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Für die Einheit der Christenheit

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Ist der Tornado doch nicht über die Weh gezogen, ohne mit seinem Wüten die Herzen der Menschheit zu erschüttern? Ringt das schwere Erlebnis der Christenheit Entschlüsse ab, die sie aus ihrer bisherigen Zerrissenheit herausführen? Verschiedene bedeutsame Erscheinungen sind wie eine Bejahung oder wie eine hoffnungerweckende Verheißung. Es kann noch nichts Endgültiges über die jetzt in verschiedenen europäischen Ländern sichtbar gewordenen Bestrebungen, wenn schon nicht zu einer Einheit der bisher getrennten christlichen Kirchen, so doch zu einem redlichen Miteinander zu gelangen, vor allem ein Verhältnis zueinander zu finden, das wahrhaft von christlicher Liebe durchleuchtet wird, gesagt werden. Eine gewisse, wenn in ihren Anfängen vielleicht noch schmale Vorstufe sollte hiefür der ökumenische Kirchenrat mit dem Sitze in Genf darstellen, der eine Brücke vorerst zwischen den protestantischen Konfessionen, aber auch zur katholischen Kirche bilden sollte. Ein provisorischer Ausschuß wurde 1937 auf den ökumenischen Tagungen in Oxford und E d i n b u r g geschaffen, um eine endgültige Verfassung vorzubereiten. Der Krieg hat die Arbeit des Ausschusses unterbrochen, doch soll die für August 1948 in Vorbereitung befindliche Tagung die endgültige Konstituierung des ökumenischen Rates bringen. Die Beratungen sollen von der neutestament-lichen Auffassung der Kirche ausgehen und auf eine theologische Unterbauung der Lehre der ökumenischen Bewegung hinzielen. Aber darüber hinaus geht der Plan nach der Gründung eines „ökumenischen Studienzentrums für christliche Führer“, mit dem konkreten Ziel der Heranbildung christlicher Laien, die ihr Interesse und ihre künftige Arbeit vor allem auf die Nöte und Bedürfnisse des ver-wü teten Mitteleuropas richten wollen. Die Diskussionen zum Thema haben auch af katholischer Seite, wenn man auch an den Genfer Beratungen nicht teinahm, ein verständnisvolles und freundliches Echo gefunden. Sie regten in Frankreich eine wertvolle

Aussprache an. Der bekannte französische Dominikanerpater C o n g a r schrieb in der Wochenschrift der französischen Protestanten „Reforme“ über die tatsächliche Wirksamkeit der von der ökumenischen Bewegung geleisteten und zu leistenden Arbeit; er unterstrich die Beachtlichkeit des Vorschlages, der von früheren protestantischen Kriegsgefangenenseelsorgern auf der Generalversammlung des französischen Protestantismus eingebracht worden war, man möge in allen protestantischen Druckwerken alle die übernommenen Torheiten und Bosheiten über den Katholizismus verme:de:i. „Ich kann ihn um so wärmer befürworten“ — fügt P. Congar bei —, „als ich schon einmal einen ähnlichen Vorschlag gemacht und Beispiele für seine Verwirklichung gegeben habe, auch eine Durchsicht der Schul- und Handbücher in diesem Geiste gefordert habe.

Wir müssen uns aus voller Wahrheitsliebe auch dem wirklidi eröffnen, was wir voneinan 'er emr.'ven können. Es darf nicht gesdiehen, daß die Bewegung für uns nur Anlaß ist, uns in unseren eigenen Augen zu rechtfertigen.“

In Frankreich propagiert Maurice Villain durch eine ausgezeichnete Schriftenreihe „Ad unitatem“ den Gedanken der Verstau ' “ung von katholischer Seite.

