6659008-1959_46_09.jpg
Digital In Arbeit

Geleitwort

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn der Film nichts anderes wäre als ein billiges Unterhaltungsmittel für die Massen oder allenfalls ein mehr oder minder gut gehendes Geschäft — und diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man das Publikum aus den Kinosälen strömen sieht —, dann wäre er die Anstrengungen nicht wert, die seinetwegen gemacht werden. Dann müßten sich nicht Päpste und Bischöfe mit ihm auseinandersetzen und ganze Organisationen sich um seine geistige Bewältigung bemühen. Weil er jedoch mehr ist, weil er eine geheimnisvolle, aber sicher wirkende Macht darstellt, die Leben und Charakter mitbestimmt, darum ist er für uns zur Aufgabe geworden; darum suchen wir ihn mit seinen Wirkungsweisen immer genauer zu erkennen, mit seinen Problemen zu erfassen und mit seinen Möglichkeiten richtig zu gebrauchen.

Unter den vielen Einflüssen, die auf den heutigen Menschen von seiner Umwelt her eindringen, gehört der Film sicher zu den stärksten. Er wirkt auf Vorstellung und Phantasie, auf Verstand und Gemüt, auf Urteil und Willen und trägt so zur Formung des Charakters einen guten Teil bei. Vor allem der junge Mensch, der im Stadium seiner körperlichen und geistigen Entwicklung besonders beeinflußbar ist, wird in seinem Charakter von jenen Werten mitgeprägt, die ihm der Film mit der ganzen Bildhaftigkeit und scheinbaren Wirklichkeit seines Geschehens als erstrebenswert vor die Seele stellt. Der Film, der den Anspruch erhebt. Ab-' bild des Lebens zu sein und die Wirklichkeit in' Ihrer ganzen FülU: darzustellen, ist ’für1 vielef schon zur Lebensschule geworden. ‘Er liefert die Vorbild'dP" und Mblei - nädf denen ''der 3 jtftiįey Mensch sucht und an deren Verhalten er sein eigenes Handeln ausrichtet.

Es kann uns daher nicht gleichgültig sein, welches Bild vom Menschen und welche Anschauung von Welt und Gott durch den Film an die Jugendlichen herangebracht wird. Was ihren Charakter negativ beeinflussen könnte, das müssen wir von ihnen fernhalten. Wir versuchen es durch die in ihrer bisherigen Anwendung so problematische Maßnahme des sogenannten Jugendverbotes. In einigen unserer Bundesländer soll in der nächsten Zeit ein neues Kinogesetz beschlossen werden. Einer der umstrittenen Punkte ist die Frage, ob die Altersgrenze für die Jugendeignung bei 16 Jahren gerechtfertigt ist oder ob sie nicht auf 18 Jahre hinaufgeschoben werden müßte. Es handelt sich gerade bei dieser Altersstufe um ein sehr kinofreudiges Publikum; aber wo es um den Schutz der Jugend geht, darf nicht das Geschäft ausschlaggebend sein, sondern die Verantwortung für jene, die man gewiß noch nicht zu den erwachsenen, rdtfen und kritikfähigen Menschen zählen kann, und für die daher noch wir einen Teil der Entscheidung zu treffen haben. Mit Gleichgültigkeit und laxem Gewährenlassen erweisen wir ihnen einen schlechten Dienst, für den sie uns später nicht dankbar sein werden.

Wie sich der Charakter des Menschen am Film einerseits formt, so offenbart er sich auch an ihm. Kinosüchtigkeit bedeutet Hemmungslosigkeit und Willensschwäche; besondere Anfälligkeit für die negativen Wirkungen des Films verrät einen labilen Charakter; völlige Ablehnung spricht von Gedankenlosigkeit; Gleichgültigkeit offenbart die eigene Bequemlichkeit und die Scheu vor der Verantwortung. Wir dürfen nicht mehr so tun, als gäbe es den Film und seine Probleme nicht. Vielmehr müssen wir uns zu einer Haltung erziehen, die von christlichem Verantwortungsbewußtsein für uns selbst und für die anderen getragen ist.

Hier liegt auch der Grund, warum die Kirche die Sorge um den Film so ernst nimmt, warum sie so oft zu ihm das Wort ergreift und dieses Anliegen immer wieder in den Vordergrund rückt, wie es auch durch den II. Katholischen Filmsonntag geschieht, der auf Anordnung der Bischöfe in allen österreichischen Diözesen am 15. November d. J. wieder begangen wird. Er steht heuer unter dem Gedanken „Gott sieht auch, welchen Film du wählst und soll bei Publikum und Veranstaltern die Verantwortung um den Film wecken helfen.

Die Kirche warnt nicht nur, sie bietet Hilfe und Führung und fördert das Gute, wo immer es aufscheint, auch auf dem Gebiete des Films. Zum sechstenmal findet heuer in Wien die Internationale Festwoche des religiösen Films statt, auf der Spitzenprodukte dieser Gattung aus der ganzen Welt einem breiten Publikum gezeigt und zur Diskussion gestellt werden sollen. Wenn es auch ein Wagnis ist, das nur selten ganz gelingt, religiöse Probleme zum Thema eines Films zu machen, so ist es noch viel gefährlicher, die Welt der Religion aus diesem Bereich auszuschließen. Zur ganzen Wirklichkeit des Lebens gehört auch das Geöffnetsein des Menschen für Gott, gehört nicht nur die Sünde, sondern auch die Gnade, und die größten Auseinandersetzungen vollziehen sich im Gewissen des Menschen. Der Film geht an der Wirklichkeit vorbei, wenn er sich nach oben hin verschließt oder wenn er die Religion zum Aufputz erniedrigt. Wenn er sie aber ernst nimmt, kann er dadurch nicht verlieren, sondern nur gewinnen.

So wünsche ich denn, daß den beiden Veranstaltungen, um die sich viele Menschen in apostolischer Gesinnung bemühen, der beste Erfolg beschieden sei. Mögen sie dazu beitragen, eine Erfindung von so gewaltiger Spannweite mit christlichem Geiste zu erfüllen, mit dem Geiste der Ehrfurcht vor Gott, der Verantwortung für den Menschen und der Liebe zum Guten, Schönen und Wahren.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung