Friedensprozess in der Wüste

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Versöhnung mit den Mitmenschen und persönliche Buße verlangt die Tradition von den Juden an derem höchsten Feiertag Jom Kippur. Dass die Realität damit nicht übereinstimmen muss, hat der Jom-Kippur-Krieg 1973 am Höhepunkt der israelisch-arabischen Auseinandersetzung schon einmal gezeigt. Und auch am vergangenen Sonntag konterkarierten höchste Sicherheitsstufe auf israelischer Seite und Tage des Zorns im palästinensischen Lager den Versöhnungstag.

In einem Punkt hielten sich Juden und Araber allerdings an das Ritual: Einen Sündenbock für die Auseinandersetzungen konnten beide Seiten benennen, um diesen in die - in dem Fall politische - Wüste zu schicken. Für die Palästinenser ist es Israels Oppositionsführer Ariel Scharon. Dieser stieg vor bald zwei Wochen mit einem Tross Polizisten auf den für Muslimen heiligen Tempelberg in Jerusalem, um sein Aufenthaltsrecht zu demonstrieren. Die blutigen Folgen sind bekannt, ein Zusammenhang wird von den Israelis jedoch abgelehnt. Die Gewaltausbrüche seien schon lange geplant gewesen, und Scharons Visite diene den Palästinensern nur als Vorwand.

Außerdem trage deren Präsident die Hauptschuld an den Ausschreitungen, die schon über 80 Tote und 2000 Verletzte gefordert haben. Arafat sei sein politisches Konzept und die Kontrolle über seine Mitstreiter entglitten, beschuldigt Israel den Palästinenserführer. Mit einem Ultimatum versuchte Israels Premier Ehud Barak, Arafat und dessen Anhänger zur Räson zu bringen. Als man es nicht einhalten konnte oder wollte, wurde es aber verlängert.

Barak blieb auch gar keine andere Wahl, denn wenn es ein Ultimatum gibt, dann gilt es ihm. Barak regiert derzeit ohne parlamentarische Mehrheit. Ende Oktober tritt die Knesset nach der Sommerpause wieder zusammen, und die Ausrufung von Neuwahlen könnte unvermeidlich werden. Ohne Erfolge würde sich dann Barak bald dort wiederfinden, wo jetzt die Sündenböcke und leider auch der Friedensprozess stecken: in der Wüste. Gelingt es Barak den Friedensprozess aus dem Sand zu ziehen, könnte das auch seine Rettung sein. Viel Zeit bleibt ihm nicht. Die Scharfmacher, Hitzköpfe und Maximalisten in beiden Lagern warten schon auf ihre Chance.

E-Mail:w.machreich@styria.com

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