Reza Aslan gelingt in "Kein Gott außer Gott" eine packend geschriebene Einführung in den Islam - aus dem Blickwinkel eines liberalen Muslimen, der seiner Religion kritische Fragen nicht erspart.
Es gibt sie, die gemäßigten und - mit der westlichen Kultur - dialogfähigen Muslime. Nicht nur die jüngsten Auseinandersetzungen um die Regensburger Papstrede lassen viele im Westen ratlos und über die Motive, Vorgänge, Möglichkeiten des Islam im Unklaren zurück. Eine muslimische Darstellung des Islam, die eben aber auch der Westen zu verstehen imstande ist, gehört zu den dringend notwendigen Utensilien gegenwärtiger Zeitgenossenschaft, und ist - trotz zahlreich aufgelegter Publikationen - nicht leicht zu bekommen.
Reza Aslans Buch "Kein Gott außer Gott" erfüllt oben genannte Ansprüche in fast idealtypischer Weise - und gehört zu den erfreulichen Neuerscheinungen dieses Herbstes. Aslan, gebürtiger Iraner und Islamwissenschafter an der University of California, ist nicht nur als Muslim und Islamkundiger ein kompetenter Auskunftgeber, sondern er kann die Komplexität von Entstehung, Praxis, Politik und Problematik des Islam auch als durch und durch packender Schreiber nahebringen.
Für die Vermittlung Religion spielt das Erzählen eine markante Rolle; das gilt auch für die Auseinandersetzung von Nichtmuslimen mit der Religion, deren zentraler Satz "Es gibt keinen Gott außer Gott, und Muhammad ist der Gesandte Gottes" so einprägsam wie für Unkundige fremd scheint. Wie aus dem Mekkaner im 7. Jahrhundert der Begründer der heute zweitgrößten Weltreligion wurde, erzählt Aslan in kunstvoll komponierten Geschichten, die - trotz der Materie - ein wirkliches Lesevergügen darstellt.
Gleichzeitig ist der Exil-Iraner ein Kind der westlich-pluralistischen Demokratie und geht mit den Augen eines aufgeklärten Zeitgenossen an den Islam heran: Er scheut sich also ebenso wenig, an den Koran seinen Lesern auch mit Mitteln einer historisch-kritischen Exegese nahezubringen, wie er den allzu starren religiösen Rigorismus, der den Islam in seinen vielen Spielarten heute theologisch beherrscht, in Frage stellt.
Natürlich ist diese, für westliche Augen und Ohren wohltuende Auseinandersetzung gleichzeitig auch die Schwäche des Unterfangens, denn Aslans "liberaler" Zugang zum Islam ist zur Zeit zweifelsohne nicht konsensfähig unter den Ulama, den Rechtsgelehrten, deren faktisch politische Herrschaft vom Iran bis Saudiarabien Aslan engagiert kritisiert. Aber in den USA wie in Europa kann dieses Konglomerat aus Geschichts-und Geschichtenbuch mehr Verständnis wecken, als systematischere, aber ungleich schwerer lesbare Lektüre. Otto Friedrich
KEIN GOTT AUSSER GOTT - Der Glaube der Muslime von Muhammad bis zur Gegenwart. Von Reza Aslan. Aus dem Engl. von Rita Seuß. C.H.Beck Verlag, München 2006. 335 S., geb. e 25,60
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