"Gott ist Liebe" - in dreifacher Weise

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Drei göttliche Personen, die ein und dasselbe göttliche Wesen haben, sind nicht ein Gott, sondern drei. Wenn sie ein und derselbe Gott wären, müssten sie auch untereinander identisch sein.

Der Kirchenlehrer Gregor von Nyssa (338/339-394) erklärte die kirchliche Lehre von der Einheit der drei göttlichen Personen Vater, Sohn und Heiliger Geist in Gott durch folgenden Vergleich: "Es ist auch Petrus und Paulus und Barnabas nach dem Menschsein ein Mensch; und nach diesem selbst, dem Menschsein, können sie nicht viele sein; sie werden aber missbräuchlich viele Menschen genannt, aber nicht im eigentlichen Sinn. [] Daher sprechen wir richtig nicht von zwei oder drei Menschen; wenn das schon vom Menschen gilt, um wie viel mehr trifft es dann auf die ewige und göttliche Wesenheit zu, dass nicht jede der Personen als eigener Gott bezeichnet wird." - Hier wird die Einheit dreier real verschiedener göttlicher Personen damit erklärt, dass sie alle dem Wesen nach Gott seien; dabei wird ihre "Wesenheit", ihr Gott-Sein, als eine eigene Realität verstanden und so die Einheit Gottes begründet. Nach diesem Verständnis könnten auch noch mehr göttliche Wesen ein einziger Gott sein.

Im Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 253, steht über "Das Dogma der heiligsten Dreifaltigkeit": "Die Trinität ist eine. Wir bekennen nicht drei Götter, sondern einen einzigen Gott in drei Personen." Anschließend wird aus dem 4. Konzil im Lateran (1215) zitiert: "Jede der drei Personen ist jene Wirklichkeit, das heißt göttliche Substanz, Wesenheit oder Natur." - Auch hier wird die Einheit der drei göttlichen Personen auf die Übereinstimmung in der "Wesenheit oder Natur" zurückgeführt. Von einer Einzigkeit Gottes als einer "Substanz" im konkreten, realen Sinn ist keine Rede. Es heißt vielmehr (Nr. 252): "Die Kirche verwendet den Begriff 'Substanz'(zuweilen auch mit 'Wesen' oder 'Natur' wiedergegeben), um das göttliche Wesen in seiner Einheit zu bezeichnen." Drei göttliche Personen, die ein und dasselbe göttliche Wesen haben, sind aber nicht ein Gott, sondern drei.

Da hilft es auch nicht weiter, die göttliche Dreifaltigkeit zu einem "Glaubensmysterium im strengen Sinn" zu erklären, "das der Vernunft nicht zugänglich ist"(Weltkatechismus, Nr. 237). Denn es handelt sich hier um einen logischen Widerspruch: Wenn drei göttliche Personen ein und derselbe Gott wären, müssten sie auch untereinander identisch sein. Ganz abgesehen davon, dass ein gezeugter Gott-Sohn und ein gehauchter Gott-Heiliger Geist nicht Gott sein können, weil das Gott-Sein jede Form von Abhängigkeit ausschließt.

Heftiges Ringen um das Dogma

Es ist hier nicht möglich, die Geschichte der dogmatischen Trinitätstheologie nachzuzeichnen. Sie entwickelte sich in heftigen Auseinandersetzungen, vor allem um die Gottheit Jesu Christi, deren Ergebnis maßgeblich durch die jeweiligen Kaiser beeinflusst und von ihnen durchgesetzt wurde. Denn diese verstanden sich als oberste staatskirchliche Hüter der Religion. Das Dogma von Jesus Christus als wesensgleichem Sohn Gottes wurde auf dem Konzil von Nizäa (325) beschlossen, das Kaiser Konstantin einberufen und geleitet hatte. Damit sollte die Lehre des Arius verurteilt werden, der die Gottgleichheit Jesu Christi ablehnte. Doch dieser "Arianismus" konnte sich in manchen Teilen des römischen Reiches noch lange halten. Daher erklärte Kaiser Theodosius im Jahr 380 per Edikt den nizänischen Glauben zur einzig legalen Religion in seinem Reich und berief das Konzil von Konstantinopel ein, auf dem 381 das trinitarische Glaubensbekenntnis beschlossen wurde. Dabei wurde auch der Glaube an den Heiligen Geist, "der mit dem Vater und dem Sohne mitangebetet und mitverherrlicht wird", definiert. Dies erfolgte unter Berufung auf den Auftrag Jesu, auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes zu taufen (Mt 28,19). Doch aus dieser Nennung von Vater, Sohn und Geist -in einer bestimmten Reihenfolge -ergibt sich nicht, dass diese die gleiche Stellung hätten. Jene Bibelstelle ist keine Frühform der späteren Trinitätslehre, sondern das Taufgeschehen wird hier verstanden als das Heilshandeln Gottes des Vaters durch den Sohn im Heiligen Geist (vgl. 2 Kor 13,3; Eph 4,4-6 sowie den abschließenden Lobpreis im Hochgebet der Messfeier).

Die Trinitätstheologie entwickelte sich also unter vielen Konflikten in den ersten Jahrhunderten der Kirche und wurde erst im 4. Jahrhundert dogmatisch fixiert. Doch es muss möglich sein, an den Beginn der Kirche zurückzugehen, die auch damals rechtgläubig war, um ein neues Verständnis zu suchen, das die aufgezeigten Widersprüche vermeidet und die Einheit Gottes bewahrt. Dabei ist auszugehen vom Wirken Gottes in der Schöpfung und in der Erlösung, im Glauben und in der Liebe Jesu Christi sowie in der Gemeinschaft der Gläubigen und in allen Menschen guten Willens. Von da ist zurückzufragen, was die Voraussetzungen dieses dreifachen Wirkens in Gott sind. Maßgebend dabei muss die Bibel selbst sein, nicht deren spätere Auslegung durch die Kirche (vgl. FURCHE Nr. 5 und 8/17).

