Gegen den Vitaminmangel trotz voller Bäuche

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Satt sein, ist zuwenig. Ohne ausreichend Vitamine und andere Nährstoffe wird zwar der Hunger gestillt, aber der "versteckte Hunger" bleibt.

Der Menschenrechtsexperte Andreas Blüthner ist Strategy Manager der "Micronutrient Initiative" bei BASF, die Grundnahrungsmittel in Entwicklungsländern mit Vitaminen anreichert, um Mangelernährung zu verhindern. Blüthner war Gast eines Symposiums des "Instituts zur Cooperation bei Entwicklungs-Projekten" (ICEP) in Wien.

Die Furche: Herr Blüthner, Sie bieten kein Rezept gegen Hunger, jedoch gegen Mangel trotz voller Bäuche.

Andreas Blüthner: Es gibt sehr viele Menschen, die gerade noch genug zu essen haben, denen aber trotzdem wichtige Nährstoffe fehlen. Das kann man als "versteckten Hunger" bzw. Vitamin- und Mineralstoffmangel bezeichnen.

Die Furche: Das heißt, die Bäuche sind gestopft, aber nicht mehr.

Blüthner: Es reicht für die Grundnahrungsmittel, Mehl, Reis, die Kalorienträger also, um halbwegs satt zu werden. Mangelerscheinungen werden damit nicht verhindert. Vitamin-A-Mangel zum Beispiel führt von Nachtblindheit bis zu totaler Blindheit, zum Kollaps des Immunsystems bis hin zum Tod: 650 Millionen Kinder sterben an Vitamin A-Mangel, schätzt die UNICEF. Eisen wiederum ist fundamental für die geistige Leistungsfähigkeit. Folsäure ist für Schwangere sehr wichtig - ohne, kommt es zu Fehlgeburten, Missbildungen … Das sind sowohl individuelle als auch kollektive Probleme, da diese Arten von Mangelernährung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Länder beeinträchtigt. Am Ende ist das ein armutsbedingter Teufelskreis …

Die Furche: … aus dem mit Vitaminen und Nährstoffen angereicherte Lebensmittel herausführen sollen.

Blüthner: Man nimmt das erschwinglichste Grundnahrungsmittel, das von der Armutsbevölkerung gegessen wird, und reichert es mit jenen Nährstoffen an, die in der normalen Ernährung fehlen.

Die Furche: Beispiel Maniok, weil es in diesem Dossier auch ein großes Thema ist …

Blüthner: Da gibt es z. B. Schulmilch, die auf Basis von Kassava hergestellt und mit einer ganzen Reihe von Nährstoffen angereichert ist. Was man braucht, ist ein günstiges nationales Grundnahrungsmittel, das industriell verarbeitet wird. Denn an die Produkte, die von den Leuten selbst hergestellt werden, kommt man mit den Anreicherungsprogrammen schwer bis gar nicht heran.

Die Furche: Welche Aufgabe übernimmt dabei Ihr Arbeitgeber, der deutsche Chemiekonzern BASF?

Blüthner: BASF stellt die Vitamine her und bürgt für die Kompetenz, dass diese auch die Endkonsumenten erreichen und nicht vorher schon zerfallen. Wir vermitteln auch das technische Know-How, um die nationalen Mehl- oder Speiseölhersteller beraten zu können, damit diese die Anreicherung in ausreichender Qualität durchführen. Zudem braucht es öffentliche und NGO-Partner, die Aufklärungs- und Werbekampagnen durchführen. Und schließlich, nicht zu vergessen, die großen Geldgeber, von der Weltbank bis zur Bill Gates-Foundation, die den Regierungen dafür finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen.

Die Furche: Und das Geschäft für BASF?

Blüthner: Wir haben natürlich auch ein Geschäftsinteresse daran. Wichtig ist für BASF die Langfristigkeit des Engagements und die Skalierbarkeit. Das heißt, wenn man in einem Land messbar Erfolg hat, wird man auch von woanders angefragt. Am Ende des Tages wollen wir die Vitamine nicht verschenken. Sonst würden wir als Wirtschaftsunternehmen nicht nachhaltig agieren.

Die Furche: Damit werden aber dann doch neue Abhängigkeiten geschaffen.

Blüthner: Die Leute haben vorher Kassava-Mehl gegessen und essen weiterhin Kassava-Mehl. Die Abhängigkeit ist sehr gering, denn bis auf diese paar Mikrogramm an Vitaminen wird ja das Grundnahrungsmittel weiterhin in dem jeweiligen Land hergestellt. Das ist nicht zu vergleichen mit der viel kritisierten Nahrungsmittelhilfe, mit der lokale Strukturen zerstört werden. Bei der Nahrungsmittelergänzung geht es vor allem um Mischprozesse, die vor Ort gut machbar sind.

Die Furche: Wie kommt die Wirkung an?

Blüthner: Es gibt viele Studien zu diesem Bereich und Kontrollen, ob zum Beispiel im Nordosten des Sudan auch wirklich die versprochenen Stoffe im Mehl drin sind. In Zentralamerika sieht man z. B., dass durch Anreicherung des Zuckers der Vitamin-A-Mangel unter Kontrolle ist. Was früher über Kapseln und aufwändige Gesundheitstage geschehen ist, diese Vitamin-Versorgung erledigt heute der Zuckermarkt.

Die Furche: Vergleichbar der bei uns praktizierten Anreicherung von Salz mit Jod.

Blüthner: Ja, die Salzanreicherungsprogramme sind die erfolgreichsten und in vielen dieser Länder auch die Vorreiter.

Die Furche: Zuletzt, um wie viel teurer macht die Anreicherung diese Nahrungsmittel?

Blüthner: Die Kosten für ein Speiseöl mit Vitamin A steigen um 0,1 bis 0,2 Prozent, da fehlt oft die Währungseinheit, um den Preis zu erhöhen, so wenig ist das.

Info: www.micronutrientforum.org

* Das Gespräch führte Wolfgang Machreich

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