.

die furche: Heute unterstellen Christen dem Islam, er wolle sich auch mit Gewalt ausbreiten. Umgekehrt unterstellen Vertreter des Islam den Christen, sie wollten den Muslimen eine dekadente, unislamische Lebensweise aufzwingen.

bsteh: Es gibt eine starke missionarische Dimension des Islam, die sich allerdings auch als Kompensation des früheren, für den Islam lebensbedrohlichen Kolonialismus erweist: Er will - zumindest in seinen Stammländern - so stark sein, dass ihm von dieser Seite niemals mehr Gefahr droht. Gleichwohl ist die Pluralität des modernen Lebens nicht aufzuhalten, insbesondere unter der Jugend, die ja in der Regel viel besser gebildet ist als die Massen in den islamischen Stammländern. Gerade die Jugend verteufelt den Westen viel weniger, als es manche in diesen Ländern propagieren.

die furche: Kann es einen "europäischen Islam" geben?

bsteh: Ich persönlich glaube: Ja. Freilich hat es auch lange gedauert, bis Europa selbst die plurale Gesellschaft akzeptiert hat: Die Erklärung des II. Vatikanums zur Religionsfreiheit ist keine 40 Jahre alt, sie war - wegen eines Wahrheitsanspruches, der dem islamischen durchaus vergleichbar ist - das umkämpfteste Dokument des Konzils!

die furche: Wie findet man Ansprechpartner? Der Islam kennt ja keine allgemein anerkannte Lehrautorität.

bsteh: In den islamischen Ländern gibt es eine Reihe von Verantwortungsträgern im öffentlichen und religiösen Leben, die sich sehr viele Gedanken über die Entwicklung des Islam machen. Hier hat sich in den letzten Jahren eine tragfeste Begegnungsebene zwischen Christen und Muslimen entwickelt. Man muss dabei allerdings sehr behutsam und rücksichtsvoll sein: Man findet wertvolle Gesprächspartner, von denen man auch sehr viel lernen kann.

die furche: Über welche Themen können Muslime und Christen miteinander ins Gespräch kommen?

bsteh: Ein nahe liegendes Thema ist, ob beide Religionen Frieden mit friedlichen Mitteln erhalten können, ob Gewalt heute noch verantwortbar ist. Dazu gehört auch, dass man gemeinsam daran arbeitet, dass es zu gerechter Güterverteilung in der Welt und zu sozialer Gerechtigkeit kommt.

die furche: In einigen islamischen Ländern werden Christen verfolgt. Soll man, solange dies der Fall ist, bei uns gegenüber Muslimen restriktiv sein?

bsteh: Eine derartige Aufrechnung lässt sich nicht durchhalten. Im Islam gibt es das Gastrecht, das den abrahamitischen Religionen gegenüber unumstößlich heilig ist, das heißt, ein Angehöriger der biblischen Religionen darf sich unter dem Islam Schutz und Respekt erwarten. Es geht nicht nur darum, dass die einen hier Moscheen und die anderen dort Kirchen bauen dürfen, sondern man muss erreichen, dass die Existenz des anderen nicht mehr als Bedrohung der eigenen religiösen Identität erfahren wird.

die furche: Wie ist das christlich-islamische Verhältnis hierzulande?

bsteh: Im Islam in Österreich gibt es viele unterschiedliche Richtungen, die untereinander teilweise ein eher gespanntes Verhältnis haben. Man tut gut, sich an der sehr moderaten Leitung des österreichischen Islam zu orientieren.

die furche: Ein österreichischer Bischof hat kürzlich den Islam als "sehr radikale Religion", ein anderer Muhammad gar als "Fanatiker" qualifiziert.

Bsteh: Saloppe Wortmeldungen zeigen einen Mangel an Erfahrungen in der Begegung und an grundlegender Achtung, die jede interreligiöse Beziehung verlangt - einen Mangel an Takt, an Weisheit, an Verantwortung.

Das Gespräch führte Otto Friedrich.

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