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Gesetze um der Menschen willen

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Erzbischof Schönborn hat einen Administrator zweier Pfarren seines Amtes enthoben. Grund: „Dissens mit dem Erzbischof in einer grundlegenden Thematik”. Die grundlegende Thematik: Er wollte Homosexuellen einen Kirchenraum für Gottesdienste zur Verfügung stellen.

Lassen wir einmal die Bewertung dieses konkreten Vorgehens völlig außer acht. Obwohl immer mehr Wissenschafter von der sittlichen Würde jedweder sexueller Orientierung eigenverantwortlicher Menschen sprechen und der neue katholische Weltkatechismus einräumt, daß „eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen diese Veranlagung nicht selbst gewählt hat” (2358), hält das kirchliche Lehramt daran fest, daß solchen Menschen die Ausübung ihrer homophilen Neigung verboten bleibt.

Wahr ist, daß die Bibel Homosexualität deutlich verurteilt. Wahr ist freilich auch, daß das moralische Urteil jener Zeit von heidnischen Götzenkulten und der Verführung von Lustknaben geprägt war. Und wahr ist ebenso, daß die Verstärkung der kirchlichen Abscheu vor Homosexualität durch eine Kirchenväter-Tradition genährt wurde, die Geschlechtslust ausschließlich um der Zeugung willen hinnahm, ansonsten aber verurteilte - trotz Vaticanum II bis heute: Das lächerliche, offiziell aber noch immer geltende Selbstbefriedigungsverbot hat damit ebenso zu tun wie der Eiertanz rund um die Empfängnisregelung.

Da gibt es nun ein aufregendes neues Buch, das den ganzen Fragenkomplex vom Grundsätzlichen her aufrollt: „Was Jesus nicht wollte” (Edition Va Be-ne). Albert van Gansewinkel SVD, dem der bekannte katholische Schriftsteller Josef Dimbeck seine Formulierkunst lieh, vertritt darin die grundlegende These: Die von Jesus verkündeten Gesetze Gottes sind - wie der Sabbat - nicht um abstrakter Prinzipien, sondern um der Menschen willen da. Sie schützen nicht Gehorsam, Leben, Wahrheit oder Besitz, sondern Eltern, Kinder, Gewaltbedrohte, Ehepartner und rechtmäßige Besitzer - Menschen aus Fleisch und Blut.

Die Schlüsse, zu denen Gansewinkel kommt (ein heute 94jähriger Ordensmann, der 30 Jahre als Missionar arbeitete, dann Professor für Dogmatik, Psychologie, Ethik und Pastoraltheologie und niemals Kirchenrevoluzzer war), sind spektakulär: Sexualität, Ehe, Scheidung, Wiederverheiratung, Zölibat, Todesstrafe, aber auch das Wesen des Opfertodes Christi, Wandlung und Beichte sind davon wesentlich betroffen.

Gansewinkels Argumentationslinie: In der Bibel ist vieles anders gemeint, als es in der 1.600 Jahre alten lateinischen „Vulgata” -Übersetzung herausgekommen ist. Ob das stimmt, müssen Sprach- und Bibelwissenschafter beurteilen. Das Buch totschweigen zu wollen, wäre aber sehr verräterisch.

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