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Gibt es Laien?

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Allgemein teilt man die Kirche in drei „Stände“: Kleriker, Religiösen, Laden. Das sagt allerdings sehr wenig ober die Laien aus; sie erhalten weder eine juristische Position in der Kirche (nur das Recht, Sakramente zu verlangen) noch werden sie positiv beschrieben; sie sind weder Kleriker noch Religiösen. Gewiß beziehen sich Ehe- und Patronats--recht faktisch auf Laien (da die Kleriker zum Zölibat verpflichtet sind), aber von positiven Funktionen der Laien in , Gemeinde, Diözese, Gesamtkirche und im Dienst der Kirche an der Welt ist keine Rede. So wird im wesentlichen und im .Grund das Recht einer klerikalen Gesellschaft dargestellt, um so mehr, als die männlichen Religiösen zum aller? größten Teil Priester sind und den weiblichen Religiösen zwar eine interne juristische Ordnung gegeben wird, sie aber keinerlei Funktion für die Gesamtkirche und in deren Ämtern auszuüben haben. Ein nicht sehr belangvolles Stück Laienrecht ist ferner im kirchlichen „Vereinsrecht“ verborgen, und vielleicht erhält dieser Abschnitt noch einmal Bedeutung, wenn in den piae unio-nes ordensähnliche Bewegungen auftauchen, die dann faktisch in der Kirche eine mächtige Rolle spielen könnten. Die Katholische Aktion ist in den Codex noch nicht eingegangen.

Aber vielleicht weist dieser Tatbestand auf eine wichtige Tatsache hin: Die Kirche wird aus „Laien“ gebildet; sie stellen nicht nur die allergrößte Zahl der Kirchenglieder; um ihretwillen sind die klerikalen Funktionen da, nicht umgekehrt. Die Kleriker müssen deshalb in ihren Rechten und Funktionen beschrieben werden, weil sie das Außerordentliche sind; spezielle Dienstfunktionen am gesamten Leib der Kirche, deren Aufgaben und Rechte genau abgegrenzt werden müssen. Die Kleriker selbst basieren auf dem „Laikat“, wenn es so einfach als Christenstand beschrieben wird. Sie sind Christen wie die übrigen, nur Christen mit spezifischer Funktion. Das heißt nicht, daß sie allein Funktionen für die Kirche auszuüben vermögen. Jeder Christ hat seine Funktion für das Ganze, und es gibt innerhalb des „Laikates“ Gruppen von „Funktionären“ für die Kirche. Paulus nennt einige (1 K 12). Da gibt es „Lehrer“, „Propheten“, „Apostel“, Hermeneuten“; sie alle wirken aus dem einen und selben Heiligen Geist. Nicht alle Funktionen in der Kirche, für die Kirche sind durch „Weihen“ charakterisiert; aber alle basieren auf einer Teilnahme an den Aufträgen und Charakterisierungen Christi, Seinen „Ämtern“ (Herr, Priester, Prophet, Apostel, Hirte usw.).

Die Priester und Diakone haben bestimmte Funktionen, die „Laien als Laien“ nicht, sie sind die Christen einfachhin,' deren zeitlich begrenzten oder dauernden Funktionen im Rahmen des kirchlichen Ganzen individuell oder gruppenmäßig erst umschrieben werden müssen. Priester sind Christen mit einer bestimmten Weihefunktion. Es gibt aber auch Gruppen von Christen, die keiner Weihe bedürfen, jedoch eine spezifische, sogar wichtige kirchliche Funktion ausüben: die Theologen etwa, ohne sie keine Verkündigung, ohne sie kein offizielles kirchliches „Lehramt“ der Bischöfe und Päpste.

