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Am Vorabend des Weltjugendtages in Köln herrschten in Deutschland gemischte Gefühle. Und es stellt sich schon jetzt die Frage, was von der Großveranstaltung bleiben wird.

Spannung, Aufregung, Hektik, Neugier, Vorfreude, Skepsis - es ist wohl eine Mischung aus all diesen Gefühlen, welche die deutsche Stimmungslage in den letzten Tagen vor Beginn des Weltjugendtages (wjt) vom 16. bis 21. August in Köln gekennzeichnet hat. Erstmals in seiner zwanzigjährigen Geschichte findet diese internationale Begegnung im Land der Reformation statt. Und die meisten sind sich einig: Das kirchliche Großereignis soll zu einer Visitenkarte Deutschlands werden.

Große Anstrengungen wurden unternommen: stattliche Investitionen in Köln, Fernseh- und Kinospots, eine Sonderbriefmarke, eine Lotterie und der heutzutage unverzichtbare Internet-Auftritt. Und die Zahlen können sich sehen lassen - angemeldet haben sich 375.000 Dauergäste; zum Abschlussgottesdienst mit dem Papst rechnet man mit etwa 800.000 Teilnehmern.

Der Papst in der Heimat

Gespannt ist man in Deutschland vor allem auf den ersten Besuch Benedikts xvi. nach seiner Wahl zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche in der Heimat: Was wird Joseph Ratzinger seinen deutschen Landsleuten und der Welt zu sagen haben, wie wird er "zu Hause", wo sich die Begeisterung nach seiner Wahl stark in Grenzen hielt, auftreten? Wie wird er empfangen werden und bei der Jugend ankommen? Die Erwartungen der Bischöfe an den Weltjugendtag sind jedenfalls groß. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, sieht im wjt eine große Chance zur Erneuerung "für uns alle mitten im heutigen Leben". Ein herausragendes internationales Fest erwartet Jugendbischof Franz-Josef Bode. Das Treffen werde zeigen, "wie farbenfroh und kulturell unterschiedlich unsere katholische weltumspannende Kirche ist", meint der Osnabrücker Bischof. Geht es nach den Organisatoren, dann sollen die Jugendlichen aus aller Welt es machen wie die drei Weisen aus dem Morgenland: zu Christus pilgern und ihn anbeten. Denn das Motto des wjt lautet nach dem Matthäus-Evangelium: "Wir sind gekommen, um ihn anzubeten".

Wer sich zum Weltjugendtag angemeldet hat, den erwartet ein Fest des Betens und Beichtens, der Gemeinschaft und des Glaubens. Katechesen an fast 250 Orten in 30 Sprachen mit 600 Bischöfen aus aller Welt, Beichtgelegenheit bei 100 Priestern in drei Messehallen, zahllose kleine und große Gottesdienste, darunter vier ökumenische, geistliche Zentren von Orden, geistlichen Bewegungen und Gemeinschaften an 20 Orten in Köln, Bonn und Düsseldorf - bis zu 24 Stunden am Tag.

Auch wenn das offiziell bestritten wird, so gilt wohl doch, dass der Weltjugendtag von vielen als "fromme Gegenveranstaltung" zum Katholikentag und zum Ökumenischen Kirchentag gesehen wird - zu den beiden kirchlichen Großveranstaltungen also, die eher die Diskussion und den Dialog in den Vordergrund stellen. Das bedeutet auch: Die Spiritualität auf dem wjt ist für viele Jugendliche aus dem deutschsprachigen Raum eher ungewohnt. Insider meinen, dass die jungen Leute auf dieses Angebot verschieden reagieren. Zum einen mit distanzierter Kenntnisnahme nach dem Motto: Das mag für viele ansprechend sein, für mich eher nicht; zum anderen mit Irritation, weil sie manche Formen gar nicht kennen. Und nicht zuletzt gibt es selbstverständlich auch die jungen Leute, denen diese Form der Spiritualität besonders zusagt. Andere dürften sich auch vom Kulturprogramm angezogen fühlen: Rund um das Glaubensfest unterhalten nämlich mehr als zweihundert Künstlergruppen aus vierzig Nationen an hundert Orten die Gäste mit Musik, Tanz, Theater, Diskussionen und Ausstellungen.

Leute treffen, beten, feiern

Die Motive der jungen Leute aus Deutschland und anderen Ländern Mittel- und Westeuropas zum Weltjugendtag zu strömen sind überhaupt recht unterschiedlich. Viele haben nur eine ganz nebulose Vorstellung von dem, was sie dort erwartet, und lassen sich einfach vom Reiz des Außergewöhnlichen anlocken. Darüber hinaus ist es ein wichtiges Motiv, andere Menschen und andere Länder kennen zu lernen. Tatsache ist aber auch: Die Frage nach Sinn und Glauben ist wieder bewusster, die Sehnsucht nach religiöser Orientierung und lebensordnenden Ritualen stärker geworden. Trotzdem bleibt da eine Diskrepanz, was die persönliche Lebensführung und die Normen der Kirche angeht, auch wenn der Kölner Kardinal Joachim Meisner noch vor wenigen Tagen der Ansicht widersprach, viele Jugendliche würden zwar dem Papst zujubeln, sich aber im Alltag nicht an den Regeln der katholischen Kirche orientieren.

