Frauen werden initiativ

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Sozialwort der christlichen Kirchen Österreichs: Weltweit zum ersten Mal wollen alle Kirchen gemeinsam gesellschaftliche Probleme beim Namen nennen. Die Riesen-Baustelle ist eine Ortsbesichtigung wert. Besonders wenn die Bauarbeiter ausschließlich Bauarbeiterinnen sind.

Liebe Frauen, Freundinnen, Schwestern, Mitstreiterinnen, Mitdenkerinnen" - so und nicht anders eröffnet frau eine Frauen-Konsultation. Frau ist die Sprecherin des "Ökumenischen Forums Christlicher Frauen in Österreich", Monika Heitz von der altkatholischen Kirche. Der Schauplatz ihrer Begrüßung: das Seminarzentrum Am Spiegeln in Wien. Die Adressatinnen des Grußworts: 35 Frauen. Unter ihnen ein Aufgebot an Expertinnen aus Wirtschaft und Justiz, Universitäten, Beratungsstellen und Medien. Kurzum: Eine geballte Ladung Frauenpower. Sie alle sind der Einladung des Ökumenischen Forums Christlicher Frauen gefolgt. Ziel dieses Tages: Die Erarbeitung eines ökumenischen Sozialworts der Frauen. Es soll ein Beitrag aus Frauenperspektive zum "Projekt Sozialwort" sein, gleichzeitig aber auch für sich selbst stehen können.

Und schon beginnt die erste Runde der Konsultation. Sie gehört dem Thema "Ökonomie-Arbeit-Armut". Das Wort hat Karin Heitzmann von der Abteilung für Sozialpolitik der Wirtschaftsuniversität Wien. "Die Ergebnisse der Armutsforschung zeigen eindeutig auf, dass Armut weiblich ist. Eine Frau muss durchschnittlich 51 Stunden arbeiten, um dasselbe Gehalt zu bekommen wie ein Mann mit 40 Stunden." Sofort hakt die Arbeits- und Sozialrechtlerin Michaela Windisch-Graetz ein: "Die Pensionen der Männer sind mit ungefähr 16.000 Schilling fast doppelt so hoch wie jene der Frauen mit 9.000 Schilling!" Ein Raunen geht durch die Gruppe, als sie weitere Fakten für sich sprechen lässt: "22 Prozent der Witwen von Altersarmut gefährdet, niedrigeres Erwerbseinkommen, niedrigere Einstiegsentlohnung ..."

Die Frauen hier sind keineswegs alle erklärte Feministinnen. Sie wissen durch ihre Arbeit ganz einfach Bescheid über die Probleme ihrer Geschlechtsgenossinnen in Österreich. "Die politische Veränderung in unserem Land registrieren wir wie Seismographen", sagt Monika Heitz. "Ein Gespräch beim Kirchencafé genügt!"

Dass nicht nur Frauen, sondern alle Mitarbeiter der christlichen Kirchen ein feines Gehör für soziale Fragen haben, zeigt der "Sozialbericht" der Kirchen, der im September 2001 veröffentlicht wurde. Auf dem Weg zum "Projekt Sozialwort" ist er ein entscheidender Baustein. Erstellt aus 522 Einsendungen verschiedener Institutionen von Caritas bis Hospizbewegung ist er ein Spiegelbild sozialer Wirklichkeit im heutigen Österreich. Sein Tenor: Der Staat entziehe sich zunehmend seiner sozialen Verantwortung. Daher klaffe die Schere zwischen Arm und Reich immer stärker auseinander. Angesichts dieser Realität sei von Christen kein Rückzug ins Private gefragt, sondern gesellschaftspolitisches Engagement.

Die Frauenrunde im Seminarzentrum Am Spiegeln liefert ihren Beitrag dazu. Während die Frauen der Sozialpolitik der derzeitigen Regierung bestenfalls ein "Genügend" erteilen, wird der Sozialbericht zwar kritisch kommentiert, aber auch gelobt.

Weibliche Perspektiven

Einstimmig fordern die Frauen: Das ökumenische Sozialwort soll die spezifisch weibliche Perspektive in allen Kapiteln berücksichtigen. Ein Sonderkapitel Frau - wie im vorliegenden Sozialbericht - ist ihnen zu wenig. Und so diskutieren sie an diesem strahlenden Frühlingstag über Gewalt gegen Frauen und Kinder, Menschen- und Frauenrechte, Ökologie und ein neues Verständnis von Bildung. Sie präsentieren Lösungsvorschläge und Alternativmodelle.

Aufmerksam hört ihnen Oberin Christine Gleixner zu. Die Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich wird als einzige Frau den Text des Sozialworts mitverfassen. Auf ihr ruhen daher die Hoffnungen aller Anwesenden. Gleixner ist überzeugt, dass die Gesellschaft das Sozialwort der 14 christlichen Kirchen nicht überhören wird: "Wenn alle mit einer Stimme sprechen, dann ist das ein starkes Zeichen."

Auch kirchendistanzierte Frauen wie Astrid Winkler, Soziologin und Trainerin im Bereich Antidiskriminierung, sind überzeugt, dass das Sozialwort kein Papiertiger bleiben wird - unter einer Voraussetzung: Die Kirchen müssen selbst eine Vorreiterrolle übernehmen, beispielsweise in puncto ehrenamtlicher Arbeit: "Der Staat instrumentalisiert das Ehrenamt, um sein eigenes Versagen zu kompensieren. Damit verbunden ist eine Zurückdrängung der Frau in klassische Rollen: Frauen sollen geringfügig beschäftigt sein, damit sie Zeit für unbezahlte ehrenamtliche Arbeit haben." Auf diese Ausbeutung von Frauen sollten die Kirchen, so Winkler, hinweisen und selbst mit gutem Beispiel vorangehen. "Wie wäre es, wenn einmal drei Monate lang die Männer das Pfarrcafé übernehmen würden und dafür Frauen die Gremienarbeit erledigten?"

Ins selbe Horn stößt Lilian Hofmeister, Richterin am Handelsgericht Wien und Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlung im Justizministerium: "Wenn die Kirchen in dieser paternalistisch strukturierten Kriegergesellschaft Vorbild sein wollen, dann sollten sie nicht Wein trinken und Wasser predigen. Solange Frauen nicht egalitär beteiligt sind - das heißt auch Priesterin, Bischöfin und Päpstin werden können - sind die Kirchen unglaubwürdig!" sagt Hofmeister, die als Taufscheinkatholikin viele Impulse aus dem Christentum für ihre Menschenrechtsarbeit bezieht.

Und mit der Autorität einer Richterin spricht sie das Schlusswort: "Wenn kirchlich engagierte Frauen ein Ende der Diskriminierung erreichen könnten, würde das unsere Politik und Rechtsordnung sicher beeeinflussen. Ich wünsche ihnen für dieses Projekt Sozialwort ein gutes Stehvermögen, langen Atem und Gottvertrauen!"

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