Liebe als Beziehung-Sein

Liebe bedeutet, sich auf Beziehungen einzulassen und in Beziehungen zu stehen; das gilt auch von der karitativen Liebe, die anderen Gutes tut, falls sie die Notleidenden nicht nur als Betätigungsfeld, als bloße Objekte ansieht. Dies ist nur möglich, wenn der Mensch Beziehungen zu anderen nicht nur wie einen Gegenstand herstellt, wann und wo er sie braucht, sondern gleich ursprünglich Bei-sich-Sein und Beziehung-Sein ist und dieses in der Liebe verwirklicht, indem er sich nicht festhält, sondern loslässt; auch mit dem Risiko, enttäuscht zu werden. Andernfalls wäre Liebe nur eine Handlung, eine Aktion, in der man herrscht und die man beherrscht, aber kein personales In-Beziehung-Sein. Sie wäre bloß eine Art Geschäft auf Gegenseitigkeit. Wer aus seinem Herzen liebt, hat nicht nur Beziehungen, sondern verwirklicht in diesen sein Wesen. Wenn das für die Liebe von Menschen gilt, muss Liebe als Beziehung-Sein schon in Gott verwirklicht sein, weil wir als sein Abbild geschaffen sind.

Nach den Worten von Papst Benedikt XVI. am Beginn seiner Enzyklika "Deus caritas est"(2005) ist in dem Satz "Gott ist Liebe" im Ersten Johannesbrief (4,8.18)"das christliche Gottesbild [ ] in einzigartiger Klarheit" ausgesprochen. Diese "Definition" des göttlichen Wesens setzt voraus, dass auch in Gott das Liebe-Sein nicht erst sein Wirken nach außen meint, sondern als Beziehung-Sein in ihm selbst verwirklicht ist; aber nicht dadurch, dass drei göttliche Personen einander lieben, denn auch diese müssten dazu vorher selbst schon Liebe sein. Nur wenn Gott als solcher Liebe ist, kann diese auch nach außen wirksam werden und in einer realen -nicht nur gedanklichen, wie es Thomas von Aquin lehrte -Beziehung zu den Geschöpfen stehen.

Liebe als Beziehung ist in jenen Formen möglich, in denen es Liebe gibt: als schenkende Liebe des Gebens, wo andere auf diese Liebe angewiesen sind, jedoch ohne sie zu unterwerfen oder diese Abhängigkeit auszunützen; als empfangende Liebe in der Antwort auf die schenkende Liebe, in Dankbarkeit und Ehrfurcht, aber nicht in sklavenhafter Unterwerfung; und schließlich als teilende Liebe unter Gleichen, zwischen denen keine Abhängigkeit oder Angewiesenheit besteht, die vielmehr miteinander ihr Beziehung-Sein verwirklichen und so ihr Dasein in Fülle erfahren.

Schenken -empfangen -teilen

Diese drei Grundformen der Liebe sind in jedem Menschen angelegt: die Fähigkeit zu schenken bis hin zu jener, als Vater oder Mutter das Leben weiterzugeben; die Fähigkeit, Liebe zu empfangen, auch als Söhne und Töchter derer, von denen man das Leben erhielt; und die Fähigkeit, das Leben in Gemeinschaft zu teilen, nicht nur in einer Kombination von schenkender und empfangender Liebe, sondern als geschwisterliches Miteinander-Sein auf gleicher Ebene.

Wie es diese drei Grundformen der Liebe in uns Menschen gibt, müssen sie bereits in Gott als unserem Urbild verwirklicht sein. Das lässt sich im Einzelnen zeigen: Wenn Gott in Liebe schöpferisch und erlösend wirkt, setzt das voraus, dass er in seinem Wesen schon schenkende Liebe ist; denn nur so kann diese über ihn hinaus tätig werden. Wenn Gott in Jesus Christus und in seinen Jüngerinnen und Jüngern, in Angehörigen anderer Religionen sowie in allen Menschen guten Willens die Fähigkeit bewirkt und weckt, ihr vorgegebenes Dasein gläubig oder zumindest in einem Vorschuss an Vertrauen anzunehmen, muss schon in ihm selbst die Liebe in der Grundform des Empfangens verwirklicht sein. Und wenn Gott die Menschen auf Liebe zueinander hin schafft, die sich in den an ihn Glaubenden als Brüdern und Schwestern beispielhaft realisieren kann und soll, dann muss es in ihm auch die Grundform der teilenden Liebe unter Gleichen, der geschwisterlichen Liebe und Gemeinschaft, geben.

Der eine Gott hat also nicht nur, sondern ist schenkende Liebe, Vater-/Mutter-Sein. Er ist auch empfangende Liebe, Sohn-/Tochter-Sein. Und er ist teilende Liebe, Bruder-/Schwester-Sein. Er ist Liebe in ihren drei Grundformen, auf dreifache Weise. Das wäre ein widerspruchsfreies Verständnis von Dreifaltigkeit, das nicht auf eine Drei-Götter-Lehre hinausläuft, aber Gott auch nicht nur als bloße und beziehungslose Identität versteht, als welche er nach dem platonischen Seinsideal der Einheit angesehen wurde. Ein solches "relationales" Verständnis des einen Gottes entspricht dem Glauben Jesu und ermöglicht eine Annäherung zwischen dem Christentum und den beiden anderen großen Offenbarungsreligionen Judentum und Islam, nicht als bloße Anpassung, sondern aus sachlichen Gründen. Auch hier gilt das Wort: "die Wahrheit wird euch befreien"(Joh 8,22).

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