Bemängelt wurde von manchen Jugendseelsorgern, dass im Programm einige ganz kleine geistliche Gemeinschaften sehr zum Tragen kommen, die im Mainstream der Jugendpastoral keine Rolle spielen. So war bei den Weltjugendtagen seit 1989 in Santiago de Compostela die internationale katholische Jugendbewegung "Jugend 2000" dominierend, die, obwohl noch recht klein, durchaus auf sich aufmerksam zu machen versteht und inzwischen in 15 Ländern sowie in knapp der Hälfte der 27 deutschen Bistümer existiert. Die Buntheit der kirchlichen Jugendarbeit in Deutschland wird dagegen ganz klar durch die Verbände pointiert. Diese Verbände aber mussten nach Aussagen von Jugendseelsorgern im Vorfeld offenbar mühsam darum kämpfen, dass sie im Programm stehen und ihnen die nötige Logistik garantiert wird.

Die Erklärung liegt nahe: Der Weltjugendtag ist eine römische Veranstaltung in Köln, und die katholische Jugend in Deutschland - vor allem der organisierte kirchliche Nachwuchs - gilt nach wie vor als aufmüpfig. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (bdkj), das Dachgremium von 16 katholischen Jugendverbänden mit insgesamt rund 650.000 Mitgliedern, hat sich als Speerspitze für mehr Mitsprache in Gesellschaft und Kirche profiliert und pocht etwa in Sachen Ökumene, Sexualität oder Stellung der Frau auf Reformen.

Gerechtigkeit und Frieden

Umgekehrt ist aber auch beim bdkj ein Lernprozess zu beobachten: Gab es gegenüber dem wjt zunächst viel Skepsis, so nahm die Verbandsspitze schließlich immer mehr Rücksicht auf ein stetig wachsendes Interesse der eigenen Mitglieder am Mega-Event mit Papst Benedikt xvi. und stellte den biblischen Lobpreis der Gottesmutter Maria, das Magnificat, in den Mittelpunkt der Vorbereitungen, weil dieses in radikaler Form das Lob Gottes mit der Option für Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden verbindet.

Vor den zentralen Veranstaltungen mit dem Papst in Köln versammelten sich die Gäste am vergangenen Wochenende in den deutschen Diözesen. Die internationalen Besucher sollten bei den "Tagen der Begegnung" im Vorfeld einige Zeit in den Bistümern verbringen können, um Kirche, Land und Leute kennen zu lernen. Soziales Engagement, spirituelles Erfahren und kulturelles Erleben gingen dabei Hand in Hand. Rund 120.000 Jugendliche aus 162 Ländern kamen - mehr als jemals zuvor. Das alles aber kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahl der Teilnehmer an den Begegnungstagen weit geringer war als geplant. Offenbar gab es mehrere Fehleinschätzungen: von Seiten des wjt-Büros in Köln, aber auch von Seiten ausländischer Bischofskonferenzen, die ihre Leute ans wjt-Büro in Köln gemeldet hatten. Dabei spielte für viele junge Menschen auch der Zeit- und Geldfaktor eine große Rolle.

Probleme in der Ökumene

Auch in der Ökumene lief nicht alles glatt: Auf protestantischer Seite gab es deutliche Kritik, denn erst nach einigem Hin und Her kam es zu einer Einladung an evangelische Vertreter zu einer Begegnung mit Benedikt xvi. Gespannt sein darf man auch auf den Besuch des Papstes in der Kölner Synagoge, hatte es doch erst in den vergangenen Wochen zwischen dem Vatikan und dem Staat Israel deutliche Verstimmungen und einen harschen Wortwechsel gegeben.

Wie nach jedem kirchlichen Großereignis wird sich nach dem Weltjugendtag vor allem die Frage stellen: Wie geht es weiter? Bleibt dieser Event einmalig, oder kommt noch etwas danach - im Alltag? Seine Erfahrung und Wirkung ist auf jeden Fall Chance und Herausforderung, das, was durch ihn angestoßen wird, auf allen Ebenen weiterzuführen und in die bestehende Jugendpastoral zu integrieren. Die eine Hoffnung ist, dass die 30.000 Freiwilligen hinterher etwas mitnehmen in die Gemeinden, Verbände und Gemeinschaften. In den einzelnen Diözesen gibt es schon eine ganze Menge Ideen, Fragen der Spiritualität aufzugreifen. Neue Netzwerke haben sich gebildet, die es zu stärken und nach Möglichkeit weiterzuführen gilt. Darüber hinaus müssen Optionen für junge Menschen gesetzt, personelle und finanzielle Ressourcen für sie bereitgestellt werden.

Der Weltjugendtag wird die Kirche in Deutschland nicht umdrehen, aber er wird positive Ansatzpunkte bieten im Hinblick auf die Frage nach Gott. Er ist eine große Chance für alle, Weltkirche zu erleben, ein großes Glaubensfest zu feiern und zu einem christlichen Leben zu ermutigen. Eine tief greifende Mentalitätsveränderung in der Jugendarbeit wird er dagegen kaum mit sich bringen. Stattdessen kann er höchstens die Erfahrungen stärken, die Jugendliche tagtäglich machen. Die Kirche aber wird sich auch nach dem Weltjugendtag weiterbewegen müssen, um den Kontakt zur Welt und zu den jungen Menschen nicht zu verlieren.

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