Funkenflug aus Polen

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Auch in Tschechien und der Slowakei erschüttern Kollaborationsvorwürfe gegen Bischöfe die katholische Kirche.

Das Zusammentreffen der Verdächtigungen ist in der Tat verdächtig und man ist versucht, Lech Wa\0x0142¸esa Recht zu geben, der bei der Demontage des neuen Warschauer Erz-bischofs Stanis\0x0142aw Wielgus vom "guten Timing" ehemaliger Agenten sprach, die mit Kollaborationsvorwürfen gegen kirchliche Wür-denträger von ihrem eigenen Verbleib in wichtigen Positionen nach 1989 ablenken wollten. Reflexartig wurden derartige Verschwörungstheorien auch von kirchlichen Spitzenrepräsentanten Tschechiens und der Slowakei ins Treffen geführt, als parallel zur Affäre Wielgus Bischöfen auch in ihren Ländern Zusammenarbeit mit den Kommunisten unterstellt wurde.

So rollte Bob Fliedr im Prager Tagblatt Lidové noviny die Causa des 2004 zurückgetretenen Generalsekretärs der Tschechischen Bischofskonferenz Karel Simandl neu auf. Vor allem der Bischof von Königgrätz Dominik Duka sowie der Erz-bischof von Olmütz und Vorsitzen-de der Bischofskonferenz Jan Graub-ner hätten "Butter auf dem Kopf" und nur dem Prager Kardinal Miloslav Vlk sei es zu verdanken, dass der "intensive" Mitarbeiter der Sta-si abgelöst worden sei. Duka habe zudem auf der Landessynode ein Dokument über die "Pilgerschaft der Kirche durch die tschechische Geschichte" zu Fall gebracht.

Bischöfe im Zwielicht

Anschuldigungen Fliedrs gegen den Diözesanbischof von Ostrau-Troppau František Lobkowicz wurden im kirchenunabhängigen Internetmagazin christnet.cz durch das Faksimile eines Agentenberichts vom 8. 9. 1989 untermauert. Schenkt man diesen Angaben Glauben, so hat Lobkowicz in einem Informationsgespräch, das er im Auftrag des Staatssicherheitsdienstes mit dem kurz davor installierten Olmützer Administrator und späteren Erzbischof František Vacnák führte, dessen Meinung über die Eignung Jan Graubners eingeholt, aber auch seine eigene für die Funktion eines Weihbischofs nachgewiesen.

Duka verwies in seiner Verteidigung auf die Bußwallfahrt der tschechischen Bischöfe und Priester zu Beginn der 90er Jahre, auf der für das Versagen der Kirche Abbitte geleistet worden sei. Simandl habe er in Unkenntnis von dessen Vergangenheit ins Amt gehievt und das Synodendokument sei von der Mehrheit der Synodalen wegen Unausgewogenheit abgelehnt worden. Lobkowicz erklärte, er sei schon auf Grund seiner adeligen Abstammung von den Kommunisten Verhören und anderen Schikanen ausgesetzt gewesen und sei niemandem nahe getreten.

Schnellten die Blitze auf Tschechiens Bischöfe aus heiterem Himmel herab, ohne dass deswegen das Haus der Kirche in Brand geriet, so war es in der Slowakei programmiert, dass die Funken aus Polen zumindest Feuer auf dem Dach verursachen würden. So brachten die slowakischen Medien die Causa Wielgus mit jener des Erzbischofs von Pressburg-Tyrnau (Bratislava-Trnava) Ján Sokol in Verbindung, dessen Agententätigkeit von 1972 bis 1989 allgemein bekannt ist, dem jedoch konkret nichts nachgewiesen werden konnte, da der Name nur in einer Liste aufscheint, der Akt selbst jedoch vernichtet worden ist. Belege für ein intensiveres Engagement von "Svätopluk" fanden sich nur im Akt über den Dissidenten Marián Prachár, und solang nicht Abschriften aus Ján Sokols Stasi-Akt in anderen Akten entdeckt werden, gilt für die Kirchenleitung die Unschuldsvermutung.

Das besondere Interesse der Kritiker erregt der Umstand, dass Sokol im Jahr der Wende vom Kandidaten der geheimen Mitarbeit zum Agenten avancierte. Verdankt er seinen Aufstieg vom Tyrnauer Administrator zum Erzbischof im Juli 1989 einer Intensivierung seiner Agententätigkeit? Bei einer Pressekonferenz am 12. Jänner wurde versucht, Sokol von allen Vorwürfen rein zu waschen. So erklärte der Historiker Jozef Halko, die Stasi habe bereits mit dem Kollaps des kommunistischen Regimes gerechnet und versucht, Personen an sich zu binden, die ihrer Einschätzung nach in der Zeit danach in der Gesellschaft Einfluss ausüben würden. Ordinariatskanzler Ladislav Ceri versuchte nachzuweisen, dass sich Sokol stets korrekt verhalten habe und die längste Zeit Persona non grata gewesen sei. Schließlich musste in einer Videoeinspielung Kardinal Ján Korec beteuern, Sokol habe sogar den "in der Geheimkirche Wirkenden geholfen".

