"Gott bewirkt keine kleinen Dinge"

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Forum Sacré Cœur: Astrophysiker Heinz Oberhummer im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums - über Urknall, Intelligent Design und die Grenzen von Wissenschaft und Glaube.

Seit mehr als fünfzehn Jahren stellt der Physiker Heinz Oberhummer erfolgreiche Forschungen über die so genannte Feinabstimmung der Naturkonstanten an. Dabei handelt es sich um die Entstehung chemischer Elemente, die für die Entwicklung von Leben notwendig sind. Würden die Kräfte, die bei diesen Prozessen wirken, auch nur ein ganz klein wenig von ihren eigentlichen Werten abweichen, so wäre das Leben nie entstanden. Sein jüngstes Buch "Kann das alles Zufall sein?" (siehe auch Furche Nr. 12, S. 7) beleuchtet seine Forschungsarbeit.

Wer hat den Urknall initiiert? Kann man von einer Zeit vor dem Urknall sprechen?

Heinz Oberhummer: Nach der alten Urknalltheorie gibt es ein "Vor dem Urknall" nicht, weil Raum und Zeit selbst mit dem Urknall entstanden sind. Jedoch gibt es seit zwei bis drei Jahren Theorien, nach denen der Anfang nicht mit dem Urknall gekommen ist, sondern das Universum schon existiert hat, sodass es also zusammengeschrumpft war und sich aufgebläht hat. Das Universum bläht sich nach dieser Theorie zyklisch auf und geht wieder ein. Man ist heutzutage nicht so sicher.

Warum kann man die Zeit nur bis zu einer Milliardstel Sekunde nach dem Urknall zurückdrehen? Wieso können wir nicht sagen, was genau zum Zeitpunkt des Urknalls geschehen ist?

Oberhummer: Bis jetzt ist es uns gelungen, die Zeit bis zu einem Bruchteil nach dem Urknall zurückzuverfolgen. Um ein "Davor" oder den genauen Zeitpunkt des Urknalls zu bestimmen, muss die Quantentheorie mit der Relativitätstheorie übereingestimmt werden. Das haben wir bis jetzt noch nicht geschafft, obwohl ich anfangs geglaubt habe, das sei eine Arbeit von höchstens zehn Jahren. Ich bin in dieser Hinsicht nicht sehr zuversichtlich. Unsere physikalischen Modelle können das noch nicht erklären.

Glauben Sie an ein höheres Wesen, und wenn ja, an welches?

Oberhummer: Früher habe ich mir diese Frage nicht gestellt, denn ich war ja Physiker. Aber nach meinen Entdeckungen bin ich überzeugt: Wenn man sich das Universum ansieht, dann muss es einen Gott geben. Egal, ob man es nun Intelligent Design oder Gott nennt. Jedoch glaube ich nicht, wie unser Kardinal immer sagt, dass "die Größe Gottes sich zeigt, weil er im Kleinen wirkt". Ich glaube, Gott bewirkt keine kleinen Dinge. Er ist viel grandioser. Ich denke mir immer, früher saßen die Menschen in ihren Höhlen, und wenn es ein Erdbeben oder einen Vulkanausbruch gab, dann war ein böser Gott schuld. Heute können wir das alles wissenschaftlich erklären. Das Tolle ist, dass wir das alles verstehen mit so einem kleinen Hirn. Wir können dieses Grandiose, Gigantische diskutieren, das verwundert mich immer. Insofern ist hier etwas göttlich. Und in einem bin ich einer Meinung mit dem Kardinal: Mich wundert es, dass sich die Wissenschaftler nicht wundern, warum sie so viel erklären können.

Wie wahrscheinlich ist es, dass eine fundamentale Theorie für alles existiert, und wie nah ist die Wissenschaft an dieser Theorie?

Oberhummer: Die Wissenschaft ist noch sehr weit entfernt von einer Theorie für alles. Die Stringtheorie ist zurzeit der beste Kandidat, das Problem ist nur: die ist unheimlich vielfältig. Man kann mit ihr alles beschreiben. Bis jetzt gibt es keine überprüfbare Aussage. Ich bin hier sehr, sehr skeptisch. Vielleicht haben wir aber in Zukunft einen anderen Ansatz. Die besten Physiker arbeiten schon zehn, fünfzehn Jahre daran - und herausgekommen ist nichts. Wahrscheinlich ist das verlorene Liebesmüh'.

Glauben Sie, die Theorie des Intelligent Design wird irgendwann wissenschaftlich belegbar sein?

Oberhummer: Nein, ich glaube diese Theorie ist weder belegbar noch falsifizierbar. In meinen Augen suggeriert das Intelligent Design, dass von Gott wegen jeder Kleinigkeit "nachgewassert" wird. Ich glaube aber, er entwirft ein Multiversum und lässt die Sache dann laufen, aber beweisen kann ich das nicht, und Sie können es genauso wenig widerlegen. Es ist eine Glaubenssache. Ich habe auch vollstes Verständnis dafür, wenn jemand sagt, er möchte einen eigenen kleinen Gott haben, der ihm persönlich hilft. Eigentlich sind wir nicht so weit voneinander entfernt: Er glaubt, dass Gott im Kleinen wirkt, ich glaube, dass Gott im Großen wirkt.

Redaktion: Tanja Walgram (8c)

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