Und wieder: Antisemitismus

Werbung
Werbung
Werbung

Ich schreibe nicht gern über Antisemitismus, aber manchmal lässt sich das Thema nicht vermeiden. Bei einem Treffen mit amerikanischen Kolleginnen und Kollegen habe ich gerade wieder erfahren, wie viele jüdische Studierende an US-Universitäten sich als Zielscheibe von Vorwürfen empfinden, die alle Weißen und jeden Unterstützer Israels pauschal als Agenten eines ausbeuterischen kapitalistischen Kolonialismus sehen. Ähnliche Motive klangen in dem Kunstwerk an, das die „Documenta“ in Kassel im Skandal versinken lässt. Und der deutsche Bundesgerichtshof lehnt die Entfernung der Schmäh-Skulptur einer „Judensau“ an der Predigtkirche Martin Luthers in Wittenberg ab. Die Umstände – politisierte Studentenschaft, codierte Bildsprache, religiöser Antijudaismus – sind sehr verschieden, aber die Frage bleibt dieselbe: Welche Kritik ist legitim und wo beginnen problematische Zuschreibungen, die auf jahrhundertealte Motive zurückgreifen, wenn sie „den Juden“ pauschal bestimmte Eigenschaften zuschreiben und ihre Interessen und Identität als unberechtigt ablehnen? Natürlich gibt es für dieses Problem wenige Lösungen – und selbst diese haben auch früher schon nicht immer geholfen. Trotzdem bleibt Aufklärung ein Rezept: Aufklärung darüber, dass nicht alle Juden reich sind oder einen ausbeuterischen Kapitalismus unterstützen. Aufklärung darüber, dass nicht alle Juden die Politik des Staates Israel unterstützen, der aber eine Existenzberechtigung aus den jüdischen Schutz- und Identitätsbedürfnissen hat. Aufklärung über eine hart erkämpfte verständnisvolle Sicht moderner christlicher Theologie für das Judentum. Solche Aufklärung kann zu Empathie und zu Toleranz führen – schafft es aber nicht immer. Dies wird nicht die letzte, widerwillig geschriebene Kolumne gegen Antisemitismus sein.

Der Autor lehrt jüdische Religions- und Geistesgeschichte an der Universität Potsdam.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung