"Geld haben heute die Leute von gestern"

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Der Schriftsteller und Regisseur Zarko Petan, 72 Jahre alt, war nach der Wende Direktor des Slowenischen Rundfunks. Bekannt wurde er mit seinen satirischen Aphorismen, wie "Mit leerem Kopf nickt es sich leichter", oder "Viele Herren von heute waren gestern noch Genossen". Im letzten Jahr erschien seine Lebenserzählung: "Über den Rand der Welt" (Siehe auch furche 3/2001).

die furche: Was hat sich in der letzten Dekade in ihrem Land verändert?

Zarko Petan: Die Freiheit bei uns ist eine scheinbare. Wir dürfen zwar schimpfen, soviel wir wollen, aber das bringt keine positiven Veränderungen mit sich. Es ändert sich einfach nichts an der alten Ordnung. Die neue Generation tritt in die Fußstapfen ihrer Väter. Die Kommunisten haben ihre Kinder ins Ausland geschickt, damit sie eine bessere Bildung erlangen. Und heute sind diese ausgebildeten Kinder zurückgekehrt und an der Macht. Sie haben die Verbindungen zur alten Generation, zur Generation ihrer Eltern bewahrt. Deshalb kann sich bei uns auch nichts ändern. Ich habe nie die Möglichkeit gehabt, im Ausland ein Stipendium zu bekommen und auch meine Tochter nicht. Deshalb sind wir heute benachteiligt.

die furche: Thema Vergangenheitsbewältigung: Wie steht es um die Entschädigungen derer, die zur Zeit des Kommunismus verfolgt wurden?

Petan: Viele Menschen, die damals im Zuchthaus waren, haben immer noch keine Entschädigung bekommen. Ich selbst bin unschuldig eineinhalb Jahre im Zuchthaus gesessen. Entschädigung habe ich dafür bis heute keine bekommen. Das Parlament hat bis jetzt noch nicht feststellen können, wie viele Menschen es gibt, denen eine Entschädigung zusteht. Die älteren Menschen unter ihnen sterben. Aber es heißt bei uns, dass das Parlament gerade darauf wartet.

Ein weiteres Problem betrifft die Geschichtsbücher. Die Kommunisten haben die Geschichte gefälscht und unsere heutige Jugend lernt immer noch gefälschte Fakten. Warum dauert der Prozess der Umstellung auf neue Geschichtsbücher so lange? Die Autoren der gefälschten Geschichte leben immer noch und bekleiden hohe Positionen, und sie sorgen dafür, dass die Änderungen in den Geschichtsbüchern nur langsam vor sich gehen. Dieses Problem betrifft auch die Literatur und die Kunst.

die furche: Hat sich die Situation der Schriftsteller geändert. Können Sie heute mehr und leichter publizieren?

Petan: In den siebziger und achtziger Jahren habe ich in der größten Zeitung, Delo, meine Werke veröffentlicht. Dabei habe ich immer kritisch geschrieben, doch es entstanden deswegen keine Probleme für mich. Ein Redakteur hat zensuriert und vielleicht einige Aphorismen gestrichen, aber das meiste konnte ich durchsetzen. Heutzutage kann ich dort nichts mehr publizieren. Delo ist für mich zugesperrt. Und auch in anderen Medien ist es nicht viel besser.

In den achtziger Jahren hatte ich mehr Freiheit, denn der Kommunismus war liberaler geworden. Die neue Demokratie von heute ist nicht so liberal, und die privaten Interessen sind sehr stark. Es kommt zu einer Kombination von privaten Interessen und den Interessen der politischen Parteien. Und das ergibt eine neue Art des Denkens, die noch schlimmer ist als früher. Auch in anderen postkommunistischen Staaten ist die Situation ähnlich. Das liegt vielleicht daran, dass der Kommunismus nicht über Nacht verschwunden ist. Dass dauert mehr als zehn Jahre.

die furche: Im Ausland sind Sie eine bekannte und geehrte Persönlichkeit. Wird Ihr Wort auch in Ihrer Heimat Slowenien gehört?

Petan: Was das anbelangt, so habe ich im Ausland an die 40 Preise bekommen - darunter in Österreich das Kreuz für Wissenschaft und Kunst. In Slowenien hingegen habe ich in den letzten 20 Jahren überhaupt keinen Preis erhalten. In den achtziger Jahren konnte ich viele Bücher herausbringen, heute nicht mehr. Das Ganze ist jetzt eine Frage des Geldes geworden. Also ökonomisch geht es mir jetzt viel schlechter als früher. Geld haben heutzutage nur die Leute von gestern.

Das Gespräch führte Georg Motylewicz.

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