"Freue mich über mehr Beschwerden"

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Ärger mit Eurokraten? Schwierigkeiten mit der EU-Bürokratie? Dann ist Nikiforos Diamandouros die richtige Adresse. Der EU-Ombudsmann sorgt dafür, dass das in der Grundrechtscharta verbriefte Recht auf gute Administration auch in den EU-Beamtenburgen umgesetzt wird.

Die Furche: Herr Diamandouros, Sie sind der EU-Bürgerbeauftragte - stimmt es, Sie wollen mehr Arbeit?

Nikiforos Diamandouros: Ja, und dazu muss ich bekannter werden. Es wissen noch zu wenige Menschen in Europa, dass es einen EU-Ombudsmann gibt, und dass es meine Aufgabe ist, die Rechte der EU-Bürgerinnen und Bürger bei den europäischen Institutionen zu stärken und einzufordern. Deswegen begrüße ich mehr Arbeit und ich freue mich, wenn mehr Österreicher ihre Beschwerden an mich richten.

Die Furche: Sie bekommen im Jahr rund 4000 Beschwerden zugeschickt, wieviele davon sind aus Österreich?

Diamandouros: Aus Österreich kommen nicht viele Beschwerden, rund 70 bis 80 im Jahr; und nur fünf, sechs, sieben dieser Eingaben verlangen dann eingehendere Untersuchungen. Das ist insofern verwunderlich, als dass es in Österreich eine sehr aktive Volksanwaltschaft gibt, die noch dazu ihre Arbeit, und das ist einzigartig in Europa und wirklich hervorragend, in einer eigenen Fernsehsendung präsentieren kann. Ich meine, in Österreich ist es einfach noch zu wenig bekannt, dass es auch auf europäischer Ebene einen Volksanwalt gibt.

Die Furche: Vielleicht liegt die geringe Anzahl an Eingaben auch daran, dass es in Österreich weniger Schwierigkeiten mit EU-Recht und europäischen Institutionen gibt?

Diamandouros: Das bezweifle ich stark! Ich weiß, Österreich hat ein sehr gut funktionierendes rechtsstaatliches System, das bis Maria Theresia und Joseph II. zurückreicht. Aber seither ist viel geschehen, hat sich viel verändert. Österreich ist Mitglied der Europäischen Union und das EU-Recht gewinnt auf nationaler Ebene eine immer größere Bedeutung und berührt zusehends auch das tägliche Leben der Österreicher - mit allen Vorteilen, die damit einhergehen, aber auch mit allen Schwierigkeiten und Problemen.

Die Furche: Andererseits sind Sie für mehr als zwei Drittel der an Sie gerichteten Beschwerden die falsche Adresse - warum?

Diamandouros: Mein Mandat ist exklusiv auf die Europäische Union beschränkt. Ich untersuche ausschließlich Beschwerden über Missstände in der Arbeit von EU-Institutionen. Für nationale, regionale oder lokale Behörden bin ich nicht zuständig, selbst wenn die Beschwerden über diese Organe EU-Angelegenheiten betreffen. Das ist nicht leicht zu verstehen, deswegen schreiben mir die meisten aus den falschen Gründen.

Die Furche: Das heißt, wenn EU-Recht von österreichischen Behörden verletzt wird …

Diamandouros: … dann müssen sich die davon betroffenen Bürger an die Volksanwaltschaft in Österreich wenden. Wenn sich aber zum Beispiel österreichische Unternehmen oder Schulen oder Vereine an EU-Projekten beteiligen und die EU ist dann bei der Bezahlung säumig, dann bin ich die richtige Anlaufstelle. Doch die gute Nachricht ist: Wir haben ein Netzwerk zwischen allen Ombudsstellen auf nationaler und regionaler Ebene in der EU geknüpft. Sollte also eine Eingabe bei mir landen, für die ich nicht zuständig bin, leite ich sie an die richtige Stelle weiter. Und in diesem Frühjahr werden wir eine interaktive Webseite in allen EU-Sprachen ins Internet stellen. Damit bieten wir ein weiteres Service an, um zu verhindern, dass die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Anfragen von einer Institution zur anderen im Kreis herumgeschickt werden.

Die Furche: Wie sehr sind Sie mit Beschwerden über eine arrogante und überhebliche EU-Bürokratie konfrontiert?

Diamandouros: Glauben Sie mir, es gibt nichts Schlimmeres als "institutionellen Machismus". Wenn Bürger von Beamten schlecht behandelt werden, nur weil diese glauben, durch ihr Amt am längeren Hebel zu sitzen. Die EU-Institutionen müssen für die Bürger da sein und nicht umgekehrt. Dazu haben sie nicht nur die gesetzliche, sondern auch die moralische Pflicht. Doch ich meine, die europäischen Organe haben diesbezüglich einen signifikanten Fortschritt gemacht. Das heißt nicht, dass es nicht nach wie vor gelegentlich Anzeichen für falsches, einschließlich arrogantes Verhalten gibt.

Die Furche: Was machen Sie dann?