„Una Sancta“ in Deutschland

Eine Frucht dieses Willens zur Einheit stellt heute in Deutschland, wie ein Aufsatz der in Zürich erscheinenden vortrefflichen „Apologetischen Blätter“ ausführt, das wachsende Interesse an der „Una Sancta“ dar, einer Bewegung, welche den echten Frieden unter Katholiken und Protestanten anstrebt, und zwar, wie eine Schrift der Bewegung sagt, „nicht durch Verkleisterung und Abschwächung der wirklichen Gegensätze, sondern auf dem Boden der geschichtlichen Wahrheit, aber wohl im Geiste christlicher Liebe“. Dem Programm der „Una Sancta“ sind unter anderen folgende Angaben zu entnehmen:

Nächstes und unmittelbares Ziel der Bewegung ist die Beseitigung aller Vorurteile, Mißverständnisse und Entstellungen sowie die gegenseitige Aufgeschlossenheit für alle positiven Werte des anderen Bekenntnisses. — Als letztes Ziel ist die wahre Einigung aller Bekenntnisse „in der einen Herde unter dem einem Hirten“ ins Auge gefaßt, und zwar so, daß kein Bekenntnis auch nur irgendeinen positiven Wert seiner bisherigen Entwicklung aufgeben müßte, da in der einen Kirche Christi Raum ist für die ganze Wahrheit und darum für alle positiven Werte.

Wann und wie dieses letzte Ziel erreicht werden kann, steht in Gottes Hand. Die Una Sanca will den ersten Schritt dazu tun: Im Geiste der Buße auf allen Seiten, darüber, daß die Spaltung geschichtlich kommen mußte, daß sie solange anhielt und vorerst noch nicht beseitigt werden kann.

In beständigem Gebet füreinander und für die kommende Einigung zu dem einen Herrn.

In einer Liebe der Tat und der Hilfsbereitschaft bei jeder Gelegenheit und wo immer die Not zu vereinter Arbeit drängt. Die Einheit der Liebe wird Weg sein zur Einheit im Glauben.

Die Mittel, mit denen die Una Sancta ihr Ziel erreichen will, sind:

Persönliche Begegnung in Arbeitskreisen, in denen , die positiven Werte der einzelnen Bekenntnisse erschlossen und Gegensättze bis auf ihre tiefsten Grundlagen geprüft und abgeklärt werden. Austausch des wissenschaftlichen, religiösen und kulturellen Schrifttums unter Wahrung der von den einzelnen Konfessionen erlassenen Vorsichtsmaßnahmen usw. Gemeinsame Liebestätigkeit an den Notleidenden.

Die Vereinigung wurde zunächst von Dr. Max Josef Metzger ins Leben gerufen. Unabhängig von dieser ersten Gründung bildeten sich alsbald vielerorts neue Gruppen und Arbeitsgemeinschaften mit ähnlichen Zielen, so daß wohl von einer eigentlichen

Annäherungsbewegung in ganz Deutschland gesprodien werden muß, die nunmehr den Namen „Una Sancta“ trägt Die Zentrale der Gemeinschaft ist &i Ch r is t k ö n i g s h a u s in Meitinge = bei Augsburg, von wo die Bewegung ausgegangen ist und ihre stärkste Förderung erfahren hat. Die Nachfolge Dr. Metzgers, der im April 1944 hingerichtet worden ist, hat Pfarrer Dr. Laros übernommen.

Stand der Bewegung

Der Auszug aus einem Rundbrief der „Una Sancta“ gibt uns ein Bild über die neuere Entfaltung der Bewegung.

1. Während früher nur kleine isolierte Kreise eine Annäherung anstrebten, ist jetzt in den breiten Massen der Bevölkerung, soweit sie überhaupt noch christlich empfindet, ein elementarer Wille zur endgültigen und zugleich positiv fruchtbaren Überwindung der Glaubensspaltung aufgestanden. Tatsache ist: daß alle frühere Polemik heute als eine Unmöglichkeit empfunden wird und ein neuer schöpferischer Friede der Konfessionen als absolutes Erfordernis angesehen wird.

