Gedanken in der Ankunftshalle

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All jene, die den Sturmlauf zur islamischen Eroberung Europas fürchten, werden es schaudernd zur Kenntnis nehmen: An den Sprachschulen boomen die Arabischkurse.

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All jene, die den Sturmlauf zur islamischen Eroberung Europas fürchten, werden es schaudernd zur Kenntnis nehmen: An den Sprachschulen boomen die Arabischkurse.

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Es war die erste Schlagzeile, die mir die Kronenzeitung am Flughafen Wien nach zehn Tagen Ausland in Leuchtschrift entgegenwarf: "Provokanter Rat eines Grün-Politikers: Deutsche sollen Arabisch lernen!"

Unabhängig davon, wie anders das Zitat im O-Ton beim späteren Nachlesen klang - spontan stiegen zwei Erinnerungen in mir auf:

An die Lacher, wenn ich vor Publikum über Begegnungen mit Libyens Gaddafi erzählte, der mir einmal gesagt hatte: "Wir beide, wir werden es noch erleben, dass ihr Europäer einmal Arabisch lernt " (Eine Spur von Nachdenklichkeit unter den Zuhörern kam erst bei Gaddafis zweitem Satz auf: "Wir Araber sind ja eure Nachbarn, die Amerikaner sind es nicht!")

Und an jenen unseligen jungen Finanzminister, der 2000 gemeint hatte: "Orientalistik - das brauchen wir nicht!"

Was lange nur Desinteresse war, ist heute zumeist politische Emotion: "Ich fürchte, dass wir - wenn Sie Präsident sind - eher Arabisch lernen müssen ", hörte Alexander van der Bellen dieser Tage von einem Anrufer am Linzer ORF-Telefon.

Starke Gefühle überdecken die Faktenlage: Wenige Länder haben so intensive Erfahrungen mit dem Orient wie wir - in Bedrohung und Befruchtung. Was schon 1669 zur Gründung des "Sprachknabeninstituts" in Konstantinopel und 1754 zur "Orientalischen Akademie" in Wien (heute Diplomatische Akademie) geführt hat. Kaiserin Maria Theresia dazu: "Damit es niemals an Männern fehle, die mit den Türken, Persern und Arabern sprechen, die Gesetze des Friedens festlegen und Handelsverträge abschließen können." Welche Weitsicht!

Seither stellt Österreich herausragende Orientalisten. Für Dialoge aller Art genießen Männer wie Kreisky, Waldheim oder Kardinal König bleibendes Ansehen. "Ohrwürmer" besingen im Orient unser Land. All dem - und manch anderem - verdanken wir viel an Handel mit der islamischen Welt.

Sprache öffnet Herzen

Immer wieder ist es die Sprache, die Herzen öffnet: Selbst meine kargen Arabisch-Versuche hätten mir einmal um Haaresbreite ein arabisches Rassepferd als Geschenk eingebracht

All jene, die jetzt den Sturmlauf zur islamischen Eroberung Europas fürchten, werden es schaudernd zur Kenntnis nehmen: An heimischen und deutschen Sprachschulen boomen derzeit die Arabischkurse. Mehr und mehr junge Menschen erkennen, dass die großen Kultursprachen Russisch, Arabisch und Mandarin künftig enorm gesucht sein werden. Das erzwingt der globale Wettbewerb, das stärkt das interkulturelle Verständnis - und entspannt zudem den Umgang mit Zuwanderern.

Es ist nicht leicht, der derzeit herrschenden Stimmung -siehe Schlagzeile oben - zu trotzen. Dennoch: Zur Sprachkenntnis zu ermutigen, ist nie "provokant". Zu offenkundig hat Friede mit Verstehen des anderen zu tun.

Vielleicht ist gerade das Sprachen-Babel in der Empfangshalle eines Flughafens für solche Gedanken ein guter Ort.

Heinz Nußbaumer

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