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Frauentrauma in der Männerkirche

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Maria von Magdala kann zum Vorbild für christliche Frauen heute werden und das Frauenbild der katholischen Kirche korrigieren und erweitern.

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Maria von Magdala kann zum Vorbild für christliche Frauen heute werden und das Frauenbild der katholischen Kirche korrigieren und erweitern.

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Der Evangelist Johannes berichtet, wie Maria von Magdala am Ostermorgen dem auferstandenen Jesus begegnet. Sie hält ihn zunächst für den Gärtner, erst als er sie beim Namen nennt, erkennt sie ihn und will auf ihn zustürzen. Mit den Worten „Halt mich nicht fest”, die dem griechischen Me mou haptou eher entsprechen als die Ubersetzung mit „Rühr mich nicht an”, welche auf das lateinische Noli me tan-gere zurückgeht, hält Jesus sie davon ab, gibt ihr jedoch unmißverständlich den Auftrag, weg zu gehen und die Auferstehung zu verkündigen. Im Markusevangelium wird Maria ebenfalls zur ersten Zeugin der Auferstehung, nachdem sie, wie auch der Evangelist Matthäus berichtet, mit anderen Frauen das leere Grab entdeckt hatte. Nur Lukas nennt Simon Petrus als ersten Zeugen und noch heute führt das Oberhaupt der katholischen Kirche seinen Machtanspruch auf Petrus, den „ersten Apostel” und „ersten Zeugen der Auferstehung”, zurück.

...Predigen stehe Frauen nicht zu

Maria Magdalena hingegen, die gemäß anderen Traditionen erste Zeugin der Auferstehung war, wurde im Laufe der Kirchengeschichte zur büßenden Hure und Sünderin. Selbst wenn ihre Rolle als Zeugin der Auferstehung heute weitgehend anerkannt und auch in päpstlichen Schreiben gewürdigt wird, so halten die Nachfolger Petri noch stets an jenem Thomaswort fest, wonach sich aus ihrer Zeuginnenschaft keinerlei Ansprüche der Verkündigung und des Amts ableiten lassen. Denn das Predigen stehe Frauen nun einmal nicht zu. Zudem sei Maria, so die Argumentation heutiger römischer Theologie, zwar Zeugin der Auferstehung, hätte jedoch nicht zum Kreis der zwölf Apostel gehört und sei auch beim Abendmahl nicht anwesend gewesen. Aus diesem Grund und weil „die Treue zum Herrn” dies erfordere, werden Frauen in der katholischen Kirche noch heute von allen Weiheämtern ausgeschlossen.

Dahinter stecken freilich weniger bibelwissenschaftliche Forschungsergebnisse - diese haben längst die zentrale Rolle von Frauen in den christlichen Anfängen hinreichend belegen können - als vielmehr ein Frauenbild, das noch stets auf der mittelalterlichen Anthropologie eines Thomas von Aquin basiert.

Nach Thomas ist die Frau ein „verfehlter Mann”, sie lebt im Zustand der Knechtschaft und ist von Natur aus dem Manne unterworfen. Sie kann unmöglich Leitungsfunktionen übernehmen, vielmehr entspricht es ihrem innersten Wesen zu dienen. Gefangen in eine dualistische Ordnung, die Frauen ihren Platz als zweites und untergeordnetes Geschlecht zuweist, und Kultur gegen Natur setzt, wurden und waren Frauen zugleich immer auch Repräsentantinnen des Chaotischen, Wilden, Naturhaften, Unbezähmbaren und damit des Sexuellen.

Neben Eva und Maria als antithetischen Frauenbildern, die für reale Frauen eine unmögliche Alternative darstellen, spielt Maria Magdalena hier eine wichtige Rolle als Vorbild für Frauen. An ihr, der erlösten Sünderin, konnten Frauen durch die Jahrhunderte hindurch lernen, wie sie sich zu verhalten haben, und Maria Magdalena wurde zum äußerst wirkungsvollen Propagandainstrument gegen ihre eigenen Schwestern.

Maria Magdalena, deren Geschichte als Zeugin der Auferstehung beginnt, wurde zur büßenden Prostituierten und blieb bis heute -stellvertretend für alle Frauen -Sinnbild weltlicher Versuchungen.