2. Dieser Wille zur Einigung ist primär religiös gerichtet; man will weder ein Kompromiß irgendwelcher Art, noch zielt man auf geheir 1 Propaganda oder Proseiyten-macherei, sondern auf eine ernste Vertiefung j des Christ e“n in seinem Bekenntnis und möglichst weite Öffnung des Geistes und Herzens für die Voll-wahrhe't der Offenbarung Christ:, wie sie in Schrift und lebendiger Tradition der K'rche en'h.iken ist. Also nidit rück ärts-schauend die Fehler der Gegenseite sehen, sondern audi die eigenen Fehler und Versäumnisse erkennen und anerkennen, wie auch die positiven Werte der Gegenseite.

3. Die erheblichen Bedenken bei den Kirchenbehörden beider Konfessionen schwinden immer mehr, weil die Gefahr des Mischmasaies und der Nivellierung beseitigt scheint.

Nachdem diese Sicherungen von beiden Seiten gegeben sind, wird die Bewegung auch von maßgeblichen kirchlichen Stellen beider Konfessionen gefördert. Die Bischofskonferenz in Fulda will eine Zentrale für die Verständigungsarbeit un'.er Leitung des Erz-bischofs von Paderborn schaffen, die alle Kräfte auf katholischer Seite zusammenfaßt und unterstützt, ohne die private Initiative zu beschränken ...

Ortsgruppen haben sich in vielen Städten und Bezirken Deutsch'ands gebildet, in Stuttgart ein besonders rühriger Kreis, der eine vorbildliche Tagung abgehalten hat.

Der Kreis der „Una Sancta“ in München setzt sich aus Gliedern der katholisdi-evangelischen und der Ost kirche zusammen. Vorträge wurden gehalten von Prof. Dr Heiler über Söderblom, Ph. Dessauer (kath ) über „Die Meditation in katholis her Überlieferung“, Ida Coudenhove - Görres über Theresia von Lisieux usw.

Die Bewegung in England

Völlig von den Tatsachen unabhängig um die „Una Sancta“ in Deutschland hat sidi auf ähnlidie Ziele die mit großem Elan vorgetragene Bewegung „D as Schwert des Glaubens“ gebildet. Sie entstand unter Kardinal Hinsley während des Krieges. Katholische Priester, an glikanischer Klerus und Angehörige nicht-konformistisdier Gruppen finden s'ai hier auf einem gemeinsamen Boden, um - ..einander die Wahrheiten zu durchdringen, zu vertiefen und zu verteidigen. Es ist verständlich, daß die Hirarchie Vorsicht walten läßt, doch hegt man die Erwartung, daß die in brüderlichem Geiste geführte Fühlungnahme gute Früchte tragen wird. Die Bewegung wurde vom Hl. Stuhl • gutgeheißen un .1 begrüßt.

Man darf sagen, daß für alle diese Erscheinungen in der christiidien Welt Europas das schöne Wort Reinhold Schneiders ir. einem jvufsatz über die „Versöhnung der Gläubigen“ (Herder, Freiburg i. Br., 1946) schrieb, gilt:

„Wir wissen, was uns trennen will und unfehlbar trennen wird, wenn wir dem X'unsch nadigeben, einander zu besiege;-:. ... Die wirklich für Christus gestritten haben gegen den Widersacher, müssen sich die Kratt dieser Verbundenheit bewahren über den Streit hinaus. Wir wollen die nicht mehr aus den Augen verlieren, die uns in der dunkelsten Stunde gegrüßt, deren Wort ' uns erquickt, deren Beispiel uns erhoben hat. Wir dürfen niefit versagen vor den Toten, di: als brLid.-r-liche Zeugen gestorben sind, eins in der Liebe, getrennt im Bekenntnis, dennoch einig in Christus, ihrem Herrn. Die Überlebenden sind zu Verwaltern der Gnade dieser entsetzlichen Jahre bestellt.“

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