Frauenweihe: Unfehlbares Nein?

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"Die Voraussetzungen einer Entscheidung des ordentlichen Lehramts in dieser Frage wurden nicht erfüllt. Auf fehlbare Weise können keine unfehlbaren Entscheidungen zustande kommen."

Im Ersten Vatikanischen Konzil wurde als unfehlbar gültiges Dogma definiert, dass "mit göttlichem und katholischem Glauben" all das zu glauben sei, "was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und von der Kirche -sei es in feierlicher Entscheidung oder kraft ihres gewöhnlichen und allgemeinen Lehramtes - als von Gott geoffenbart zu glauben vorgelegt wird". Im Zweiten Vatikanum wurde mit Verweis auf den obigen Text als dogmatische Lehre bekräftigt, dass die Bischöfe, "wenn sie - [] wenn sie [ ] das Band der Gemeinschaft untereinander und mit dem Nachfolger des Petrus beachten -authentisch Sachen des Glaubens und der Sitten lehren und dabei auf eine Aussage als endgültig verbindliche übereinkommen, die Lehre Christi auf unfehlbare Weise" verkünden.

"Heilige Herrschaft"

Auf dieses Dogma vom unfehlbaren Charakter dieses "ordentlichen Lehramts" beruft sich der Präfekt der römischen Kongregation für die Glaubenslehre, Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer SJ, in seinem Schreiben "Zu einigen Zweifeln über den definitiven Charakter der Lehre von Ordinatio sacerdotalis". Er verweist darin auf das am 22. Mai 1994 veröffentlichte Apostolische Schreiben "Ordinatio sacerdotalis" ("Die Priesterweihe)" von Papst Johannes Paul II., in dem dieser erklärte, "dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen endgültig an diese Entscheidung zu halten haben". Der Präfekt stellt zunächst fest, "dass die Unmöglichkeit der Frauenweihe zur 'Substanz' des Sakramentes [der Priesterweihe; P. W.] gehört". Als Begründung für diese Behauptung wird nur ganz allgemein die Einsetzung der Sakramente durch Christus angegeben. Abgesehen davon, dass Jesus nicht die Priesterweihe als Sakrament eingesetzt hat, konnte er in der damaligen patriarchalischen Gesellschaft Frauen keine Vollmachten erteilen. Er selbst kam, um zu dienen (vgl. Mk 10,45), und wollte sicher keine "heilige Herrschaft" in einer von Männern dominierten Kirche. Das Wesen des Priesteramtes besteht auch nicht im Leitungsamt, sondern im Dienst an der inneren Einheit der Kirche. Andernfalls müssten Oberinnen in Frauenorden schon bisher Priesterinnen sein.

Die entscheidende Aussage kommt danach: "Es ist wichtig zu bekräftigen, dass sich die Unfehlbarkeit nicht nur auf feierliche Erklärungen durch ein Konzil oder auf päpstliche Definitionen ex cathedra bezieht, sondern auch auf das ordentliche und allgemeine Lehramt der in aller Welt verstreuten Bischöfe, wenn sie in Gemeinschaft untereinander und mit dem Papst die katholische Lehre als endgültig verpflichtend vortragen. Auf die zweitgenannte Unfehlbarkeit berief sich Johannes Paul II. in Ordinatio sacerdotalis." Doch es erheben sich schwerwiegende Einwände gegen diese Begründung.

Laut dem Schreiben des Präfekten der Glaubenskongregation gab es vor der Veröffentlichung des päpstlichen Schreibens eine "vorausgehende Beratung mit den Vorsitzenden jener Bischofskonferenzen, die mit der Problematik besonders befasst waren", also aus jenen Ländern, in denen viele Gläubige und manche Priester sowie -streng vertraulich -auch einzelne Bischöfe die Priesterweihe von Frauen schon damals für grundsätzlich möglich hielten. Dann heißt es von diesen Vorsitzenden weiter: "Alle ohne Ausnahme erklärten mit voller Überzeugung, dass die Kirche aus Gehorsam gegenüber dem Herrn keine Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu erteilen." Die Bischöfe in jenen Ländern wurden nicht alle in die Entscheidung einbezogen, die Bischöfe auf der ganzen übrigen Welt wurden nicht gefragt.

Dabei hätte es nicht genügt, die Meinung aller Bischöfe einzuholen, ob sie die Priesterweihe von Frauen faktisch -also in der derzeitigen Situation der Kirche und der Ökumene -als möglich ansehen oder nicht, sondern man hätte auch die Frage stellen müssen, ob sie jene prinzipiell und daher für immer ausschließen. Beides ist nicht geschehen. Die Voraussetzungen einer Entscheidung des ordentlichen Lehramts in dieser Frage wurden also nicht erfüllt. Daher durfte sich weder Papst Johannes Paul II. damals noch kann sich der Präfekt der Glaubenskongregation heute auf ein entsprechendes Urteil berufen. Auf fehlbare Weise können keine unfehlbaren Entscheidungen zustande kommen.

Uneingestandene Korrekturen der Lehre

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Kirche die Unfehlbarkeit ihrer Lehre auf die Weise begründen kann, wie das im Ersten und im Zweiten Vatikanum geschehen ist. Denn in beiden wurde die Unfehlbarkeit der Entscheidungen des außerordentlichen Lehramts -durch den Papst allein oder durch die Konzile mit Zustimmung des Papstes -sowie jener des ordentlichen Lehramts als unfehlbare Wahrheit verkündet, dabei aber die Unfehlbarkeit dieser beiden Dogmen selbst nicht begründet. Diese sind also bloße Behauptungen einer vorhandenen Unfehlbarkeit, die ihre eigene unfehlbare Wahrheit nicht rechtfertigen können. Wenn sie Begründungen ihrer eigenen Unfehlbarkeit sein sollen, handelt es sich um Zirkelschlüsse, die das voraussetzen, was sie beweisen sollen, und daher ungültig sind.

Im Widerspruch zu diesen Dogmen wurden im Zweiten Vatikanum frühere kirchliche Lehren, die nach den Kriterien der beiden Vatikanischen Konzile unfehlbar wahr und daher unveränderlich sein müssten, inhaltlich korrigiert, allerdings ohne diese Korrekturen als solche einzugestehen. Im Konzil von Florenz hatte es 1442 geheißen, dass alle Menschen "außerhalb der katholischen Kirche [ ] in das ewige Feuer wandern werden". Im Zweiten Vatikanischen Konzil hat die Kirche dagegen erklärt, dass "nicht nur [ ] die Christgläubigen" der Auferstehung entgegen gehen, "sondern auch [ ] alle Menschen guten Willens, in deren Herz die Gnade auf unsichtbare Weise wirkt"(Gaudium et spes 22; vgl. Lumen gentium 16).

Während die Kirche sich in der Zeit der Christenverfolgungen der ersten Jahrhunderte ihrer Geschichte sehr für die Religionsfreiheit eingesetzt hat, hat sie sich später als Staatskirche mit den politischen Machthabern verbündet. Dann war von einer allgemeinen Religionsfreiheit keine Rede mehr. Diese wurde von Papst Pius IX. in die Liste der geächteten Irrtümer aufgenommen. Erst im Zweiten Vatikanischen Konzil bekannte sich die Kirche in der Erklärung "Dignitatis humanae" wieder zum Recht auf religiöse Freiheit. Damit wurde das ordentliche kirchliche Lehramt in dieser Frage korrigiert, ebenfalls ohne diese Korrektur einzugestehen. Erst wenn die Kirche in dieser Grundfrage sich selbst gegenüber ehrlich wird, werden weitere Korrekturen erfolgen können, so auch bezüglich der Zulassung von Frauen zum Priesteramt.

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