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Das Thema ist nicht erledigt: Eine von der Theologie emanzipierte Philosophie beschäftigt sich (wieder) mit Religion.

Im Labyrinth der Philosophie wird der rote Faden neu verlegt. War das Thema Religion nicht seit 200 Jahren erledigt und nur mehr den Theologen und anderen Obskurantisten zugestanden? Dagegen macht sich in den letzten Jahren ein erstaunliches Phänomen bemerkbar: Die Zunft der Philosophen denkt wieder über Religion nach.

Dieser internationale Trend führte zu einer österreichischen Initiative: In den Räumen des Otto-Mauer-Zentrums sucht eine monatliche Vortragsreihe die Frage zu klären, was noch über Religion gedacht werden kann, nachdem die Religionskritik - so schien es - tabula rasa gemacht hat. Das Projekt, bisher fast ein Geheimtipp, geht ins vierte Jahr und stellt sich nun unter dem Titel "Religion, Moderne, Postmoderne" auch publizistisch vor. Das Buch vereint Beiträge von 17 prominenten Autoren, unter ihnen Johann Baptist Metz, Dorothee Sölle, Heinrich Schmidinger, Gianni Vattimo, Herta Nagl-Docekal, Susanne Heine, Matthias Lutz-Bachmann, Augustinus Karl Wucherer-Huldenfeld. Die Herausgeber sind Klaus Dethloff und Ludwig Nagl, Philosophen an der Wiener Universität, und Friedrich Wolfram, der das Programm des Akademikerverbandes seit Jahren unermüdlich zu hochrangigen Denkbemühungen provoziert.

Während sich die Kirchen als traditionelle Religionsagenturen in Rückzugsgefechten aufreiben und immer mehr Zeitgenossen in unreflektierte religiöse Selbstinszenierungen ausweichen, wird hier nach Grundsteinen für zeitgemäße Denkgebäude gesucht. Weder Paulus noch Augustinus, um nur zwei der Größten zu nennen, wären ohne den Denk- und Wortapparat ihrer zeitgenössischen Philosophie ausgekommen, und Thomas von Aquin revolutionierte die Theologie, indem er sich der damals wieder entdeckten Philosophie des Aristoteles bediente.

Papst Johannes Paul II. hat in seiner Enzyklika "Fides et ratio" (1998) zum neuen Gespräch zwischen Glaube und Vernunft aufgefordert. Illusionen über eine Rückkehr in die heile Welt der klassischen Metaphysik sind freilich fehl am Platz. Doch macht sich seit den achtziger Jahren ein neues Interesse an Religion bei Denkern und Denkerinnen bemerkbar, die als überzeugt religionskritisch galten. Im Rückblick sind auch der späte Wittgestein und die Frankfurter Schule keineswegs "religionslos". Und die Behauptung, die Aufklärung hätte mit der Religion radikal Schluss gemacht, erweist sich als tendenziöse Sprachregelung einer überholten Wissenschaftsgläubigkeit. Eine von der Theologie emanzipierte Philosophie beschäftigt sich mit Religion jenseits ihrer historischen und konfessionellen Erscheinungsformen. Den neuesten Beleg dafür liefert Ludwig Nagl mit einem Sammelband von 15 Autoren unter dem signifikanten Titel: "Religion nach der Religionskritik".

Die neue Religionsphilosophie hat einen durchaus politischen Nutzen: Sie dient dem Zusammenleben in einer zunehmend multireligiösen Gesellschaft. Die bemerkenswerte Vortragsreihe im Wiener Otto-Mauer-Zentrum läuft auch in diesem Jahr weiter - Starttermin ist der 7. März. Als Ergebnis ist ein weiterer Band unter dem Titel "Glauben und Wissen" in Vorbereitung.

RELIGION, MODERNE, POSTMODERNE

Philosophisch-theologische Erkundungen Hg. v. Klaus Dethloff, Ludwig Nagl, Friedrich Wolfram

Parerga Verlag, Berlin 2002

368 Seiten, kart., e 30,70

RELIGION NACH DER RELIGIONSKRITIK

Hg. v. Ludwig Nagl. Wiener Reihe - Themen der Philosophie, Bd. 12

R. Oldenbourg Verlag - Akademie Verlag, Wien - Berlin 2003

328 Seiten, kart., e 34,80

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