Diamandouros: Wenn ich so etwas entdecke oder es mir gemeldet wird, stelle ich es umgehend an den Pranger und versuche dadurch eine Verhaltensänderung und eine Entschuldigung zu erreichen. Ich möchte aber betonen, dass ich nicht nur die negativen Beispiele aufzeige. In meinen Jahresberichten hole ich immer auch die Highlights vor den Vorhang, also Fälle, wo EU-Institutionen vorbildlich reagiert und gearbeitet haben. Auch das ist wichtig.

Die Furche: Wie beschreiben Sie Ihr Verhältnis zu den europäischen Institutionen - werden Sie in Ihrer Rolle als Überwacher gefürchtet?

Diamandouros: Unser Verhältnis ist von gegenseitigem Respekt geprägt. Wir unterhalten gute Beziehungen und Kooperationen mit allen EU-Institutionen. Das heißt nicht, dass sie uns alle lieben, aber ein Bürgerbeauftragter ist auch nicht dazu da, geliebt zu werden. Ich bin als Bürgerbeauftragter dazu da, meinen Job zu tun und den Bürgern zu ihrem Recht zu verhelfen.

Die Furche: Letztlich sind ihre Vorschläge jedoch für keine europäische Behörde bindend.

Diamandouros: Das stimmt, ich bin kein Gericht und ich möchte keines sein. Die EU-Rechtsordnung bietet als internationale Rechtsordnung die Möglichkeit, sich entweder an ein europäisches Gericht oder an den Europäischen Bürgerbeauftragten als außergerichtliche Instanz zu wenden.

Die Furche: Sie sind also mehr als ein Vermittler eingesetzt, der versucht, die Probleme "im Guten" zu lösen …

Diamandouros: Ich verstehe mich in meiner Rolle als Ombudsmann als derjenige, der für die Schaffung einer Art Service-Kultur in den europäischen Institutionen zuständig ist. Ich habe das zu einem wichtigen Teil meiner Arbeit gemacht, will die Beamtenschaft überzeugen, gut für die EU-Bürgerinnen und Bürger zu arbeiten. Gute Administration ist ein wichtiges Prinzip der EU, das auch im neuen Reformvertrag verankert ist. Mit dem Vertrag von Lissabon wird auch die Europäische Grundrechtscharta bindend, und Artikel 41 der Grundrechtscharta besagt, dass die Bürger ein fundamentales Recht auf gute Verwaltung haben. Und ich als Ombudsmann bin die Person, die dieses Recht für die Bürger in der EU garantiert.

Die Furche: Wenn es Ihnen mit Ihrer Arbeit gelingt, die Kluft zwischen den EU-Bürgern und Brüssel zu verringern oder zu überbrücken, hätten Sie sich jedenfalls den höchsten EU-Preis verdient.

Diamandouros: Letztlich müssen die Bürger entscheiden, ob und wie sie meine Hilfe in Anspruch nehmen. An mir soll es nicht liegen, ich tue mein Bestes, ich möchte gerne eine Brücke bilden, die den Europäern ihre EU ein Stück näherbringt.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

Europas Kummerkasten

Nikiforos Diamandouros hat den Überblick - das Büro des EU-Ombudsmanns ist im siebten Stock in einem Gebäude des Europäischen Parlaments in Straßburg angesiedelt. Mit einem Team von gut 60 Mitarbeitern geht der 64-jährige Politikwissenschafter und frühere griechische Ombudsmann dort den Beschwerden über Missstände in der Verwaltungstätigkeit der EU-Organe und Institutionen nach. Im letzten Jahr hat sich zum Beispiel ein Vorarlberger Pferdezüchter an den Bürgerbeauftragten gewandt, weil die EU-Kommission seine juristischen Anfragen zu Stutenbüchern und Pferdepässen nicht ausreichend beantwortet hat. Der Ombudsmann intervenierte und konnte dem Vorarlberger zu dessen "vollster Zufriedenheit" weiterhelfen. Diamandouros ist seit 1. April 2003 im Amt. Er ist der zweite EU-Ombudsmann in der Geschichte der Europäischen Union, das Amt wurde 1995 geschaffen. Gewählt wird der unabhängige und unparteiische Ombudsmann vom Europäischen Parlament. Bis vor kurzem hatte Diamandouros noch den Eifer, jeden Antwortbrief aus seinem Büro selbst zu unterschreiben. Das hat eine Entzündung an seinem Daumen so verschlimmert, dass er operiert werden musste. Jetzt ist er vorsichtiger, sagt er im Furche-Gespräch. Das ist gut so, soll der EU-Ombudsmann doch weiterhin gut auf die Fehler in der EU-Verwaltung zeigen können.

Kontakt

Der Europäische Bürgerbeauftragte

1 Avenue du Président Robert Schuman, B.P. 403

FR-67001 Strasbourg Cedex

Tel. +33 (0)3 88 17 23 13, Fax +33 (0)3 88 17 90 62

E-Mail: eo@ombudsman.europa.eu

http://www.ombudsman.europa.eu

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