God's Own Country ...?

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Hat Gott im politischen System der Vereinigten Staaten das Sagen - oder doch nicht? Der diesbezügliche Haussegen hängt in den USA anno 2016 ordentlich schief.

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Hat Gott im politischen System der Vereinigten Staaten das Sagen - oder doch nicht? Der diesbezügliche Haussegen hängt in den USA anno 2016 ordentlich schief.

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Angesichts der anstehenden US-Präsidentschaftswahlen und dem 240. Jahrestag der kolonialen Lossagung von England rücken die Gründerväter der Vereinigten Staaten, also jene 94 Herren, die entweder die Unabhängigkeitserklärung (1776) oder die US-Verfassung (1787) unterzeichnet haben, dieser Tage vermehrt in den Blick. Dann spielt gerade jene Frage eine zentrale Rolle, die Goethe als Zeitgenosse jener politischen Umstände, die zur Gründung der USA führten, in seinem "Faust" Gretchen in den Mund gelegt hat: "Wie hast du's mit der Religion?" Oder anders formuliert: Welche Rolle spielte Religion für die "founding fathers" bei ihrem Akt der Staatsgründung?

Unterschiedliche soziale, wissenschaftliche und politische Kreise streiten seit Mitte des 20. Jahrhunderts um die grundsätzliche Frage, ob die USA als ein religiöses, oder sogar explizit christliches Land gegründet wurden. Beide Seiten, sowohl religiös-konservative und liberale bis atheistisch motivierte Kreise versuchen diese politischen US-Autoritäten für ihre Argumentation zu gewinnen. Somit hängt der Haussegen in "God's Own Country" just in diesem besonderen politischen Jahr gewaltig schief.

Ewig scheinende Diskussion

So betont der evangelikale Pastor und politische Aktivist David Barton in seinem Buch "America's Godly Heritage" die Religiosität der Gründerväter, während die atheistische Autorin Susan Jacoby die Väter der Nation als aufgeklärte Freidenker ("Freethinkers") darstellt. Beide folgen generalisierenden Extremen einer ewig scheinenden Diskussion, die sich nicht zuletzt dadurch entzündet hat, dass Präsident Eisenhower in den anti-kommunistischen 1950er-Jahren die USA als christlich-religiösen Gegenpol zur atheistischen Sowjetunion zu positionieren suchte.

Sicht- und hörbare Überbleibsel seiner Politik finden sich auch heute noch auf den Dollar-Noten ("In God We Trust") und im Treueversprechen der US-Amerikaner zu ihrem Land ("One Nation Under God"). Schon damals unterstützten konservative Evangelikale, wie etwa Billy Graham, diese Deutung der US-Nation und sahen sich in der Geschichte bestätigt: Tatsächlich sah der Calvinist und Gründervater Patrick Henry in den Vereinigten Staaten "nicht nur ein religiöses, sondern das christliche Land schlechthin."

In dieser Linie sei auch Doug Philips zu nennen, der in George Washington, "den amerikanischen Joshua, der Gottes Volk im Kampf um die Freiheit zum gelobten Land gemacht hat", sieht. Doch mehrten sich im ausgehenden 20. Jahrhundert die atheistischen und säkular-liberalen Stimmen, die die faktische Religionslosigkeit des amerikanischen Staates betonen.

Ein Blick zu den Gründervätern legt dann einen Ansatz nahe, den Steven Waldman, Autor von "Founding Faith", formuliert hat: Die Gründerväter waren keine monolithische Gruppierung einer Weltanschauung und ebenso wenig wollten sie einen genuin religiösen oder von jeglicher Religion entkleideten Staat.

So findet man innerhalb der Unterzeichner sowohl presbyterianische Vertreter (etwa John Witherspoon), Katholiken (Charles Carrol, dessen Bruder John in Baltimore der erste Erzbischof jenseits des Atlantiks war), aber auch episkopale und calvinistische Gläubige. Zu diesen bekennenden Gläubigen kam aber auch eine große Gruppe von Gelehrten, die - durch die europäische Aufklärung beeinflusst - am ehesten Deisten zugeordnet werden könnten. Dazu zählen etwa Thomas Paine ("Ich glaube an Gott, aber an kein Bekenntnis. Mein Verstand ist meine Kirche!") und der dritte Präsident der USA, Thomas Jefferson, der es sich in seiner Freizeit zur Aufgabe gemacht hat, das Neue Testament von allen göttlichen und wunderhaften Erzählungen zu "säubern" und Jesus als einen moralischen Prediger ohne jegliche Göttlichkeit darzustellen.

