"Geschenk des Himmels"

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Seit 55 Jahren, seit Dezember 1945 bricht die furche auf. Kein rundes Jubiläum, dennoch ein Anlass, zwei Leser der Zeitung nach ihrer Meinung zum Blatt zu befragen. Stellvertretend für die große Bandbreite antworten die jüngste Abonnentin und der treueste Leser. .

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Seit 55 Jahren, seit Dezember 1945 bricht die furche auf. Kein rundes Jubiläum, dennoch ein Anlass, zwei Leser der Zeitung nach ihrer Meinung zum Blatt zu befragen. Stellvertretend für die große Bandbreite antworten die jüngste Abonnentin und der treueste Leser. .

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die furche: Herr Mach, wie sind Sie vor mittlerweile 55 Jahren auf die Furche aufmerksam geworden?

Karl Mach: Es war ja so, dass ich als Kriegsheimkehrer noch ganz ausgepumpt und seelisch schwer belastet war. Nach den vielen grauenhaften Erlebnissen, den persönlichen Belastungen die dieser Wahnsinn mit sich gebracht hat, galt es nun wieder, in das normale Leben zurückzufinden. Der geistige Hunger hat mich veranlasst, nach einem Ausgleich zu suchen, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Da empfand ich diese Wochenzeitung als Geschenk des Himmels. Ein katholisches Blatt, das die große Lücke nach einer Zeit der Diktatur von solch fürchterlichem Ausmaß und katatrophalen Folgen überwinden helfen soll. Ein Schritt in eine neue zukunftsverheißene Zeit.

die furche: Und was hat Sie dann veranlasst, diesem Blatt solange die Treue zu halten?

Mach: Durch die furche habe ich ein Fundament gefunden, auf dem ich fest stehen konnte. Hinzu kommt, dass mir die furche eine Bildungshilfe ersten Ranges war. Sie müssen bedenken, dass ich nur die Grundschule, Volks- und Hauptschule und eine zweiklassige Wirtschaftsschule besuchte. Am Beginn habe ich beim Lesen neben mir das Fremdwörterbuch liegen gehabt. Die Zeitung war mir wie ein Lehrer. Und für mich steht fest, solange ich lebe und geistig aufnahmefähig bin, wird die furche mein Leibblatt bleiben.

die furche: Wie hat sich die furche über die Jahrzehnte hin verändert?

Mach: Gewiss, sie hat sich verändert. Es haben sich inzwischen ja auch die Redakteure verändert. Eine neue Generation ist herangewachsen. Die furche ist nicht besser oder schlechter, sie ist nur zeitgemäßer geworden. Ein Christ braucht heute eine zeitgemäße Sprache, um mit den anderen in Verbindung bleiben zu können. Dafür ist mir die furche eine prachtvolle Hilfe.

die furche: Wie würden Sie jungen Menschen - sagen wir Ihren vier Enkelkindern - die furche beschreiben? Wofür steht diese Zeitung?

Mach: Die furche geht in ihrer ganzen Betrachtung tiefer. Was sind die Hintergründe, wo liegen die Ursachen, danach fragt die furche. Sie ist kritisch, Gottseidank. Sie bietet eigene Gedanken, und sie lässt viele zu Wort kommen. Und das in einer Sprache, für die man sich nicht genieren muss. Wir leben doch in einem Kulturstaat, da sollen wir keine Räuberromantik aufkommen lassen. Ein jeder kann sich in der Bandbreite der furche dann heraussuchen, was er oder sie für richtig oder weniger richtig hält. Diese Freiheit zu geben, ist wichtig. Das ist ja auch die Freiheit des Christen. Nicht alles was der Gegner tut oder sagt, muss von vornherein falsch sein.

die furche: Wie sehen Sie die Position der furche in religiösen und kirchlichen Fragen?

Mach: Es gefällt mir, dass auch in religiösen Fragen die Laien mehr zu Wort kommen, was gewissen engstirnigen Kreisen nicht passt. Und die furche bringt nicht nur die katholische Seite. Ich will mich nicht gegen die Kirche wenden, aber selbst in der Kirchenführung sind nur Menschen. Und da ist nicht jeder unfehlbar. Ich erinnere an Kardinal Newman, der einmal gesagt hat: "Wo soll die Christenheit in der modernen Zeit hinkommen, wenn sie die religiös lebendigen Laien möglichst auszuschalten versucht? Sie würde bald nur noch einer Schar von Offizieren ohne Soldaten gleichen, und so hat man noch nie eine Schlacht gewonnen."

Empfehlen würde ich, noch viel mehr die Intention der Bergpredigt in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist das Wesen des Christentums. Aber die meisten haben Angst, das kann man sowieso nicht leben. Aber man soll es wenigstens versuchen.

Die Gespräche führte Wolfgang Machreich.

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