Wer Sterbehilfe nicht will, muß für optimale Sterbebegleitung sorgen", forderte Familienminister Martin Bartenstein auf der interdisziplinären Fachtagung "Leben. Sterben. Euthanasie?" (siehe auch Beitrag oben).
Bartenstein wies darauf hin, daß sein Ressort vor fünf Jahren im Zuge einer Enquete wesentlich an der "Geburtsstunde vieler Hospizgruppen in Österreich" beteiligt war. Doch selbst wenn der politische Wille in Österreich da ist, einer Legalisierung der Euthanasie mit allen Kräften entgegenzuwirken: Die Alarmzeichen stehen auf Rot: Unter dem Druck der demographischen Entwicklung, steigender Lebenserwartung, Ressourcenknappheit und den inneren Mechanismen einer hedonistisch orientierten Konsumgesellschaft könnte die Diskussion um eine Legalisierung der Euthanasie bald "lawinenartigen Charakter annehmen", meinte Bartenstein besorgt. Die Niederlande, in denen bereits 15 Prozent aller Todesfälle auf aktive Sterbehilfe zurückzuführen sind, gelten - noch - als abschreckendes Beispiel. Vorboten der argumentativen Strickmuster gibt es auch in unseren Breiten.
Ist die Lockerung des Tötungsverbotes nicht ein Emanzipationsfortschritt? Oder zumindest unvermeidlich, wenn wir Ernst machen wollen mit dem Recht auf Selbstbestimmung, dem Sterben in Würde und einem humanen Tod durch "lebensbeendende Maßnahme" anstelle von sinnlos verlängertem Leiden?
Solche und andere Fragen halten die weltweite Diskussion um die Tötung auf Verlangen in Atem. Und sie verlangen nach Klärung.
Nach Günther Pöltner, Professor für Philosophie an der Universität Wien und Gründungmitglied des interfakultären "Instituts für Ethik in der Medizin", lassen sich mehrere Hauptargumente der Euthanasie-Befürworter unterscheiden: Ein Argument ist dabei besonders interessant: die absolute Achtung der Selbstbestimmung des Euthanasiewilligen. Wie steht es damit, mit dem Respekt des Arztes vor der selbstbestimmten Entscheidung des Patienten?
Autonomie, konstatiert Pöltner, wird oft mißverstanden. Selbstbestimmung meint nicht einfach "Willkür", sondern das Vermögen, "sittlich zu handeln". Das schließt immer eine individuelle, aber auch eine soziale Komponente ein. Kann das Verlangen, getötet zu werden, einen anderen sittlich zu einer Handlung verpflichten? Pöltner verneint dies mit der Begründung: "Verbindlich ist nicht das fremde, sondern das eigene Gewissen!" Es genügt nicht, daß sich der Arzt als Rechtfertigungsgrund auf das Gewissen des Patienten zurückzieht. Der Arzt sei zunächst verpflichtet, den "Inhalt des Verlangten" zu prüfen. Ein Tötungsverlangen könne jedoch niemals zur Handlungsnorm werden. Es widerspreche fundamental der Würde des Menschen, die "unveräußerlich" ist.
Ärzte müßten es als "moralische Zumutung" empfinden, daß man ausgerechnet von ihnen verlange, zu töten, betont der deutsche Moralphilosoph Anselm Müller. Ein "Bestattungsunternehmer mit entsprechenden Zusatzqualifikationen" wäre da schon eher geeignet, fügt er ironisierend hinzu. Es sei nicht einzusehen, warum die Euthanasie überhaupt einer bestimmten Berufsgruppe übertragen werden soll. Wenn sie etwas Gutes ist, sollte sie zu den Pflichten jedes guten Staatsbürgers gehören.
An diesem überspitzt formulierten Gedanken verdeutlicht der Wiener Internist Wolfgang Waldhäusl, daß die Forderung nach Euthanasie Ausdruck der "intellektuellen Hybris" einer selbsternannten "Elite" ist, die sich jedoch nicht auf Mehrheiten in unserer Gesellschaft berufen könne.
Eine Dokumentation der gesamten Veranstaltung ist übrigens im Verlag Springer, wissenschaftliche Reihe des IMABE-Instituts, vorgesehen, geplanter Erscheinungstermin Herbst 1999.
Weitere Information: IMABE-Institut, Landstraßer Hauptstr. 4/13, 1030 Wien, Tel. (01) 715 35 92, Fax 715 35 93.
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