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Gemeinsame Kluft

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Die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung, die von 23. bis 29. Juni in Graz stattfindet, ist unter das Thema „Versöhnung - Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens" gestellt. Um die Versöhnung der Kirchen untereinander wird seit Jahrzehnten gerungen.

1989 gab es in Rasel zum ersten Mal in der Geschichte Europas eine Veranstaltung dieser Größenordnung. Der katholische Bischof von Basel, Kurt Koch, bezeichnete in einem Interview die Kirchentrennung als „zutiefst anormale Situation des Christentums".

Darüber hinaus gilt es zu beachten, daß etwa dogmatische Lehraussagen nicht nur Klüfte zwischen den verschiedenen Kirchen aufreißen. Auch innerhalb der jeweiligen Kirchen gibt es eine Trennung, die wiederum vielen Kirchen als (einigendes?) Merkmal gemeinsam ist: die Kluft zwischen Mann und Frau.

Mann und Frau haben zwar als Geschöpfe Gottes den gleichen Wert, werden aber nicht gleich(wertig) behandelt und dürfen nicht das Gleiche wollen. „Noch immer sind Kirchen und Gesellschaft auf den Mann hin ausgerichtet. Die Versöhnung der Kirchen mit den Frauen ist durchwegs noch zu leisten", bringt es Sylvia Reitbauer, die Koordinatorin des Frauenprogramms in Graz, auf den Punkt. Anknüpfend an die Erste Europäische Frauensynode, die im Juli 1996 in Gmunden für einige Aufregung sorgte, will man den dort begonnenen „Prozeß" in Graz weiterführen. Dafür wurde ein eigenes Frauenprogramm entworfen. Dieses ist - darauf legen die Veranstalterinnen wert - eingebettet in die verschiedensten Aktivitäten der ökumenischen Frauenbewegung in ganz Europa. Vorträge, Workshops, interreligiöse Dialogrunden stehen - ähnlich wie bei der Frauensynode in Gmunden - auf der Tagesordnung. Zum aktuellen Thema „Versöhnung" erklärt die Koordinatorin des Frauenprogramms: „Voraussetzung für Versöhnung ist allerdings in jedem Fall Gerechtigkeit, und diese Gerechtigkeit einzufordern muß weiterhin eine der vordringlichsten Aufgaben von uns Frauen sein." Die Frauen selbst wollen dazu einen ersten Schritt setzen, so sind zum Beispiel Gespräche zwischen Jüdinnen und Palästinenserinnen geplant. Versöhnungsarbeit wollen auch die „Frauen in Schwarz" aus den verschiedenen Ländern Ex-Jugoslawiens leisten. Sie werden von ihrem „Kampf" gegen den Krieg und ihren Strategien des Widerstands berichten. Außerdem stellen sie verschiedene Projekte des Wiederaufbaus in ihren Heimatländern vor.

Auch eine muslimische Theologin mit spezieller psychologischer Ausbildung wird in Graz dabei sein: Sabiha Haskic ist Mitarbeiterin im bosnischen Frauenprojekt „Medica Zeni-ca". Sie betreut vor allem gläubige muslimische Frauen, die von sexueller Gewalt betroffen sind und die sich nur schwer anderen, nicht religiös orientierten Psychologinnen öffnen können. Haskic wird über ihre Erfahrungen mit bosnischen Frauen erzählen, denen in den letzten Jahren Gewalt angetan wurde.

Weiters wird es ein Podiumsgespräch zum Thema: „Wie gehen die Kirchen mit den Frauen um?" geben. Eine vertraute Frage, die anscheinend nicht an Aktualität verliert und deshalb immer wieder gestellt werden muß. Als Diskussionsteilnehmerin steht unter anderen Martha Heizer, Mitinitiatorin des österreichischen Kirchenvolks-Begeh-rens, auf der Bühne Rede . und Antwort.

Die „Weiberwirtschaft", ein feministisches Wirtschaftskonzept, wird von Ina Präto-rius aus der Schweiz vorgestellt. Besucherinnen der Frauensynode in Gmunden wissen allerdings, daß der negativ besetzte Begriff „Weiberwirtschaft" mehr die Funktion eines Beizwortes hat, dahinter verbirgt sich ein durchaus vernünftiges ökonomisches Konzept aus Frauensicht (FlJRCHE 31/1996).

Gedanken zu „10 Jahre(n) Tschernobyl" werden von Frauen aus Weißrußland vorgebracht. Angekündigt ist auch ein Vortrag der bekannten amerikanischen Theologin Bose-mary Badford Buether. Buether lehrt am theologischen Seminar in Evans-ton im Bundesstaat und kann als eine der „Mütter" der feministischen Theologie bezeichnet werden. In Graz wird sie über Umkehr und Versöhnung aus feministisch-befreiungstheologischer Sicht sprechen. Die Theologin betont dabei, „daß es einer grundlegenden Umkehr aus einer Situation der Ungerechtigkeit und einer neuen Grundlage für Beziehungen bedarf, wenn Versöhnung nicht zur Kapitulation der Schwächeren vor den Stärkeren werden soll".

Der Großteil der Veranstaltungen des eben vorgestellten Frauenprogramms wird im „Frauenzentrum" bei der Heilandskirche in Graz statt finden, in der Innenstadt soll es ein „Frauenfest" geben und auch am Messegelände in der Halle 12 wird Programm geboten. Alle „Frauen auf dem Weg nach Graz 1997" - so das Motto - erwartet in der Steiermark also ein reichhaltiges Angebot.

„Versöhnung" tut in jeder Hinsicht not, ob und wie die Zweite Ökumenische Versammlung dazu wirklich einen Beitrag leisten kann, wird sich zeigen. Versöhnung braucht konkrete Bedingungen: sie kann auch Verzicht auf eine Vormachtstellung bedeuten oder die (wiederholte) Forderung •nach einer Änderung bestimmter Lehraussagen, zum Beispiel in der römisch-katholischen Kirche nach sich ziehen (Primat des Papstes, Amtsverständnis generell). Hier Einigung zu erzielen ist -wie die Geschichte der Ökumene zeigt - ein schwieriges Unternehmen. Daß die versöhnten, geschwisterlichen christlichen Kirchen eineUtopiesind, von der noch immer viele Männer und Frauen träumen, davon sind die Veranstalterinnen überzeugt. Um dieser Vision gemeinsam näher zu kommen, treffen sich Frauen und Männer - so hofft man - aus ganz Europa heuer in Graz.

Nähere Informationen über die Frauenveranstaltungen erteilt Mag. Sylvia Reitbauer im Lokalsekretariat der Europäischen Ökumenischen Versammlung, A-8010 Graz, Hauptplatz 3JIII, Tel 0)16-820061, Fax 8200614, e-maih lokalsekretariat@maiLstyria.co.at

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