Gäbe es sie nicht, man müsste sie erfinden

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Ohne Währungsfond, Weltbank und WTO würde in der internationalen Wirtschaft das Gesetz des Stärksten herrschen.

Inzwischen kennen wir das Ritual: bei jeder Tagung des IWF, der Weltbank oder der WTO erscheinen Horden von meist vermummten Steinewerfern und versuchen, die Sitzungen zu sprengen. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg. Ihre Agenda ist: "Weg mit diesen Institutionen!" Da drängt sich die Frage auf, "Wäre die Welt ohne IWF, Weltbank und WTO eine bessere Welt?" Sicherlich nicht. Das heißt aber nicht, dass diese Institutionen fehlerlos sind, man ihre Arbeit nicht verbessern könnte, oder ihre Aufgaben nicht regelmäßig neu überdenken sollte.

Drehen wir das Rad der Zeit um 57 Jahre zurück, an den Ursprung dieser Organisationen. An ihrer Wiege stand die Überzeugung, eine Wiederholung der wirtschaftlichen Katastrophen der Zwischenkriegszeit, die den Grundstein für den Zweiten Weltkrieg legten, zu verhindern. Ein neues, stabiles Weltwirtschaftssystem mit klaren Regeln sollte nach dem Krieg die Konflikte der dreißiger Jahre vermeiden helfen. Drei starke Organisationen, der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und eine Welthandelsorganisation sollten die Einhaltung der Regeln durch alle Länder, ob groß oder klein, überwachen und sicherstellen. Sie sollten auch Ländern in Not Hilfe bieten: der IWF bei Zahlungsbilanzproblemen, die Weltbank als Entwicklungsbank, die Welthandelsorganisation als Hüterin des freien und fairen Handels.

Wer sind diese Organisationen? Sie repräsentieren den Willen und die Entscheidungen ihrer Mitglieder, nämlich von 183 Ländern (142 bei der WTO). Sie können nicht losgelöst von ihren Mitgliedern agieren. In den Entscheidungsgremien sitzen die Vertreter aller Mitgliedsländer.

Was wäre die Alternative zu diesen multilateralen Organisationen? Es würde in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen einfach das Gesetz des Stärksten herrschen. Es gäbe keine gemeinsam entwickelten Regeln, keinen Hüter dieser Regeln, keine Schiedsrichter. Daher liegt es besonders im Interesse kleinerer Länder, dass es diese Organisationen gibt und dass sie gestärkt, statt geschwächt oder eliminiert werden. Im Rahmen dieser Institutionen können Kleine mehr Einfluss auf die internationalen "Spielregeln" nehmen.

Ein grundlegendes Problem insbesondere für den IWF ist, dass Länder zumeist erst dann Hilfe suchen, wenn "der Hut schon lichterloh brennt" und alle anderen Finanzierungsmöglichkeiten erschöpft sind. Dann kann man nur mehr mit drastischen Maßnahmen das Steuer herumreißen oder einen Flächenbrand verhindern. Für diese - oft fiskalischen - Maßnahmen wird dann der IWF verantwortlich gemacht und nicht die nationalen Politiker, die das Land in die wirtschaftliche Sackgasse geführt haben. So kann man wohl kaum den IWF für die schlechte Wirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte in Argentinien verantwortlich machen. Es handelt sich bei den hilfesuchenden Mitgliedsländern um souveräne Staaten, die selbst bestimmen, wann sie die Unterstützung der Staatengemeinschaft suchen und welche Ratschläge sie umsetzen.

Dem IWF kann aber der Vorwurf nicht erspart werden, mehrmals krisenhafte Erscheinungen zu spät erkannt zu haben. Seine Rolle müsste wieder mehr die eines Krisenverhinderers als die eines Krisenmanagers sein. Der Einfluss dieser Organisationen hat aber klare von den Mitgliedern gesetzte Grenzen. Sie können nur Katalysatoren sein und helfen, Prozesse in Gang zu setzen. Ihre Finanzmittel sind - und das ist richtig so - zu limitiert, um als alleinige Geldgeber zu fungieren. Ihre wirtschaftspolitischen Ratschläge spiegeln natürlich die wirtschaftlichen und politischen Machtverhältnisse unserer Welt wider.

Trotz aller Möglichkeiten und Notwendigkeiten, die Arbeit der internationalen Finanzinstitutionen laufend zu verbessern, gäbe es IWF, Weltbank oder WTO nicht, man müsste sie erfinden. Sie sind in unserer immer mehr vernetzten Weltwirtschaft notwendiger denn je. Sie leisten einen wichtigen Beitrag für eine stabilere, gerechtere und damit auch friedlichere Welt.

Der Autor ist Direktor der Hauptabteilung Statistik der Österreichischen Nationalbank. Der Beitrag stellt die persönliche Meinung des Autors dar.

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