Der Begriff „Klerus“ ist ebenso obsolet geworden wie der Begriff „Laienschaft“. Es gibt Kleriker (auch Priester-Religiösen), die weltliche Berufe ausüben (Physikprofessoren an Knabenseminaren und Stiftegyminaisien); es gibt „Laien“, die ganz „geistlich“ tätig sind (Religionslehrer); es gibt nicht zölibatär lebende Diakone und wird in Zukunft nebenamtliche oder ehrenamtliche Priester geben, die in der Ehe leben. Es gibt „Laien“, die in der „Welt“ leben, ganz im kirchlichen Dienst (etwa im Bildungswesen) tätig sind, und bewußt „um des Himmelreiches willen“ unverheiratet bleiben; es gibt ungezählte Frauen, die der Kirche unersetzliche Dienste leisten und unverheiratet sind; manche sind sogar konstitutionell kirchlich gebunden (Seelsorgehelferinnen). Weder die Ehe noch der weltliche Beruf konstituieren den Laien oder ein Laikat; weder der Zölibat noch der ausschließliche kirchliche Dienst den Kleriker. Die alten „Standes“-Begriffe sind also aufzulassen.

Es gibt gemeindliche, kirchliche Funktionen, die zu „Berufen“ werden können. (Vorsteher einer Gemeinde, Theologe z. B.); es gibt Funktionen, denen von Tradition oder Stiftung aus eine sakramentale Weihe zukommt (Episkopat, Presby-terat), aber nicht alle dirigierenden oder kirchlichen Funktionen bedürfen einer „Weihe“ (man hat alle altkirchlichen Ostiarier längst durch den Mesner, den Akolybhen durch den Ministranten ersetzt, und der Lector äst längst ein „Laie“). Weihen sollen nur mit Dauerfunktionen verbunden werden, wobei „Dauer“ trotzdem ein relativer Begriff bleibt (der Vatikan legt den Bischöfen nahe, mit 75 Jahren aus ihrem Amt zu scheiden). Kultfunktionen und juris-diktionelle sind nicht immer notwendig verklammert (der Papst ist, was seine Kultfunktion betrifft, ein Bischof, Priester müssen nicht Pfarrer sein, der Generalvikar kann ein einfacher Priester sein). Die Kleriker bilden ebensowenig einen „Stand“ wie die „Laien“. Die Kirche zerfällt nicht in zwei Gruppen: eine dirigierende und eine dirigierte. Abgesehen vom Dienst- und Brüderlichkeitscharakter jedes Vorsteher-, jedes „Ältestenamtes“ (prebyteroi!) schafft die dirigierende Aufgabe in der Kirche nur einen von mehreren soziologischen Einteilungsgründen. Nicht alle Funktionen in der Kirche stehen ' einem Nichtordinierten zur Verfügung; dirigierende, kultische, theologische' und sonstige spirituelle Funktionen durchdringen, überdek-ken und durchkreuzen einander. Es gibt keinen qualitativen öder estima-tlven Vorrang der dirigierenden Funktionen und in diesem Sinn auch keine „Hierarchie“, abgesehen von der unevangelischen Vokabel „Herrschaft“; was den Vorstehern, den „Wächtern“ (episkopoi) etwa, an Respekt gebührt, das schuldet das Vorstehamt seinerseits wieder den „Propheten“, den „Asketen“, den „Lehrern“ (Theologen).

Es gibt aber keine Funktion in der Kirche, die rein juristischer und nicht spiritueller Art wäre; die „Charismatiker“ dürfen nicht . in Gegensatz zu den „Vorstehern“ gebracht werden. Die kirchliche. Soziologie ist in vollem Fluß. Die , kirchlichen Funktionen selbst, die sie beschreibt und deutet, desgleichen. Eines aber scheint geklärt; es gibt weder Klassen noch „Stände“, in der Kirche; es gibt funktionelle Gruppen, die mehr oder minder Kontakt und Zusammenhang besitzen. Die Kirche ist das Pleroma Christi: die Fülle des Geistes spiegelt sich in der Pluralität ihrer Funktionen, aber auch der Charakter des Geistes: als Liebe, als Einheit, als Kommunikation. Die Frage nach dem „Laienrecht“ weicht der nach dem christlichen Subjekt in der Kirche. Laie ist weder ein kirchlicher Beruf noch eine bestimmte Funktion noch ein Stand noch eine bestimmte Aufgabe in der Welt. Laie ist der Christ, in Potenz zu den verschiedenen Funktionen, je nach seinem Charisma und nach dem Auftrag der Gemeinde.

(Erschienen in „Afcademikerseelsorige“, Heft Nr. 3/66.)

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