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Für das Heil der ganzen Welt

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Die Vertreter der großen Religionen schöpfen aus ähnlichen Quellen und bringen auch gemeinsame Programme zustande.

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Die Vertreter der großen Religionen schöpfen aus ähnlichen Quellen und bringen auch gemeinsame Programme zustande.

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Wie bereits berichtet, hat die „World Conference on Religion and Peace“ (WCRP) ihr Welttreffen vom 3. bis 10. November 1994 in Rom/Riva del Garda abgehalten. Es scheint nicht überflüssig, diesem großen Ereignis genauere Aufmerksamkeit zu widmen. Fast 1.000 Angehörige aller Weltreligionen aus über 60 Ländern waren dazu angereist. Die Eröffnungssitzung dieses Welttreffens war in der Aula der Konsistorien im Vatikan eingeladen. Der Papst selbst ließ es sich nicht nehmen, an dieser Sitzung teilzunehmen und sie in einem programmatischen Grußwort zu adressieren.

Nicht auf private Initiative hin waren, wie seinerzeit in Assisi und neuerdings in Mailand, große Manifestationen von Vertretern der großen Weltreligionen organisiert worden. Vielmehr hatten sich nach einzelnen beherzten Initiativen im Zusammenhang mit den Folgen des Zweiten Weltkriegs, der Entkolonisierung und des Vietnam-Konfliktes nach dem Vorbild Mahatma Gandhis, Albert Schweitzers und Martin Luther Kings, Juden, Christen und Buddhisten in New York, Delhi und Tokio zusammengeschlossen, um in einer „Weltkonferenz der Religionen für den Frieden“ eine Bewegung zu mobilisieren, die in allen Ländern das Anliegen gewaltfreier Versöhnung und sinnhafter Lebensund Gesellschaftsgestaltung betreiben sollte.

Seit dem I. Welttreffen in Kyoto 1970 hat sich WCRP ausgebreitet, in vielen Einsätzen bewährt und nach innen und außen formiert. Mit diesem Gestus der Christenheit, des Papstes und anderer hochrangiger Vertreter der katholischen Kirche (der Kardinale Arinze, Martini und Etchegaray), des ökumenischen Patriarchen der Orthodoxie persönlich und leitender Repräsentanten der protestantischen Kirchen - sie alle hatten wenigstens zeitweise an der Versammlung teilgenommen und ihr viel beachtete Beiträge geschenkt -, wurde ein Zeichen nicht nur der Wertschätzung, sondern auch Anerkennung einem Gremium gegen-über gesetzt, das in gewisser Hinsicht auch für die Vereinten Nationen an Bedeutung gewinnt: Wird doch immer deutlicher, daß das weltumspannende Werk letzterer ohne die moralische Unterstützung und gläubige Begleitung der großen Religionen der Menschheit immer fragwürdiger wird.

Freilich sind sich alle Angehörigen der Religionen wenigstens in dieser Weltkonferenz für den Frieden im klaren, daß sie vor menschlich kaum bewältigbaren Aufgaben stehen: Es gilt eine Hypothek auch an gewaltsamen Auseinandersetzun gen in und unter ihnen im Verlaufe einer langen Geschichte abzutragen; es müssen neue Wege der gegenseitigen Anerkennung und Wertschätzung gefunden und begangen werden; es muß die Kraft der geistigen und geistlichen Werte überzeugend auf Fronten eingebracht werden, auf denen ökonomische Interessen, nationale Passionen und ethnische Atavismen ihr Umwesen scheinbar unbeeinflußbar treiben. Wie hier die innere Macht der Vergebung, des Friedens und Aufbaus einer neuen Zukunft einbringen?

WEITERER LERNPROZESS

Die Gründergestalten und junge Vertreter von WCRP haben soviel an bewegender Erfahrung gemacht, daß sie fest entschlossen sind, sich auf einen weiteren Lernprozeß einzulassen und ihren Weg in die Zukunft fortzusetzen. Ihr Wagnis ist also nicht romantischer Natur. Vielfach hat man sich ja unter harten Bedingungen im Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden gefunden - etwa in den Gefängnissen Süd-Afrikas - und zusammengeschlossen.

Bis heute ist man fast überall, selbst von eigenen Religionsgenossen und -gemeinschaften, verschiedensten Kritiken und Polemiken ausgesetzt. Schließlich ist man sich, wenn irgendwo, dann hier, bewußt, daß die Religionen wenigstens seit dem letzten Jahrhundert durchaus einer wachsenden Weltöffentlichkeit von distanzierten Skeptikern und Agnostikern gegenüber stehen. Ab-gesehen vom Faktum, daß sie als weltweite Körperschaften immer mehr vom Zersetzungsprozeß parasitärer Sekten und esoterischer Mythen befallen werden. Es wird zusehends das tiefste Zeugnis und das ganze Aufgebot innerer Kraft gefordert, die genuinen Werte und authentischen Inhalte der religiösen Vermächtnisse erneuernd zu bewahren. Dabei muß sich die Identität je-weils in der Differenz profilieren: WCRP hat von Anfang an allen Synkretismen abgeschworen.

SECHS THEMEN FÜR HEUTE

Würde hier nicht aus den Quellen gottgegebener Spiritualität geschöpft, die Religionen hätten wahrhaftig für sich und ihren Dienst für die Menschheit wenig Chancen. Wie an ihren Anfängen, so erweisen diese Ströme sich aber auch in weiteren Verläufen bis zum heutigen Tag als verläßlich und reich. Sie befruchten auch zu konkreten Taten. Die VI. Weltversammlung in Rom/Riva del Garda hat gemeinsam gebetet und beraten. Ihre Programme sind detailliert und konkret: Sechs Themen wichtiger Beiträge für die Bedürfnisse der heutigen Welt wurden vorbereitet und gemeinsam erarbeitet: von Gewaltfreiheit über Umwelt bis zum Schutz der Frauen und Kinder faßte man Vorsätze, die an Ort und Stelle von den jeweiligen Landesgruppen und in internationalen Gremien von ständigen Komitees eingebracht werden sollen.

Der Autor ist Leiter

der Sektion Österreich von WCRP.

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