Nicht von ungefähr haben Frauen daher begonnen, eigene theologische und historische Forschungen anzustellen und haben damit auch zur Rehabilitierung der Maria von Magdala beitragen können. E geht dabei jedoch weniger darum, die „wahre” Maria zu entdecken , sondern vielmehr darum, den Androzentrismus männlicher Geschichtsschreibung aufzuzeigen sowie die Entwicklung der Kirche von einer Nachfolgegemeinschaft gleichgestellter Frauen und Männer zu einer patriarchalen und hierarchischen Organisation, die Frauen von allen wichtigen Ämtern und Positionen ausschließt.

Die Neutestamentlerin Elisabeth Schüssler-Fiorenza, eine der prominentesten Vertreterinnen feministischer Theologie, plädiert wie viele andere Theologinnen und Theologen schon lange für ein neues Bild von Kirche. Die Spannung zwischen einem patriarchal-hierar-chischen und einem demokratisch-egalitären Modell von Kirche werde, so Schüssler-Fiorenza, bereits am Begriff „Kirche” deutlich. Das griechische Wor ekklesia näm lieh, das heutt mit Kirche übersetzt wird, bezeichnet die „öffentliche Versammlung einer politischen schaft”. Die linguistischen Wurzeln von Kirche hingegen liegen nicht in ekklesia, sondern in kyriake, das soviel heißt wie „dem Herrn, Vater, Ehemann an/gehören”, und drücken die Macht jener aus, die über Leben und Tod der untergeordneten Haushaltsmitglieder entschieden, darunter frei geborene Frauen genauso wie Arbeiter und Sklaven beiderlei Geschlechts.

Das im Wort kyriake enthaltene griechisch-römische Ethos der Herrschaft und Unterwerfung, das sich zuerst auf den patriarchalen Haushalt bezog und dann auf die Kirche übertragen wurde, führte zum Ausschluß von freigeborenen Frauen und von weiblichen und männlichen Sklaven von der kirchlichen Leitung.

Im 2. Jahrhundert nach Christi wurde außerdem die Vielzahl an Amtern und Leitungsfunktionen reduziert und in eine hierarchische Struktur gepreßt, an deren Spitze der Episkopat stand. Als Folge entwickelte sich die grundlegende Unterscheidung zwischen Klerus und Laien.

Die biblische Vision der Kirche als Ekklesia konnte jedoch nicht auf Dauer ausgelöscht werden. Besonders christliche Frauen nehmen diese Vision, die auch vom Zweiten Vatikanischen Konzil genährt wurde, heute ernster denn je.

Weibliches Verständnis von Ekklesia wird im Sommer 1996 in einer Ersten Europäischen Frauensynode zum Ausdruck kommen. Es soll dabei an den demokratischen Bedeutungs-aspekt des frühen Christentums erinnert werden. Jahrhundertelang war der Begriff synodos, der so viel heißt wie „gemeinsam auf dem Wegsein”, für die gesetzgebenden Zusammenkünfte hierarchischer Kirchen-leitungen reserviert. Frauen, die von diesen Zusammenkünften weitgehend ausgeschlossen waren und sind, wollen nun den Begriff Synode von seinem einschränkenden und ausgrenzenden Charakter befreien.

Frauenvisionen für das 21. Jahrhundert

Zentrale Aufgabe von Ekklesia muß die Umsetzung der Vision eines Lebens in Fülle sein und damit der Einsatz für die Befreiung aller Menschen aus Unterdrückung und unwürdigen Lebensbedingungen und der Kampf für die Bewahrung der Schöpfung. Bewußt stehen deshalb während der Frauensynode Auseinandersetzungen mit politischen, wirtschaftlichen und Fragen des Lebensstils ganz selbstverständlich neben ökumenischer Bibelarbeit, gemeinsamen Meditationen, Gebeten und Liturgien. Frauen verschiedener Konfessionen und Herkunft wollen ihr gemeinsames christliches Erbe reklamieren und hoffen einer langen Tradition des Zusammenkommens endlich auch eine gewisse Öffentlichkeitswirksamkeit verleihen zu können.

Sie werden Strategien austauschen, einander zum Handeln ermächtigen und deutlich machen, daß jene Zeit, in der sie sich unterordneten und mit einem zweiten Platz in Kirche und Gesellschaft zufrieden gahen, längst vorbei ist. Vielleicht wird Maria von Magdala erneut zu einem weiblichen Prototypen, diesmal jedoch in ihrer eigenen Gestalt und als Symbol für das Recht der Frauen, ihre Rolle in einer Kirche, die wahre Ekklesia ist, zurückzugewinnen. Die Autorin ist

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