Franziskus' raffinierte Strategien

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Der Jesuit Jorge Bergoglio repräsentiert als Papst Franziskus die höchst ungewöhnliche Verbindung unterschiedlicher geistlicher Traditionen. Das Franziskanische steht für prophetische Spontaneität, für die Basisperspektive und auch für eine gewisse "heilige Naivität"."Jesuitisch" aber steht für taktische und intellektuelle Raffinesse, für die Perspektive von oben, für die Nähe zu den Herrschenden, deren Berater und Beichtväter Jesuiten lange waren, bis sie - auch wegen dieser Nähe - sogar verboten wurden.

"Amoris Laetitia" nimmt als Text mit provozierender Selbstverständlichkeit die franziskanische Basisperspektive ein, inklusive bisweilen rührender seelsorglicher Eheratschläge. Wo aber liegt das Jesuitische an diesem Text, seine raffinierte Herrschaftsperspektive?

Genau darin: Dass ein Papst in die Basisperspektive wechselt - und das Kirchenrecht locker in ein paar Fußnoten verweist. Franziskus spielt den heißen Ball "Wie hält es die Kirche mit dem Sex?" kraftvoll ins Feld der Weltkirche zurück. Schließlich, so der Papst am Ende der Synode, könne bei diesem heiklen Thema, "was für einige Gewissensfreiheit ist", für "andere nur Verwirrung bedeuten." Das bedeutet: Werdet ihr damit fertig, ich sage euch nur, wohin es führen soll: über Barmherzigkeit zur Freude aneinander.

Die Frage ist nur, ob das System genug Ressourcen und die angemessenen Strukturen bereithält, die nun unvermeidlich auftretende Entscheidungs- und Pluralitätsproblematik auch wirklich zu lösen. Vielleicht ist des Papstes steiler franziskanischer Pass ins Feld der erstaunten Weltkirche, ja des Jesuiten Bergoglio raffinierte Strategie, die Dezentralisierung und Synodalisierung seiner Kirche voranzutreiben. Man sollte Jesuiten nie für naiv halten. Wenn sie franziskanisch agieren schon gar nicht.

Der Autor ist katholischer Pastoraltheologe an der Universität Graz

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