Gott in die Mitte stellen

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In bedrückenden Situationen wachsen auch die Vorschläge, was alles zu tun wäre und geschehen sollte, gute und gutgemeinte Vorschläge.

Nun ist der unverkennbare Prozess der Entchristlichung auf unserem Kontinent für Christen belastend. Viele meinen, Experten und besonders auch fromme Leute, wir und überhaupt unsere Zeit hätten Gott aus den Augen verloren. Die Antwort auf diese Diagnose lautet dann oft einfach: Gott muss wieder in die Mitte gestellt werden. Nur so käme es zu einer religiösen oder christlichen Erneuerung. Und wer will schon widersprechen? Doch dieser Vorschlag, bei dem das Gemeinte vielleicht nur besonders ungeschickt ausgedrückt sein mag, ist bei näherer Betrachtung etwas bizarr. Zwar hinkt jedes Bild, aber dieses Bild von Gott, der in die Mitte gestellt werden soll, fällt direkt bei jedem Mal Aufstellen. Und wenn das Bild schief ist, ist das dahinterstehende Denkkonzept vielleicht auch fragwürdig.

Wie muss man sich denn einen Gott vorstellen, den man oder frau stellen kann, aufstellen und hin und her stellen und eben auch in die Mitte stellen?

Jedenfalls wäre dies ein Gott in unseren Händen, ein Gott, der bei Bedarf auch wieder weg gestellt werden kann. Ein ganz handsamer und handhabbarer Gott. Wünschen sich das nicht viele?

Mir ist keine biblische Forderung bekannt, Gott wieder in die Mitte zu stellen. Sehr wohl habe ich aber die biblische Aufforderung im Ohr. "Kehrt um!" Wir sind also die,die von Gott angesprochen werden, sich ansprechen lassen können, die sich bewegen sollen und bewegen lassen sollen.

Und wenn Gott nach biblischem Zeugnis mitten unter den Menschen wohnt, dann ganz aus seinem Wohlwollen gegenüber den Menschen heraus. Sie haben ihn dort nichthin gestellt und können ihn auch nicht her stellen. Sie können ihnnur aufnehmen.

Martin Jäggle ist Professor an der Religionspädagogischen Akademie Wien und Autor von Religionsbüchern. Zusätzlich engagiert er sich in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit.

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