Zumindest Letzteres darf wohl Sokols Talent zugeschrieben werden, sich mächtige Fürsprecher zu suchen. Am weitesten ging er diesbezüglich, als er im September 2003 den damals bereits schwer behinderten Papst Johannes Paul II. zu einem Kurzbesuch in seine Bischofsstadt Trnava karren ließ, und auch Benedikt XVI. hat er sich in einem TV-Interview zur Jahreswende 2006/07 angedient, indem er ihn als den "weisesten Mann auf der Erdkugel" apostrophierte. Pluspunkte in Rom sammelte er gewiss auch durch sein Durchgreifen gegen fortschrittliche Theologen an der Pressburger Katholisch-Theologischen Fakultät.

Auch im politischen Bereich wusste Sokol bisher immer richtig zu taktieren. Tolerierte er in den 90er Jahren die zweifelhaften Methoden von Ministerpräsident Vladimír Meciar und ergriff er in einem Hirtenbrief vor den Nationalratswahlen von 2002 ziemlich unverblümt Partei für die Christdemokraten, so hielt er sich bei den Wahlen 2006 mit Wahlempfehlungen auffällig zurück. Offensichtlich witterte er den sich anbahnenden Umschwung, und dass sich der linksliberale neue Premier Robert Fico, in seinem Populismus Ján Sokol durchaus artverwandt, zwei national-slowakische Parteien ins Boot holte, traf den leutseligen und wortgewaltigen Kirchenmann abermals auf dem richtigen Fuß. Denn nicht nur empfiehlt sich Sokol einstigen Mitläufern der KP als ehemaliger Stasi-Spitzel, sondern auch den Nationalisten als Bewunderer des umstrittenen Präsidenten von Hitlers Gnaden Jozef Tiso.

Ein Bewunderer Tisos?

Eine Seligsprechung des Prälaten hält er zwar für nicht opportun, aber er ist überzeugt, dass in den vatikanischen Archiven schlummernde Dokumente Tisos Regime dereinst in günstigerem Licht erscheinen lassen werden. Zuletzt weckte er einen Sturm der Entrüstung, als er in besagtem TV-Interview erklärte, er schätze Tiso sehr und erinnere sich, "wie arm wir gewesen waren und wie wir ein Niveau hatten, als er da war". Es habe "Wohlstand" geherrscht und er selber erinnere sich, "dass es uns an nichts fehlte - und dabei war Krieg".

Das ging sogar dem aus dem nationalen Lager stammenden Präsidenten Ivan Gašparovic zu weit, der am Rande des Neujahrsempfangs für die Kirchenvertreter Sokols Äußerungen als "nicht glück-lich" bezeichnete. Niemand könne darüber hinwegsehen, "dass wir ein Satellit des faschistischen Deutschlands waren". Auch Dušan Caplovic, stellvertretender Ministerpräsident von der linksliberalen "Smer", meinte im Hinblick auf die Ermordung von rund 70.000 Juden, der "Slowakische Staat" habe "grundsätzlich die Menschenrechte seiner Bürger verletzt".

Doch die Nominierung eines Nachfolgers für den verwaisten Leitungsposten des "Nationalen Gedenkinstituts" steht laut Koalitionsvertrag der chauvinistischen Nationalpartei zu. Und fast alle Kandidaten, die bisher von ihr genannt wurden, haben sich als Verteidiger des Tiso-Staats profiliert. Darüber hinaus steht der Verdacht im Raum, dass die Regierung das ungeliebte Institut, das nicht nur die Zeit des Kommunismus, sondern auch jene im Zweiten Weltkrieg unter die Lupe zu nehmen hat, überhaupt zusperren möchte.

Lech Walesas Analyse greift zumindest in der Slowakei zu kurz, wo die Kirche gleich zwei Vergangenheiten aufzuarbeiten hat. Wird Rom die Sache aussitzen - Ján Sokol wird nächstes Jahr 75 - oder reicht der Erzbischof selber seinen Rücktritt ein, wenn er nach einer Knieoperation in einem Wiener Spital wie angekündigt in den nächsten Tagen vor die Öffentlichkeit tritt?

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