So schrieb Jefferson in einem Brief an John Adams, dass "eine Zeit der Vernunft kommen wird, in der die Geschichten von der Göttlichkeit Jesu, der Jungfrau und Wundern nicht mehr wert sind als die Mythen der Griechen und Römer." Ins gleiche Horn bläst auch ein weiterer Vater der USA, Benjamin Franklin, wenn er betont, dass "Leuchttürme in jeglicher Hinsicht um ein vielfaches nützlicher sind als die Gebetshäuser der Träumer".

Angesichts dessen mag die gesamte Diskussion um die Religiosität der Gründerväter als eine unendliche Geschichte anmuten. In der Tat sind auch die Gründungsschriften der USA wenig eindeutig, geht es um diese Frage. Das Wort "Gott", das von Eisenhower so selbstbewusst in den "Pledge of Allegiance" eingefügt worden war, kommt nicht ein einziges Mal vor, ebenso wird keine Religion erwähnt, geschweige denn Verweise auf eine Kirche oder heilige Schrift.

Nur ein "Creator" wird erwähnt

Vielmehr wird in der Verfassung mehr beiläufig betont, dass kein Religionsbekenntnis eine Hürde für die Ausübung eines politischen Amtes darstellen darf. Daneben tritt die Religion nur in der Erwähnung eines Schöpfers ("creator") in den Blick: Alle Menschen sind gleich geschaffen und durch diesen Akt mit unveräußerlichen Rechten versehen.

Laut Waldman zeichnet sich in dieser Minimalformulierung nicht nur ein bloßer Konsens der Staatsgründer, sondern vielmehr deren politische Intention ab. Die Gründerväter waren allesamt hoch gebildete Männer in Geschichte und Politik und waren sich angesichts der in Europa seit hunderten Jahren herrschenden Kriege, die nicht zuletzt immer auch von Religion beeinflusst waren, des politisch gefährlichen Potenzials von Weltanschauungen durchaus bewusst. Somit verfolgten sie in den Gründungstexten eine strategische "hands-off"-Politik im Hinblick auf Religion(en).

Mit dem einfachen Verweis auf einen Schöpfer sollte das Land nicht auf eine Religion reduziert werden, sondern vielmehr explizit grenzüberschreitend geöffnet werden, sodass möglichst alle Weltanschauungen zustimmen konnten. Damit wurden sie auch der gesellschaftlichen Situation in den Kolonien der neuen Welt gerecht, die sich nun von den immer noch religiös instrumentalisierten Monarchien Europas lossagten. Hier siedelte bereits eine Vielzahl von Religionsgemeinschaften, die sich in der neuen Welt die freie Ausübung ihrer Religion erhofft hatten.

Damit wird auch ersichtlich, was die Religionssoziologin Catherine Albanese betont: Die religiöse Pluralität in der Neuen Welt ist keinesfalls ein Resultat der Globalisierung im 19./20. Jahrhundert, sondern vielmehr bereits in den ersten Siedlungsbewegungen im 16. Jahrhundert grundgelegt. Die Gründerväter der USA, selbst eine Gruppe vieler Kulturen, Religionen und Biografien, nahmen diese Vielfalt nicht nur wahr, sondern wollten mit ihrer vorsichtigen Formulierung rund um den Schöpfer eine inklusive demokratische Politik ermöglichen, mit der sich viele Weltanschauungen identifizieren konnten.

Die Verständigung auf universelle Menschenrechte, in der US-Verfassung mit dem Schöpfer umschrieben, zeichnet das aus, was die Gründerväter als den amerikanischen Traum realisieren wollten. Dies möge sich auch ein republikanischer Immobilien-Mogul vor Augen halten, wenn er wieder einmal den Islam aus diesem Traum ausschließen möchte.

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