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Das religiöse Leben Bulgariens erwacht nach langer Zeit der Zurückdrängung wieder. Einblicke ins Leben der Gemeinschaft vom Ruen-Kloster.

Weihrauch, Kerzenschein und der Gesang von drei jungen Mönchen: Eine sehr stimmige Atmosphäre, so wie man sich eine orthodoxe Liturgie vorstellt. Die Kirche der bulgarisch-orthodoxen Gemeinde in Wien ist ein sehr heller und freundlicher Raum. Sie ist zwar schwer zu finden und auf den ersten Blick nimmt man nicht an, dass sich hier inmitten von Wohnblocks im vierten Gemeindebezirk am Kühnplatz eine kleine, aber schöne Kirche der orthodoxen Tradition befindet.

Drei junge Priester-Mönche aus dem Ruen-Kloster, südlich von Sofia, besuchten diese. Sie kamen einer Einladung von Bischofsvikar Iwan Petkin, dem Vorsteher der Wiener Gemeinde, nach und stellten in einem Bildvortrag ihr Kloster und ihre Arbeit vor.

Ein Abt mit 28 Jahren

Bulgarien gilt mit seinen rund acht Millionen Gläubigen als Ursprungsland der slawischen Orthodoxie am Balkan. Seit dem Ende des kommunistischen Regimes (von 1945 bis 1989 versuchte dieses jegliches pastorale und geistliche Leben zu unterbinden) spielt vor allem das Mönchstum eine wachsende Rolle und geht dabei auch ganz neue Wege. Die Veranstaltung, getragen von Pro Oriente, bot die Möglichkeit, Einblicke in das Wiedererwachen des geistlichen Lebens in Bulgarien zu gewinnen. Dieser Besuch war der erste von bulgarischen Mönchen in Österreich und ist Zeugnis für einen im heutigen Europa wohl einzigartigen Aufbruch des orthodoxen Lebens.

Der erst 28 Jahre alte Priester-Mönch Polikarp ist der Abt der seit 2001 bestehenden Bruderschaft im wiedererrichteten Ruen-Kloster, das dem Großmärtyrer Demetrios von Thessaloniki geweiht ist und als der Ort gilt, wo Bulgariens Landesheiliger Iwan Rilski im 9./10. Jahrhundert lebte.

Nach mehreren Zerstörungen und Wiedererrichtungen existierte das Kloster bis 1935 und lag dann, dem Erdboden gleich gemacht, bis in die 90er Jahre brach, bis vom heutigen Abt die Idee geboren wurde, es wieder aufzubauen. Ein schwieriges Unterfangen: Der Berg war weder für Autos noch Baumaschinen zugänglich und alles musste in Handarbeit errichtet werden. Die enthusiastischen Mönche fanden viele Helfer und so wurde die Kirche 1998, der erste Klostertrakt 2001 eingeweiht.

Seit damals blüht der Enthusiasmus und das Engagement von Abt Polikarp und seinen Brüdern (die Gemeinschaft umfasst heute acht Mönche und acht Novizen) weiter und trägt viele Früchte: Ein zweiter Klostertrakt wurde bereits fertiggestellt. Der dritte ist im Werden. Eine Straße wurde angelegt und asphaltiert, sodass der Ort nun leichter erreichbar ist.

Radiostation und Druckerei

Besonders stolz ist der Abt auf die Verwirklichung einer Idee aus seiner Studienzeit: die erste orthodoxe Radiostation Bulgariens. Sie wird von jungen Menschen geführt. Das Programm wolle Menschen, die auf der Suche sind, unterstützen und diejenigen, die fest im Glauben verankert sind, stärken. Momentan kann man den Sender zwar nur über Internet empfangen; das Kloster bemüht sich aber um Radiofrequenzen für Sofia und andere bulgarische Großstädte.

In der klösterlichen Buchdruckerei liegt der Schwerpunkt auf religiöser Literatur für Kinder. Die Drucktätigkeit nimmt aber immer größere Ausmaße an und wurde ausgeweitet (Mal-und Gesangsbücher etc.). In der Ikonenmalwerkstatt werden Ikonen nach der byzantinischen Tradition (genauer nach der vom Berg Athos) gefertigt.

Nach dem langen Winter der politischen Zurückdrängung und des darauf folgenden Schismas - 1971 wurde der heutige Patriarch Maxim unter nicht geklärten Umständen durch politischen Druck zum Nachfolger des verstorbenen Patriarchen Kirill gewählt, was 1992 zur Abspaltung zahlreicher Bischöfe führte, die seine Abdankung forderten und einen Gegenpatriarchen wählten. Das Schisma konnte seit 1998 mühsam entspannt werden - scheint in der bulgarischen Kirche tatsächlich der Frühling angebrochen zu sein.

EU: Hoffen und Sorgen

Das Mönchskloster von Ruen ist das Beispiel dafür."In den letzten Jahren beginnt sich vor allem die Jugend wieder für das spirituelle Leben zu interessieren", freut sich Abt Polikarp.

Er bezeichnet das, was sich in den letzten Jahren getan hat, als einen Funken der aufleuchtet, als ein Zeichen der Hoffnung für die Zukunft seines Landes. Hoffnung auf eine bessere Zukunft weckt bei den Bulgaren auch der bevorstehende Beitritt zur EU. "Die Hoffnungen der Bevölkerung sollen in Erfüllung gehen", wünscht sich der Abt.

Hier meldet sich auch Bischofsvikar Petkin zu Wort: Er sei von der EU sehr enttäuscht, da man in ihr kaum über die Kirche und Gott rede. Seine Kirche bemühe sich, die christlichen Wurzeln zu stärken, dies sei aber nur schwer möglich, wenn die führenden Politiker davon weit entfernt sind.

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