Fundamentalismus auf katholisch

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Nun ist es gut zwei Jahre her, dass Benedikt XVI. mit der expliziten Zulassung der vorkonziliaren Liturgie jene Konflikte eröffnete, die Anfang 2009 im Streit um die Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Piusbruderschaft mündeten. Wenn der Papst die Absicht hatte, der tridentinischen Messe Tür und Tor zu öffnen, so war diesem Unterfangen bestenfalls mäßiger Erfolg beschieden. Dieser Tage berichtete eine italienische Tageszeitung, in Italien werde die vorkonziliare Messe in Italien kaum nachgefragt. Man könnte derartige Beispiele zuhauf weiter anführen.

Die „Wiederzulassung“ des alten Ritus ist aber auch als Vorleistung an die Lefebvrianer zu interpretieren, um deren Rückkehr in den Schoß der Kirche voranzutreiben. Es folgte mit der Aufhebung der Exkommunikation der vier Lefebvrianer-Bischöfe eine weitere „Vorleistung“, wie sie bislang ungekannt war. Vom „Kollateralschaden“, dass dabei auch ein Holocaust-Leugner exkulpiert erschien, abgesehen: Roms Weg zu einer Aussöhnung mit den Traditionalisten bestand bislang aus Zugeständnissen ohne sichtbare Kompromisse der anderen Seite.

Schweigen zu unerlaubten Weihen

Im Gegenteil: Neben Bekräftigungen ihrer Ablehnung des Konzils weihten die Bischöfe Ende Juni weitere Diakone und Priester, ohne dass dazu ein Wort aus Rom kam. Man kann sich ausmalen, was passierte, würde Ähnliches auf der anderen Seite des kirchenpolitischen Spektrums stattfinden.

In den Fällen der Piusbrüder ist das anders: Da erlässt der Papst Anfang Juli ein weiteres Motu proprio, das den Dialog mit den Lefrebvrianern regeln soll. Dort heißt es zwar, die Piusbrüder hätten in der Kirche keinen „ordnungsgemäßen Status“ und könnten kein Amt „legitim ausüben“. Dafür dass sich die Traditionalisten keinen Deut um diese Feststellung scheren, sind die päpstlichen Worte nichts als eine Beschönigung des Problems. Wohl stellt der Papst klar, dass es in der Auseinandersetzung mit den Piusbrüdern um die Lehre geht, daher ist fürderhin die Glaubenskongregation für die Verhandlungen zuständig. In der Tat ist die Frage der Liturgie ja nur einer der Streitpunkte, die Lefebvrianer lehnen die Ökumene wie die Religionsfreiheit ebenso vehement ab.

Bischof Richard Williamson, der Holocaustleugner, qualifizierte das Dokument sogleich als „vergiftete Torte“ ab und Amtskollege Bernard Tissier de Mallerais bekräftigte erneut: Zu Fortschritten werde es nur dann kommen, wenn Rom „die Irrtümer anerkennt, in welche die Kirche durch das Konzil geführt worden ist“.

Papst nicht auf Mainstream-Seite

Diese Vorgänge lassen sich nicht als Langmut eines Vaters verniedlichen, der seine missratenen Kinder mit großer Fürsorge in den Schoß der Familie zurückholen will. Denn diese Kinder haben bis zuletzt gezeigt, dass sie sich nach wie vor als eigentliche Hüter der Wahrheit begreifen. Je mehr „Vorleistungen“ Roms es ohne klare Grenzziehungen gibt, desto mehr fühlen sie sich im Recht.

Man kann es auf den Punkt bringen: Es geht hier um eine Auseinandersetzung mit katholischen Fundamentalisten, welche eine hyperklerikale Spiritualität des 19. Jahrhunderts fürs A und O der Kirche halten. Wer auf diversen Homepages dieser Provenienz im Web surft, wird fast ausschließlich Rückgriffe auf Positionen aus dem 19. Jahrhundert finden, welche eine vormoderne, von der Aufklärung nicht einmal gestreifte Kirchensicht propagieren. Das II. Vatikanum hat begonnen, genau dies zu überwinden. Solche Kirchensicht hat im 21. Jahrhundert nichts verloren.

Leider können die Lefebvrianer dazu den gegenwärtigen Papst zur Unterstützung heranziehen: Ende Juni legte Benedikt XVI. in einem Schreiben an die Priester dem Klerus der Welt besonders das Beispiel des Pfarrers von Ars ans Herz: Der von 1786 bis 1859 in Frankreich lebende Heilige ist geradezu ein Prototyp jener zweifellos frommen, aber vormodernen Spiritualität, die aus heutiger Sicht nichts als rückwärtsgerichtet erscheint.

Entsprechende Bestürzung hat das Papstschreiben denn auch im theologischen Mainstream ausgelöst. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Auch der Papst ist Partei in dieser Auseinandersetzung. Sein Agieren in der Frage der Piusbrüder macht beispielhaft deutlich: Er steht dabei nicht auf der Seite des Mainstreams seiner Gläubigen.

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