Becciu - © APA / AFP / Andreas Solaro

Giovanni Angelo Becciu: Der Fall eines Kardinals

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Einst war Giovanni Angelo Becciu, 72, einer der mächtigsten Männer der Kurie. Aber auch in dubiose Geschäfte verstrickt.

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Einst war Giovanni Angelo Becciu, 72, einer der mächtigsten Männer der Kurie. Aber auch in dubiose Geschäfte verstrickt.

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Der Vorgang ist bislang beispiellos: Letzten Donnerstagabend verkündete ein vatikanisches Presse-Kommuniqué in dürren Worten, dass Giovanni Angelo Becciu (Bild oben), seit 2018 Kardinal und Präfekt der Heiligsprechungskongregation, als ebendieser zurücktrete und der mit der Kardinalswürde verbundenen Rechte – u. a. die Teilnahme an einer Papstwahl – verlustig gehe. Abgesehen von einem Fall 1927 gab es vor Franziskus im 20. und 21. Jahrhundert keinerlei Kardinalsrücktritte. 2015 legte der Schotte Keith Patrick O’Brien (gest. 2018) wegen Missbrauchsvorwürfen das Kardinalat zurück, 2018 tat dies der US-Amerikaner Theodore McCarrick aus gleichem Grund.

Diesmal waren es Vorwürfe von Misswirtschaft und der finanziellen Begünstigung von Familienmitgliedern, die Papst Franziskus persönlich tätig werden ließen: Er teilte am 24. September Becciu selber mit, dass er zu gehen habe. Tags darauf verteidigte sich dieser auf einer Pressekonferenz: Die Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage.

Der Vatikan – ein Augiasstall?

Tatsächlich steht der aus Sardinien stammende Kirchenmann bereits geraume Zeit im Fokus von Korruptions- und Misswirtschaftsvorwürfen. Nicht zuletzt im eben auch auf Deutsch erschienenen Buch „Habgier im Vatikan“ des italienischen Enthüllungsjournalisten Gianluigi Nuzzi sind selbige in extenso aufgelistet. Becciu war 2011–18 als Substitut im vatikanischen Staatssekretariat einer der mächtigsten Männer der Kurie und dirigierte auch Finanzströme. Unter anderem werden ihm Spekulationsverluste mit Spendengeldern in dreistelliger Millionenhöhe angelastet. Zuletzt erhoben italienische Medien weitere Anschuldigungen: Becciu habe Unternehmen von drei seiner Brüder Aufträge verschafft.

Der Hauptvorwurf in Nuzzis Buch lautet, dass die von Papst Franziskus geforderte Bereinigung der Vatikan-Finanzen von der Kurie (und ganz speziell von Becciu) hintertrieben wurde und wird und dass der Vatikan vor dem Bankrott steht. Dass der Pontifex nun mit dem Hinausschmiss von Becciu ein deutliches Zeichen will, scheint evident. Ob das aber etwas fruchten wird? Der Vatikanist Marco Politi meinte dazu dieser Tage gegenüber dem Spiegel, statt Zustimmung erfahre Franziskus vor allem Widerstand vonseiten seiner konservativen Gegner: „Reformorientierte Bischöfe und Kardinäle schweigen, sie lassen den Pontifex allein“, so Politi. „Er ist wie Herakles, der es nicht schafft, den schmutzigen Stall auszumisten, weil er in jeder Ecke eine neue Schweinerei entdeckt.“

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